Fragt man RB Leipzigs Angelino nach seinen Vorbildern, dann nennt er Roberto Carlos und Marcelo. Ein ehemaliger und ein aktueller Außenverteidiger von Real Madrid. Vor allem aber zwei Außenverteidiger, die eigentlich keine Außenverteidiger sind, sondern besser: Außenverteidigerangreifer.
Angelino hat sich aufgemacht, ihnen nachzueifern. "Ich bin ganz klar ein offensiver Verteidiger und das bin ich gern", sagte er neulich der Süddeutschen Zeitung. "Ich ziehe es vor, mich auf eine Sache komplett zu fokussieren und darin herausragend zu sein." Diese Sache lautet: Offensivspiel. Und darin ist er: herausragend.
Zuletzt flog Angelino, zu deutsch: das Engelchen, auf dem linken Leipziger Flügel förmlich durch die gegnerischen Abwehrreihen. Bei seinen 16 Pflichtspieleinsätzen in dieser Saison gelangen ihm wettbewerbsübergreifend sechs Tore (zwei davon trotz seiner Körpergröße von nur 1,71 Metern per Kopf) sowie vier Assists. Einer davon am vergangenen Wochenende, als seine Leipziger im Bundesligatopspiel ein 3:3 beim FC Bayern München erkämpften.
Angelino: Der wohl beste Außenverteidigerangreifer Europas
Angelino ist aktuell der wohl beste Außenverteidigerangreifer Europas. Seine zehn Scorerpunkte machen ihn statistisch gesehen zum gefährlichsten Verteidiger der Top-5-Ligen, mit sieben folgen Juan Cuadrado von Juventus Turin (null Tore, sieben Assists) und Romain Perraud von Stade Brest (drei Tore, vier Assists). Angelinos 26 Schüsse sind Bestwert, seine 33 kreierten Torchancen die zweitmeisten nach Jesus Navas vom FC Sevilla.
"Nagelsmann lässt mich sehr kreativ agieren. Er schränkt mich nicht ein, sondern gibt mir Vertrauen und die Freiheit, Entscheidungen zu treffen", erklärt Angelino. Sichtlich genießt er die Arbeit unter Julian Nagelsmann, der ihn einst schon zu seinem Ex-Klub TSG Hoffenheim holen wollte. Bei jeder Gelegenheit betont Angelino, wie wichtig der Trainer für ihn und seine Entwicklung ist. Vielleicht, weil er erstmals in seiner Karriere echtes Vertrauen spürt.
Während es für Angelino auf dem Platz stets nur nach vorne geht, ging es in seiner Karriere jahrelang vor und zurück. Bei seinem langjährigen Stammklub Manchester City wurde Angelino wieder und wieder per Leihe weggeschickt. Letztmals im Januar 2020 nach Leipzig, wo er endlich eine Heimat gefunden zu haben scheint.
Angelinos Karriereweg: Coristanco, Manchester, Leipzig
Geboren im galizischen Dorf Coristanco, ganz im Nordwesten Spaniens gelegen, landete Angelino im Alter von zehn Jahren beim größten Klub der Gegend Deportivo La Coruna. Mit 16 wechselte er in Citys Jugendabteilung, bald ging es los mit den Leihen. Zunächst spielte er einige Monate beim Kooperationsklub New York City FC, unter anderem gemeinsam mit Andrea Pirlo und Frank Lampard. Dann ohne einen einzigen Einsatz einige Wochen für den FC Girona, an dem Citys Eigentümer aus Abu Dhabi ebenfalls Anteile halten.
Kehrte Angelino zurück, wurde er stets direkt weiterverliehen: RCD Mallorca, NAC Breda, PSV Eindhoven. Dort spielte er in der Saison 2018/19 unter Trainer Mark van Bommel und überzeugte mit zehn Scorerpunkten. Ein halbes Jahr lang durfte er sich daraufhin bei Citys Profis probieren, viele Einsatzchancen bekam er aber nicht. Trainer Pep Guardiola vertraute auf der linken Außenbahn lieber Benjamin Mendy und Oleksandr Zinchenko.
23 Jahre war Angelino mittlerweile alt. Was nun? Die nächste Leihe, die sechste Leihe. Die letzte Leihe?
Nagelsmann über Angelino: "Ein Typ Spieler, den ich liebe"
Zunächst wechselte Angelino nur für die Rückrunde nach Leipzig, wo er umgehend den jahrelangen Stamm-Linksverteidiger Marcel Halstenberg verdrängte. Böse ist ihm Halstenberg, der seitdem innen verteidigt oder auf der Bank sitzt, deswegen aber offensichtlich nicht, stattdessen nennt er Angelino "einen überragenden Kerl".
Die Kaufoption von kolportierten rund 20 Millionen Euro ließ Leipzig jedoch verstreichen, stattdessen einigten sich die Klubs auf ein erneutes Leihgeschäft. Diesmal soll nach einer gewissen Anzahl an Einsätzen eine Kaufpflicht greifen, die angeblich niedriger dotiert ist als die Kaufoption der vergangenen Saison. Für Leipzig wäre das ob Angelinos Entwicklung der vergangenen Wochen, die ihn erstaunlicherweise noch nicht in die spanische Nationalmannschaft befördert hat, ein Glücksfall.
"Er verkörpert einen Typ Spieler, den ich liebe", sagt Nagelsmann. "Er ist in der Lage, ohne große Anpassungsprobleme drei, vier verschiedene Positionen zu spielen. Das gibt dem Trainer auch mal die Option, ohne Wechsel die Grundordnung anzupassen." Und diese Option nutzt Nagelsmann gerne: mal Viererkette, mal Dreierkette. Egal in welchem System, seinen Offensivdrang darf Angelino immer ausleben. Oder wie Nagelsmann sagt: "Seinen Spieltrieb eines Kindes."
Angelinos Leistungsdaten in den nationalen Profiligen
Zeitraum | Klub | Spiele | Tore | Assists |
2015 | New York City FC | 14 | - | 4 |
2017 | FC Girona | - | - | - |
2017 | RCD Mallorca | 17 | - | 2 |
2017 bis 2018 | NAC Breda | 34 | 3 | 6 |
2018 bis 2019 | PSV Eindhoven | 34 | 1 | 10 |
2019 bis 2020 | Manchester City | 6 | - | - |
seit 2020 | RB Leipzig | 23 | 5 | 4 |