Jose Mourinho über den FC Bayern: "Man kann die Empathie zwischen Flick und den Spielern greifen"

Von John McDonnell
mourinho-fcb
© imago images/ Sven Simon

Im Interview mit DAZN spricht Tottenhams Coach Jose Mourinho vor dem Champions-League-Finale zwischen Paris Saint-Germain und Bayern München (So., 21 Uhr LIVE auf DAZN und im LIVETICKER) über die Gemeinsamkeiten mit Thomas Müller und Bayerns Trainer Hansi Flick. Außerdem verrät der 57-Jährige, wieso er Joshua Kimmich so mag, den Modus des Finalturniers aber nicht.

Cookie-Einstellungen

Viermal gewann Jose Mourinho ein Finale um einen europäischen Wettbewerb. Mit dem FC Porto gewann er 2003 den UEFA-Cup gegen Celtic Glasgow und 2004 die Champions League gegen die AS Monaco, mit Inter Mailand 2010 die Champions League gegen den FC Bayern, 2017 triumphierte er mit Manchester United in der Europa League im Finale gegen Ajax Amsterdam. Dieses Jahr war für Mourinho und Tottenham Hotspur nach dem Achtelfinalspielen gegen RB Leipzig Schluss.

Jose Mourinho über...

... den Sieg von Inter Mailand 2010 gegen den FC Bayern: "Oh, das ist lange her. Ich glaube, Thomas Müller dürfte der einzige sein, der damals schon dabei war... Jedenfalls hatten wir damals dieses Gefühl der Unbesiegbarkeit. Wir hatten einen unglaublichen Lauf, sehr ähnlich zu dem der Bayern derzeit. Sie gewinnen in einer Tour, erzielen jede Menge Tore, spielen sehr intensiven Fußball, wirken frisch. Weil die Bundesliga als erste Liga wieder anfangen und damit auch aufhören konnte. Die Pause war wichtig, um sich gezielt auf das Finalturnier in Lissabon vorzubereiten."

... seine Ansprache vor dem Finale 2010: "Wir hatten diese Kisten bei uns im Hotel, darin diese Gewinner-T-Shirts, die man heutzutage bei so einem Triumph überstreift. Ich habe diese Kisten durch die Gegend gekickt. Ich hasse dieses Marketingzeug. Ich bin sicher, die Bayern werden ebenfalls solche Shirts haben, Paris auch. Ich kann nur hoffen, dass die weder der Trainer noch die Spieler vor dem Finale zu sehen bekommen."

... Bayerns Mannschaft und Trainer Hansi Flick: "Schauen Sie sich den Kader der Bayern an: Für sehr viele ist die Situation jetzt ein Deja-vu. Thiago, Müller, Neuer, Boateng, Alaba kennen das schon. Pavard stand zwar noch nie im Champions-League-Finale, ist aber schon Weltmeister. Perisic hat das WM-Finale gespielt. Eigentlich ist das alles nur für Hansi Flick neu. Er steht quasi am Anfang seiner Karriere als Cheftrainer, aber er macht einen fantastischen Job bei den Bayern. Man kann die große Empathie zwischen ihm und seinen Spielern förmlich greifen. Das ist in diesen großen Momenten sehr wichtig. Auch die Bayern haben eine graue Zeit hinter sich. Aber seit Flick übernommen hat, spielt die Mannschaft wieder Fußball. Thomas Müller fühlt sich wieder wohl. Und wenn er sich wohl fühlt, spielt er auch gut und hilft der Familie. Und steht nun vor einem nächsten großen Moment seiner Karriere."

... Thomas Müller: "Wenn du in jungen Jahren schon erfolgreich im Fußball bist, vergessen die Leute bisweilen dein Alter. So geht es mir als Trainer auch. Manchmal meinen die Leute, ich sei schon 75. Dabei bin ich 57 Jahre alt. So ist das, wenn man so früh schon auf dem höchsten Niveau auftaucht. Thomas ist doch auch noch nicht alt, er hat halt nur sehr früh angefangen."

mourinho-spurs_1200x694

Mourinho: "Kimmich hat alle Qualitäten, die ein Trainer sehen will"

... die Entwicklung von Joshua Kimmich: "Ich sehe einen großartigen rechten Außenverteidiger, einen linken Außenverteidiger, einen Innenverteidiger, eine Nummer sechs, Nummer acht, Nummer zehn. Er hat alle Qualitäten, die ein Trainer sehen und haben will. Aus der Ferne betrachtet vermute ich bei ihm einen sehr großen Fußballintellekt, er versteht das Spiel und die Anforderungen auf den verschiedenen Positionen. Er ist ein absolut phänomenaler Spieler, einer der Besten der Welt. Ich bin ein Mannschaftstrainer, kein Einzeltrainer. Für mich steht immer der Teamerfolg im Vordergrund - aber in dieser Mannschaft kann der eine oder andere auch einen dieser individuellen Awards gewinnen."

... RB Leipzig, das im Achtelfinale auch Jose Mourinhos Tottenham ausgeschaltet hat: "Leipzig hat eine gute Saison gespielt. Aber wenn sie damals nicht gegen Tottenhams ‚zweite Mannschaft' gespielt hätten, wäre es eng geworden. Das war aber nicht ihr Fehler, sie haben nur ihren Job erledigt und uns auseinandergespielt. Gegen Paris waren sie noch nicht so weit. Paris ist auch gefährlich, wenn man vermeintlich die Kontrolle über das Spiel hat. Dann schlagen sie plötzlich zu und killen dich. Leipzig ist gegen eine Mannschaft ausgeschieden, die die Königsklasse gewinnen kann. Kann Leipzig das in Zukunft auch? Keine Ahnung, kommt darauf an. Sie haben jetzt Timo Werner verloren, vielleicht kommen bald die dicken Fische und nehmen ihnen Upamecano oder Sabitzer weg und bremsen die Entwicklung. Aber die Red-Bull-Organisation ist erstklassig, mit einer guten Philosophie. Nächste Saison werden sie wieder dabei sein, mit mehr Erfahrung. Ich schätze sie sehr stark ein."

Jose Mourinho: "Als Mannschaft ist PSG irdisch"

... PSG: "PSG hat keine phänomenale Mannschaft, aber ein paar wirklich phänomenale Spieler. Das Investment in den letzten vier, fünf, sechs Jahren ist einfach verrückt, die Liste der überragenden Spieler unglaublich. Thiago Silva, Marquinhos, Ibrahimovic, Cavani, Neymar, Mbappe, es gab und gibt nonstop Superstars. Und damit kann man auch Mannschaften schlagen, die eigentlich besser sind. Große Mannschaften gewinnen über eine Saison verteilt Meisterschaften. Aber große Spieler gewinnen die großen Spiele. Als Mannschaft ist PSG irdisch. Aber einzelne Spieler sind von einer anderen Welt. Sie müssten nun aufblühen, aber die Bayern sind als Mannschaft besser. Aber: Sie müssen wissen, dass Paris sie verletzten kann. Darauf müssen die Bayern sich einstellen."

... seine Prognose für Sonntag: "Das fragen mich Freunde und Familienangehörige auch dauernd. Weil sie glauben, ich sei ein Experte dafür. Das bin ich aber nicht, ich bin sogar richtig schlecht darin, Spiele zu tippen. Ich sage immer: Im Halbfinale hast du eine 25-prozentige Chance auf den Titel, als Finalist sind es dann 50 Prozent. Ich werde jetzt nicht sagen: Ich möchte, dass diese oder jene Mannschaft gewinnt. Das möchte ich auch nicht. Mir gefällt aber grundsätzlich das Konzept eines echten Teams mit einigen speziellen Spielern mehr, als ein paar spezielle Spieler, die eine Mannschaft tragen."

... die Schwäche der englischen Mannschaften in den Finalturnieren der Champions League und Europa League: "Das waren müde Truppen, die dorthin geschickt wurden. Ganz im Gegensatz etwa zu den Franzosen, die nach ihrer Pause frisch zum Endturnier kamen. In England spielten wir ohne Pause durch, dann kam die Unterbrechung, ohne Trainingsmöglichkeiten, dann sofort wieder die Pflichtspiele und dann am Ende einer langen Saison die Finalturniere. Die Franzosen waren im Urlaub, hatten ein paar Freundschaftsspiele und waren mental wie körperlich topfit und frisch. Für diese Mannschaften sind die Endturniere nicht das Ende der letzten Saison, sondern schon der Anfang einer neuen. Deshalb sind diese Teams so frisch. Denn das ist nicht die 'echte' Champions League oder Europa League. Dafür gibt es einfach zu viele Einflüsse von außen. Aber wenn du am Ende die Hände am Pokal hast: Job erledigt!"

... seine Abneigung gegen den Modus des Finalturniers: "Weil der Fußball für die Fans ist! Im Fußball geht es um Leidenschaft, um mentale Stärke. Dieses Kribbeln, auswärts gegen 70.000 Fans anspielen zu müssen. Das liebe ich einfach. Und das gibt es nur in Hin- und Rückspielen. Aus Sicht der Außenseiter ist dieses eine K.o.-Spiel besser, da kann in einer Partie alles passieren. Aber ich mag diesen großen Druck, wenn du zum Beispiel ein Champions-League-Halbfinale spielst und drei Tage später in der heimischen Liga in einem anderen Wettbewerb völlig andere Entscheidungen treffen musst. Dann sind wieder andere Spieler gefragt, das Konzept einer Saison wird dadurch getragen. Selbst mit Fans im Stadion wäre der Modus mit nur einem Spiel nicht gut. Du spielst dann auf neutralem Boden und ein Drittel der Tickets geht an die Sponsoren. An Leute ohne Bezug zu einem der beiden Klubs. Also bleiben vielleicht noch 15.000 Fans von beiden Mannschaften und selbst die müssen gute Beziehungen oder das nötige Geld haben, um an eines der Tickets zu gelangen. Aber so ist der Fußball nicht. Der Fußball ist für die Fans, die nachts im Trikot ihres Klubs ins Bett gehen."

Zum kompletten DAZN-Interview mit Jose Mourinho geht es hier.

Champions League: Die Halbfinals im Überblick

DatumMannschaft 1Mannschaft 2Ergebnis
18. AugustRB LeipzigParis Saint-Germain0:3
19. AugustOlympique LyonFC Bayern München0:3
Artikel und Videos zum Thema