Von zuhause weggelaufen, Beinahe-Dortmunder, bescheidener Volksheld: Sadio Manes Erfolgsgeschichte

Von Daniel Nutz
Sadio Mane muss mit dem FC Liverpool im CL-Halbfinalrückspiel gegen den FC Barcelona ein 0:3 aufholen.
© getty

Sadio Mane gehört zu den Stars des FC Liverpool und ist in Abwesenheit der unpässlichen Roberto Firmino und Mohamed Salah bei der angedachten Liverpool-Aufholjagd gegen den FC Barcelona (21 Uhr LIVE auf DAZN ) der entscheidende Mann. Die Geschichte hinter Manes hartem Aufstieg ist relativ unbekannt.

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Dakar, Senegal. Der Zielort einer der berühmtesten Rallyes der Welt. "Du bist hier für das Vorspielen?", wird ein schüchterner Junge skeptisch von einem älteren Mann gefragt. Er nickt. "Mit diesen Schuhen?!", schiebt der Mann ungläubig hinterher.

Der Junge blickte nach unten. Er sah ein altes, bereits komplett zerrissenes Paar Schuhe. Wieder brachte er kein Wort heraus. "Und in diesen Hosen?", machte der alte Mann einfach weiter. "Du hast nicht einmal richtige Shorts für Fußball?"

Der Junge packte seinen ganzen Mut zusammen und entgegnete: "Ich habe meine besten Sachen mitgebracht, will einfach nur spielen - und mich beweisen." Schließlich hatte er zuvor alles riskiert, um von Sedhiou in die über sechs Stunden entfernte Hauptstadt zu gelangen.

Für seinen großen Traum: Sadio Mane ließ die Familie unwissend zurück

Alles bedeutete in diesem Fall, dass er als 15-Jähriger niemandem in seiner Familie etwas davon sagte. Er lieh sich das Geld für die Reise von einem älteren Freund, die Familie ließ er unwissend zurück. Obwohl oder eben weil sie immer dagegen waren, dass er statt eines sicheren Berufs dem unsicheren Profitraum nacheifern wollte.

"Eines Tages habe ich einfach meine Sachen gepackt. Niemand wusste etwas. Ich habe es nicht einmal meiner Mutter erzählt", erinnerte er sich zehn Jahre später zurück. "Eine Woche lang wusste keiner, wo ich war. Meine Mutter suchte mich überall, es herrschte Panik, also hat mein Freund die Sache aufgeklärt."

Der kleine Junge war Sadio Mane. "Sie schickten meinen Bruder, um mich zurückzuholen", verriet er einst in einem Video seines jetzigen Klubs FC Liverpool. "Keiner in meiner Familie glaubte daran, dass ich Fußballprofi werden könne."

Er kehrte zurück, beendete die Schule, ehe er seine Familie endlich doch überreden konnte, seinen Traum verfolgen zu dürfen. Er schloss sich schließlich doch der Akademie in Dakar an. Zuvor war er ein klassischer Straßenkicker.

"Auf der Straße fing alles an", sagte er SPOX und Goal über die ersten Schritte seiner Karriere. "Wir zogen durch die Stadt, und wo immer auch gegen den Ball getreten wurde, schlossen wir uns an. Der Ball war mein ständiger Begleiter."

In Dakar wohnte er dann bei einer Gastfamilie, die er zuvor nicht kannte. "Sie nahmen mich auf, kümmerten sich um mich und unternahmen alles in ihrer Macht stehende, dass ich mich nur auf den Fußball konzentrieren kann. Das taten sie bis zu meinem Wechsel nach Metz", ist er noch heute dankbar.

Metz holte Sadio Mane nach Europa, Salzburg schliff den Diamanten

Der französische Klub wurde 2011 auf Mane aufmerksam, holte ihn von Afrika nach Europa. Dort spielte er zunächst für die Jugendmannschaft oder die Zweitvertretung, erst Anfang 2012 feierte er sein Debüt bei den Profis und wurde sofort Stammspieler.

Red Bull Salzburg bemerkte seine Entwicklung, holte ihn wenige Monate später für vier Millionen Euro in die Mozartstadt. Mane brachte den perfekten Mix mit, war schnell, stark am Ball, hatte eine gute Übersicht und einen unbändigen Willen.

Nun galt es, diese Fähigkeiten auch auf dem Spielfeld optimal einsetzen zu können, genau dafür sollte sich seine Zeit in Österreich im Nachhinein als Gold wert herausstellen.

Sadio Mane schwärmt von Roger Schmidt

Kein Wunder, dass er zu seiner Anfangszeit in Liverpool seinen ehemaligen Förderer bei RB, Roger Schmidt - später Trainer bei Bayer Leverkusen in der Bundesliga und mittlerweile in China tätig -, als den einflussreichsten Trainer seiner Laufbahn bezeichnete.

Mittlerweile dürfte auch Jürgen Klopp dazuzählen, mit dem er beinahe schon vor seinem Wechsel an die Merseyside zusammengearbeitet hätte. Dieser hatte ihn seit den Olympischen Spielen 2012 auf dem Zettel. Und bevor Mane 2014 nach Southampton wechselte, gab es ernsthafte Gespräche bezüglich eines Wechsels nach Deutschland zu Borussia Dortmund.

"Ich war damals so aufgeregt und konnte nicht fassen, dass Klopp sich mit mir treffen wollte und der Meinung war, dass ich sein Team verstärken würde", erzählte Mane. "Sie waren damals so gut, ich habe sie regelmäßig angeschaut."

"Nicht ganz glücklich": Mane über seinen Salzburg-Abschied

Doch Salzburg stellte sich quer, die Forderungen und anfängliche Zweifel von Klopp ließen einen Wechsel zum BVB platzen . "So ist das im Fußball", kommentierte Mane die Geschehnisse mit etwas Abstand. Wenig später klopfte Southampton an, wieder gestalteten sich die Verhandlungen schwierig. Doch Mane wollte diese Chance unbedingt wahrnehmen.

Er blieb dem Training fern, auch andere Termine ließ er sausen, Salzburg gab schließlich nach. "Ich weiß, dass mein Abschied von Red Bull Salzburg nicht ganz glücklich verlaufen ist", gab er 2018 gegenüber den Salzburger Nachrichten zu. "Aber es kennen auch nur die wenigsten Leute die Wahrheit."

In Southampton setzte er seine starke Entwicklung fort, erzielte in der Saison 2014/15 mit zwei Minuten und 56 Sekunden unter anderem den schnellsten Hattrick der Premier-League-Geschichte , ehe die Reds 2016 über 41 Millionen Euro für seine Dienste überwiesen. Dort traf er dann doch auf Klopp. "Es musste ja passieren", freute er sich sichtlich darüber.

In Liverpool hat er sich längst zu einem Spieler von Weltklasse-Format entwickelt, hat großen Anteil an der bislang herausragenden Saison der Reds. 24-mal traf er ins Schwarze, vor allem in einer schwächeren Phase seiner Mannschaft Anfang des Jahres ging er voran und rettete in der Liga wichtige Punkte.

Sadio Manes Leistungsdaten in der Saison 2018/19

WettbewerbSpieleToreAssists
Premier League35202
League Cup100
FA Cup000
Champions League1143

Verzicht auf Alkohol und Nikotin: Sadio Mane ist gläubiger Moslem

Auch wenn es mit den Reds für Mane bislang noch nicht für einen Titel gereicht hat, ist er im Senegal längst ein Volksheld.

"Es ist verrückt. Ich kann in meiner Heimat nicht mehr so einfach vor die Tür treten", erzählte er in einem Interview mit Soccerbible . "Aber ich kann den Trubel verstehen, weil ich weiß, wie sehr die Leute den Fußball lieben. Dass ich es soweit geschafft habe, ist sehr speziell und macht mich stolz. Jeder will ein Foto mit mir, das ist unglaublich."

Mane ist zum Idol und Vorbild geworden. Er ist gläubiger Moslem, betet fünfmal am Tag. Auf Alkohol und Nikotin verzichtet er selbstverständlich.

Trotz seiner Bekanntheit ist er äußerst bescheiden geblieben. Von Soccerbible wurde er vor wenigen Monaten gefragt, ob er sich noch erinnere, was er sich von seinem ersten Profigehalt leistete. "Klamotten", lautete seine Antwort. "Als ich nach Frankreich kam, hatte ich fast nichts dabei. Also habe ich mir erst einmal ein paar Hosen gekauft."