Ein Champions-League-Finale ist für viele Spieler einmalig. Was kann man als Profi vor solch einem entscheidenden Spiel machen, um dem Druck standzuhalten?
Gunesch: Es gibt kein Rezept. Jeder Spieler muss selbst herausfinden, wie er damit umgeht. Früher warst du dabei auf dich allein gestellt. Es war wichtig, dass ein Umdenken stattfindet. Mittlerweile hat sich sehr viel verändert. Vereine und auch Spieler selbst haben Psychologen und Mentaltrainer. Auch die Cheftrainer reagieren deutlich sensibler und empathischer.
Die psychische Gesundheit spielt eine immer größere Rolle im Sport. Dennoch wirkt es noch wie ein Tabu-Thema. Einer der wenigen aktiven Spieler, die offen darüber sprechen, ist Danny Rose.
Gunesch: Ich bin ein großer Fan von ihm - von seinem Spiel, aber auch von ihm als Person. Er hatte einige richtig starke Jahre bei den Spurs. Dann kamen Verletzungen und die Depressionserkrankung hinzu. Ich habe allergrößten Respekt davor, dass er darüber so offen spricht. Ich kann das nur absolut unterstützen. Es ist enorm wichtig, zu beleuchten, dass in der "shiny" Profiwelt eben nicht immer alles perfekt ist. Davor kann ich nur meinen Hut ziehen.
Ralph Gunesch: "Man muss Klopp in einem Atemzug mit Guardiola nennen"
Die Titel-Sehnsucht ist in beiden Lagern enorm groß, auf Seiten der Spurs wahrscheinlich noch größer. Am Ende werden Fußball-Herzen bluten.
Gunesch: Leider, ja. Ich bin auch abgestiegen und habe das Pokalfinale in Berlin knapp verpasst. Das ist extrem hart. Aber Mitleid bringt dir in solchen Momenten nichts. Auch Verlieren gehört zur Entwicklung. Jürgen Klopp hat etwas Gutes gesagt: 'Wenn es jemanden braucht, der es auch ein siebtes Mal versucht - ich bin's.'
Wie ordnen Sie Jürgen Klopp in der Trainer-Weltelite ein?
Gunesch: Jürgen Klopp ist einer der größten Namen, die es im Weltfußball aktuell gibt. Man muss ihn in einem Atemzug mit Pep Guardiola nennen. Klopp hat Liverpool vielleicht nicht revolutioniert, aber wieder auf ein ganz hohes Niveau gehoben.
Kann eine Niederlage an seinem Heldenstatus kratzen?
Gunesch: Nein. Ich war zwei Mal in diesem Jahr in Liverpool und habe mich mit vielen Leuten dort unterhalten. Die haben gesagt, er sei schon jetzt einer der größten Trainer der Vereinsgeschichte.
Er hat noch keinen Titel mit Liverpool gewonnen.
Gunesch: Aber er hat Liverpool wieder in eine glorreiche Zeit zurückgeführt - auch ohne Titel. Natürlich lechzen alle danach. Aber allein die veränderte Wahrnehmung des Klubs, wie er die Menschen mitnimmt und seine Entscheidungen erklärt, das hatten die Reds lange nicht mehr.
Ralph Gunesch gibt seinen Tipp ab
Wem drücken Sie im Finale die Daumen?
Gunesch: Ich sehe das neutral. Auf der einen Seite habe ich Jürgen Klopp viel zu verdanken. Er hat mich in Mainz zum Erstligaspieler gemacht. Auf der anderen Seite respektiere ich die Entwicklung und Arbeitsweise von Tottenham.
Zum Abschluss: Wie lautet Ihr Tipp?
Gunesch: Ich tue mir schwer mit dem Tipp. Wenn ich mich festlegen müsste, sage ich 51:49 für Liverpool. Also in Prozent, nicht als Ergebnis. (lacht) Einfach deswegen, weil sie letztes Jahr schon im Finale standen.