Polonaise, Tränen und ein bisschen Demut

Von Aus London berichtet Thomas Gaber
Bastian Schweinsteiger (l.) feiert mit Uli Hoeneß und dem Henkelpokal
© getty

Auf den großen Triumph folgte die große Party. Bayern-Trainer Jupp Heynckes mutierte zur Dancing Queen, der Star des Abends war aber der Henkelpott. Nur einer konnte damit nicht so viel anfangen.

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Jupp Heynckes wirkte ein klein wenig apathisch. Irgendwie abwesend, in Gedanken verloren. Ihm war nicht ganz geheuer, was da um ihn herum passierte.

Inmitten der rauschenden Party der Könige Europas mit tanzenden Bayern-Stars um Bastian Schweinsteiger als Taktgeber mit einem von Teamkollege Anatolij Tymoschtschuk geborgten Ukraine-Schal um den Kopf gebunden, sprang der Feier-Funke auf den Architekten des Erfolgs nicht richtig über.

Hermann Gerland erkannte die Situation am schnellsten. Der Tiger schnappte sich ein Mikro und forderte Heynckes auf seine typisch ehrlich-charmante Art auf, endlich die Scheu abzulegen.

"Ich habe nur einen Wunsch, Josef. Du bist Champions-League-Sieger! Ich möchte, dass du ein bisschen locker bist heute. Irgendwann holt uns der Sensenmann, du kommst in den Himmel, ich in die Hölle. Aber heute wird die Sau rausgelassen."

Heynckes old fashioned, aber elegant

Da konnte Heynckes nicht anders, als das Sakko abzulegen und sich aufs Parkett zu wagen. Mit 68 Jahren legte der Bayern-Trainer auch eine recht lässige Sohle hin, ein bisschen old fashioned, aber elegant.

Bei der anschließenden Polonaise zog sich Heynckes wieder zurück, er blieb auch im Moment des neben dem CL-Sieg 1998 mit Real Madrid größten Erfolgs seiner Trainerkarriere seiner Zurückhaltung treu. Nicht der Coach, die Spieler sollten im Mittelpunkt stehen. So hatte es Heynckes im Vorfeld des Finals formuliert und so zog er es auch bis zum Ende durch.

Bescheidenheit, Demut - mit diesen Charaktereigenschaften hat es Heynckes durch den Triumph von Wembley auf eine Stufe mit Ottmar Hitzfeld, Jose Mourinho und Ernst Happel geschafft. Nur vier Trainern ist es gelungen, mindestens zwei Mal den bedeutendsten Titel des europäischen Vereinsfußballs zu gewinnen.

Der Coach sollte angesichts der Wahnsinns-Saison froh sein, "dass er schon 68 ist und wahrscheinlich aufhört. Weil wenn er erst 25 wäre und so eine Saison abliefern würde, müsste er auch aufhören", sagte Thomas Müller.

Hoeneß hält sich zurück

"Was Jupp Heynckes in dieser Saison mit der Mannschaft geleistet hat, ist einfach fantastisch. Dafür bin ich ihm sehr dankbar", ergänzte Bayern-Präsident Uli Hoeneß, der nach dem Abpfiff Tränen in den Augen hatte. Für Hoeneß war das Erlebnis von Wembley ein emotionaler Höhepunkt nach einer Reihe von persönlichen Tiefschlägen in den letzten Monaten.

Als Philipp Lahm den Henkelpott in den Londoner Nachthimmel stemmte, stand Hoeneß unmittelbar daneben, warm wurde er mit dem Pokal aber nicht.

Unter lautstarken "Uli, Uli"-Rufen der 25.000 Bayern-Fans, die die Siegerzeremonie über die Videowände im Wembley Stadium beobachteten, hielten Ribery, Schweinsteiger und Lahm Hoeneß den Pokal hin, er musste nur noch zugreifen.

Hoeneß zögerte, nahm den Pokal dann aber doch. Er hielt ihn nur ein paar Sekunden und reckte ihn zaghaft nach oben. "Das ist nicht mein Titel, sondern der des FC Bayern. Alle im Verein haben unglaublich für diesen Titel gearbeitet. Es war für mich in den letzten Wochen nicht einfach, aber die Mannschaft und der Verein haben unglaublich zu mir gestanden", sagte Hoeneß bei "Sky".

Gegen Stuttgart geht's auch mit 1,8 Promille

Im großen Zusammenhalt des gesamten Vereins lag in diesem Jahr für Arjen Robben auch der Unterschied zu vergangenen Jahren, in denen der ganz große Titel den Bayern verwehrt blieb.

"Wir sind als Mannschaft sehr eng zusammengewachsen, das war nicht immer so extrem der Fall", so der Siegtorschütze.

Nach der bitteren Enttäuschung der letzten Saison haben die Bayern brutal zurückgeschlagen und können am kommenden Samstag im DFB-Pokalfinale gegen den VfB Stuttgart als erste deutsche Mannschaft das Triple gewinnen. Aus drei zweiten Plätzen 2012 können drei erste im Jahr darauf werden.

Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge unkte auf dem Bankett, dass die Mannschaft gegen den VfB "auch mit 1,8 Promille noch eine Chance" habe zu gewinnen.

Das Triple im Visier

Derart angeschlagen sahen die Bayern aber nicht aus, als sie am Sonntagmittag ihr Mannschaftshotel Landmark verließen, um sich auf dem Heimweg zu machen. Aus der englischen Sonne ging es ins nasskalte München, wo die Champions-League-Sieger um 17.32 Uhr landete.

Der sonnenbebrillte Dante gab seine Schlafzeit in den Morgenstunden mit zwölf Minuten an, Thomas Müller torkelte die Flugzeugtreppe hinunter und beschwerte sich: "Das Wetter hier ist ja scheiße."

Das soll sich in den nächsten Tagen auch nicht ändern, dürfte die Bayern aber kaum aufhalten auf dem Weg zum nächsten Titel. Kapitän Lahm: "Jetzt wollen wir die Saison natürlich endgültig vergolden."

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