Realismus allerorten

Von Fatih Demireli
Der FC Augsburg spielt zum ersten Mal in der Bundesliga
© Imago

In den Tagen vor dem Start der neuen Bundesliga-Saison stellt SPOX alle 18 Klubs in einer Vorschau-Serie vor - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Diesmal: FC Augsburg.

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Eine ganze Stadt im Bann der Bundesliga! Der Aufstieg des FC Augsburg hat die Massen mobilisiert. Der Klub hat einen neuen Rekord im Verkauf von Dauerkarten aufgestellt. 17.500 Dauerkarten sind 10.000 mehr als im vergangenen Jahr.

Der Verkauf der Einzeltickets läuft ebenso auf Hochtouren: Der Klub wird wohl wegen der großen Nachfrage bald den Vorverkauf stoppen müssen.

Beim Trainingsauftakt zur Bundesliga-Vorbereitung waren mehr Fans da als beispielsweise in Leverkusen oder Freiburg. Der souveräne Aufstieg hat Lust auf mehr gemacht. Doch die Debütsaison in der Bundesliga wird für den FCA alles andere als einfach.

Das ist neu

Vielleicht ist nicht alles Neuland, aber doch sehr vieles: Trainer Jos Luhukay drückt es simpel aus: "Alles wird größer. Wir werden künftig in Stadien spielen mit 50.000 oder 60.000 Zuschauern." Mehr Zuschauer, größeres Rampenlicht - eine neue Herausforderung.

Doch nicht nur das: Auch an ein neues Tempo muss sich der FC Augsburg gewöhnen: "Fußballerisch liegen die Unterschiede im Tempo, in der Umschaltung und in der Handlungsfähigkeit. Wir werden eine andere Wahrnehmung bekommen", sagt Luhukay.

Die Augsburger lassen sich von der bevorstehenden Aufgabe nicht verrückt machen. Sowohl die sportlichen Verantwortlichen als auch die Mannschaft gehen realistisch an die neue Saison heran und spucken keine großen Töne.

"Wir haben den kleinsten Etat der Liga, da können wir nicht davon sprechen, dass es einfach wird", sagt Luhukay. Auch wenn es seltsam klingt: Der FC Augsburg will nicht um jeden Preis in der Bundesliga bleiben. "Noch wichtiger als der kurzfristige Erfolg ist uns ein langfristig gesunder FCA", sagt Manager Andreas Rettig.

So verzichtet der Klub auf dem Transfermarkt bewusst auf große Namen und vertraut lieber Spielern, die ins System Luhukays passen. Doch auch der Niederländer wird sich in der Bundesliga umstellen.

Die Taktik

Der FC Augsburg ist mit einem 4-4-2 aufgestiegen. Das System war mit zwei offensiven Außen und zwei Stürmern sehr angriffslustig veranlagt, jedoch gelang die Balance, so dass Augsburg mit 27 Gegentoren die beste Defensive der Liga stellte.

Dieser Tatsache will Luhukay aber nicht vertrauen und verpasst seiner Mannschaft ein Stück mehr Kompaktheit. Luhukay predigt immer wieder "Stabilität" und "Geschlossenheit": "Ich glaube, das ist in der Bundesliga absolut notwendig."

Der Niederländer, der mit Borussia Mönchengladbach schon Bundesliga-Luft schnupperte, arbeitet in der Vorbereitung vor allem an der Physis seiner Mannschaft - aus gutem Grund: "Wir werden in der Bundesliga wenige Spiele nur wegen unserer spielerischen Qualität gewinnen. Wir müssen konditionell topfit sein."

Deswegen wird es wohl auch eine Systemumstellung geben: Luhukay probte in den Testspielen das 4-2-3-1. Die angesprochene Kompaktheit sieht er so gewährleistet, auch das kollektive Umschalten von Defensive auf Offensive und umgekehrt.

Eine unerwartet gute Position kristallisiert sich bei der Systemumstellung wohl für Daniel Baier heraus. Der 27-Jährige war beim Aufstieg eher eine Randfigur, weil es für den zentralen Mann keine passende Rolle gab. Nun ist Baier erster Anwärter auf die Zehner-Position im neuen 4-2-3-1.

Luhukay lobt auffällig oft die Einstellung und Trainingsleistungen des früheren Wolfsburgers. Baier ist umso wichtiger geworden, nachdem Wunschspieler wie Charles Takyi (St. Pauli) nicht zu erschwinglichen Preisen zu bekommen waren.

Spannend wird das Rennen um die einzige Planstelle in der Sturmspitze: Sechs Stürmer reihen sich im Kader des FC Augsburg - nur einer kann spielen. Neben Oldie Michael Thurk rechnen sich vor allem Nando Rafael und Neuzugang Sascha Mölders Chancen aus. Thomas Oehrl fällt verletzt lange aus.

Der Spieler im Fokus

Lorenzo Davids. Wenn es einen prominenten Neuzugang der Augsburger gibt, dann ist es der Niederländer. Alleine schon der Nachname des 24-Jährigen sorgt für Aufsehen: Der Mittelfeldspieler ist der Neffe des berühmten Edgar Davids.

Der einstige Superstar der niederländischen Nationalmannschaft war es sogar, der Lorenzo zum Wechsel nach Augsburg riet: "Er hat zu mir gesagt: In der Bundesliga spielst du nicht mehr mit kleinen Jungs, sondern mit richtigen Männern", erzählt Lorenzo Davids.

Jos Luhukay wollte Davids schon ein Jahr zuvor verpflichten, doch die Gelegenheit ergab sich erst jetzt, nachdem der Vertrag des Mittelfeldspielers beim NEC Nijmegen ausgelaufen war.

"Lorenzo ist ein toller Fußballer und Mensch", lobt der Trainer seinen Neuzugang: "Er wird für uns in der Bundesliga sehr wertvoll werden, da bin ich mir sicher." Der zweifache Vater ist im defensiven Mittelfeld gesetzt - auch die ersten Einsätze in den Testspielen machten Lust auf mehr.

Überzogene Ziele steckt sich auch Davids nicht: "Ich bin nach Augsburg gewechselt, um mitzuhelfen, damit der FCA in der Bundesliga bleibt."

Die Prognose

Das Wichtigste vorweg: Der Realismus, der beim FC Augsburg Einzug gehalten hat, ist äußerst positiv. Die Ziele werden nicht so hoch gesteckt, so dass der ohnehin erhöhte Druck nicht unnötig weiter ausgebaut wird.

Trainer Jos Luhukay weiß, worauf es in der Bundesliga ankommt und ergreift die Maßnahmen. Selbst Klub-Boss Walter Seinsch gibt seinem Trainer einen Freifahrtsschein und sagt, dass "Luhukay alle 34 Spiele verlieren darf" und dennoch nicht um seinen Job bangen müsse.

Berechtigte Hoffnung dürfen die Fußball-Fans haben, dass der FC Augsburg frischen Wind in die Bundesliga bringen wird. Die Mannschaft hat das Zeug dazu, gerade in Heimspielen stark aufzuspielen und den einen oder anderen Großen gehörig zu ärgern.

Dennoch wird es für den Aufsteiger in der Debüt-Saison alles andere als einfach. Die finanziellen Mittel erlaubten keine großen Sprünge auf dem Transfermarkt. Viele Augsburger Spieler müssen ihre Bundesligatauglichkeit noch unter Beweis stellen.

Wenn dies gelingt und die Euphorie den FCA trägt, ist es durchaus möglich, ein Wort im Kampf um den Klassenerhalt mitzureden. So oder so: Die Fans des FC Augsburg müssen sich auf eine schwere und nervenaufreibende Saison gefasst machen.

Der Kader des FC Augsburg im Überblick

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