Bis heute sorgte der glorreiche Mythos der 70er Jahre in Mönchengladbach für eine klaffende Lücke zwischen Anspruch und Realität. Unter Chefcoach Michael Frontzeck scheint bei der Borussia nun eine Ära der neuen Sachlichkeit anzubrechen.
"Ich bin angetreten, um ein Fundament zu legen, um langfristig nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben. Wir wollen die 39 Punkte aus der vergangenen Saison verbessern", erklärte Frontzeck gegenüber der "Westdeutschen Zeitung".
Kontinuität statt Maßlosigkeit lautet das neue Credo bei den Fohlen. "Ich bin für Spinnereien nicht zu haben", stellt Baumeister Frontzeck klar, dessen Vertrag vorzeitig bis 2013 verlängert wurde.
Das ist neu
Never change a running system. Das scheint nicht nur bei der Trainerpersonalie Michael Frontzeck, sondern auch in puncto Kaderplanung die Devise der Borussia gewesen zu sein. Im Gegensatz zu vorherigen Spielzeiten brachte man es am Niederrhein endlich einmal fertig, die Stützen der Fohlen-Elf zu halten. Leistungsträger wie Keeper Logan Bailly, Abwehrorganisator Dante und Fast-Nationalspieler Marco Reus werden auch im kommenden Jahr im Borussia-Dress auflaufen.
Das konservierte Grundgerüst soll in der Spitze mit den neuen Offensivkräften Igor de Camargo (27) und Mohamadou Idrissou (30) deutlich mehr Durchschlagskraft erhalten. Dort nachzubessern hatte absolute Priorität - und das nicht nur weil Rob Friend, Roberto Colautti und Oliver Neuville den Klub verlassen haben. Zu ihnen könnte sich noch der abwanderungswillige Karim Matmour gesellen.
Als Alternative für die Innenverteidigung wurde zudem der junge Brasilianer Anderson von Zweitligist Fortuna Düsseldorf geholt. Ein Freilos für die Startelf erhält der 22-Jährige angesichts des etablierten Duos Dante und Brouwers jedoch gewiss nicht. Mit Patrick Herrmann, Tony Jantschke, Roman Neustädter und Elias Kachunga hat Michael Frontzeck zudem einige hoffnungsvolle Nachwuchsfohlen in der Hinterhand: Durchbruchspotenzial vorhanden. Nachwuchsstürmer Kachunga ließ in der Testspiel-Torjägerliste sogar etablierte Kräfte wie Idrissou und Bobadilla hinter sich.
Die Taktik
The trend is your friend: Wie bei zahlreichen Trainerkollegen fällt wohl auch Michael Frontzecks Wahl wieder auf das angesagte 4-2-3-1-System, über das spätestens seit der WM 2010 wohl auch Vorschulkinder fachsimpeln. Frontzeck ist davon überzeugt, dass diese Formation am besten zu seinem Spielermaterial passt, und "nach dem muss man seine Spielweise ausrichten".
Vor der Doppel-Sechs Marx/Bradley bietet sich eine offensive Dreierreihe mit Ideengeber Juan Arango und Turbo-Fohlen Marco Reus auf den Flügeln an. In deren Zentrum soll der laufstarke De Camargo als Grenzgänger zwischen Mittelfeld und Sturm mit seiner Übersicht und Torgefahr fleißig Scorerpunkte sammeln. Zwischen Idrissou und Bobadilla bahnt sich indessen ein Duell um den Platz im Sturmzentrum an.
Sollten beide Stoßstürmer zu galaktischer Form finden, wäre auch ein klassisches 4-4-2 denkbar. Da Bobadilla und De Camargo Teile der Vorbereitung verletzt verpassten, liegt der Vorteil zumindest im Hinblick auf den Saisonauftakt gegen Nürnberg klar bei Idrissou, der in Borussias Testspielen bislang munter drauf los knipste.
Im Tor und der Viererkette bleibt dagegen wohl alles beim Alten (Der Kader von Borussia Mönchengladbach).
Der Spieler im Fokus
Bei Standard Lüttich war Igor de Camargo als rackernder Kapitän und Publikumsliebling unverzichtbar. Im Zentrum sorgte er mit Übersicht, seinem knallharten Schuss und dem guten Kopfballspiel regelmäßig für Gefahr. Der 27-Jährige ist sowohl als hängende Spitze als auch an vorderster Front einsetzbar.
Abzuwarten bleibt, wie sich Gladbachs neue Nummer zehn in einer europäischen Topliga anstellt. Wie auch Idrissou, der jahrelange Bundesliga-Erfahrung vorzuweisen hat, soll er die Torproduktion der Borussia deutlich ankurbeln. In der belgischen Jupiter Pro League sammelte de Camargo in 23 Spielen immerhin zehn Scorerpunkte - ein sicherlich noch ausbaufähiger Wert.
Doch auch abseits des Platzes darf man in Gladbach einige Impulse vom gebürtigen Brasilianer erwarten. "Igor ist der Samba-Chef im Mannschaftsbus", verriet Landsmann Dante. In Lüttich hinterlässt er sowohl sportlich als auch menschlich eine große Lücke. "Es ist jetzt schon klar, dass ich mir im nächsten Jahr mindestens ein Spiel im Borussia-Park ansehen werde", schrieb ein Lüttich-Anhänger exemplarisch im Fanforum.
Die Prognose
Mühsam ernährt sich das Fohlen: Zwar verkündete die Borussia keine bahnbrechenden Wahnsinnstransfers, doch wurde das funktionierende Grundgerüst des Teams erhalten und der zuletzt zahnlose Sturm gezielt und sinnvoll verstärkt.
Diese gefestigte Frontzeck-Truppe bringt zweifellos alle Voraussetzungen mit, um den Abstiegskampf der kommenden Saison lediglich mit dem Fernglas zu verfolgen. Sollte Marco Reus die guten Ansätze des Vorjahres bestätigen und die neue Offensivabteilung die erhoffte Effizienz nachweisen, darf man rund um den Borussia-Park sogar in Richtung Top Ten schielen.
Borussia Mönchengladbach - der Kader im Überblick