Thomas Tuchel wollte bei seiner Pressekonferenz am Samstag "natürlich keinen Kommentar abgeben zu Spielern, die nicht bei uns unter Vertrag sind". Hochprofessionell moderierte der Trainer somit eine Frage nach Transferziel Harry Kane ab. Die Verhandlungen mit dessen aktuellem Klub Tottenham Hotspur erweisen sich als kompliziert, das bis dato letzte Angebot des FC Bayern München über 80 Millionen Euro reichte nicht.
Wenig später verkündete Uli Hoeneß in seiner Funktion als Ehrenpräsident, Aufsichtsrat, Transfer-Taskforce-Mitglied und Uli Hoeneß stolz: "Jetzt haben wir endlich den Verein dicht. Da fangen wir nicht gleich am ersten Tag wieder an, ihn undicht zu machen." Kommt dieser chronisch unruhige, in die Öffentlichkeit drängende, von unterschiedlichen Interessen zersetzte Klub also tatsächlich mal zur Ruhe? Arbeiten und schweigen?
Nun ja. Seine eigenen Worte hinderten Hoeneß nicht daran, direkt im Anschluss minutenlang zu plaudern über Kane, über angebliche Absprachen mit dem 29-jährigen Stürmer und über Verhandlungs-Partner Daniel Levy, Tottenhams Präsidenten. Laut Hoeneß habe Kane "in allen Gesprächen ganz klar signalisiert, dass seine Entscheidung steht. Wenn die bleibt, kriegen wir ihn. Weil dann wird Tottenham einknicken müssen. Dass so ein Verein auf 80, 90 Millionen - oder wie viele es auch werden - verzichten kann, das gibt es nicht."
Noch tiefer kann man bei einer Thematik wie dieser öffentlich kaum ins Detail gehen. In Hinblick auf Tuchels Abmoderation und seine eigene, unmittelbar davor geäußerte Dichthalte-Devise hatten diese Ausführungen fast schon satirische Züge. Hoeneß' Worte dürften gleich an mehreren Stellen für Verärgerung gesorgt haben.
Uli Hoeneß' Aussagen: Auswirkungen in München und London
Einerseits Klub-intern beim FC Bayern. Die übrigen Mitglieder der Transfer-Taskforce - Jan-Christian Dreesen, Herbert Hainer, Karl-Heinz Rummenigge, Marco Neppe, Michael Diederich und eben Tuchel - können diese öffentlich geäußerten Wasserstandsmeldungen nicht gefallen. Weil sie die Verhandlungsposition des FC Bayern selbstverständlich schwächen und das Verhältnis zu Levy selbstverständlich beschädigen.
Der 61-jährige Engländer gilt als schwieriger Verhandlungspartner. Bei einem Gipfeltreffen vergangene Woche aufgebautes Vertrauen könnten Hoeneß' Aussagen postwendend wieder zunichte gemacht haben - und bei Levy womöglich eine Trotzreaktion hervorrufen. "Einknicken müssen", "so ein Verein" wie Tottenham und so weiter: Man kann es Levy nicht verdenken, wenn er diese Worte als Provokation auffasst.
Levy ist bekannt für seine Sturheit: Wenn er nicht will, dann will er nicht. 2021 hatte Kane mit aller Macht auf einen Wechsel zu Manchester City gedrängt. Vergeblich. Levy lehnte sogar ein Angebot in Höhe von 150 Millionen Euro ab. Aufgrund solcher Summen nannte Hoeneß eine Kane-Verpflichtung noch im März dieses Jahres übrigens "völlig gaga".
Auch Kane selbst und seinem Umfeld dürfte es unangenehm sein, dass Hoeneß derart offen über angebliche Absprachen plaudert. Der Stürmer will schließlich keinen schmutzigen Abgang von seinem Herzensklub für den er seit Kindheitstagen spielt, dessen Rekordtorschütze er längst ist.
Schlechte Erfahrungen mit öffentlichen Aussagen über einen Premier-League-Spieler machte der FC Bayern einst schon bei Callum Hudson-Odoi. Obwohl der damalige Sportvorstand Hasan Salihamidzic laut Rummenigge in den Spieler "verliebt" gewesen sei, platzte der Wechsel letztlich.
Uli Hoeneß verwunderte auch mit Aussagen zum Mittelfeld
Zurück zu Hoeneß' Rede am Samstag. Dabei verwunderte der 71-Jährige nicht nur mit seinen Aussagen über Kane, sondern auch mit denen zur Mittelfeld-Situation beim FC Bayern. Tuchel wünscht sich bekanntlich einen neuen defensivstarken Sechser. Einen wie Declan Rice, an dem die Münchner ebenfalls interessiert gewesen waren, der nun aber für 117 Millionen Euro von West Ham United zum FC Arsenal gewechselt ist.
"Es ist so, dass dieser Spieler ein Profil hat, das wir meiner Meinung nach so nicht im Kader haben. Es könnte interessant sein, so ein Profil im Kader zu haben", sagte Tuchel bei der Pressekonferenz am Samstag. Und Hoeneß kurz darauf? "Die Diskussion um die Sechs stellt sich für mich gar nicht, weil Konrad Laimer ein Transfer ist, an dem wir sehr viel Spaß haben werden."
Erstaunlich konträre Ansichten zweier Menschen, die der gleichen Transfer-Taskforce angehören - und überhaupt zu den wichtigsten im Klub gehören. Hier Tuchel, beim FC Bayern mit so viel Macht ausgestattet wie kaum ein Trainer zuvor. Dort Hoeneß, mit so viel Macht ausgestattet wie kaum ein Mensch in irgendeinem Klub überhaupt jemals.
Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen solchen Alphatieren sind Probleme vorprogrammiert. Zur Erinnerung: Borussia Dortmund hatte Tuchel nach Reibereien mit Hans-Joachim Watzke einst im Unfrieden verlassen.
FC Bayern München: Die wichtigsten Termine der Vorbereitung des FCB
Datum | Ereignis |
15. - 20. Juli 2023 | Trainingslager am Tegernsee |
18. Juli 2023 | Testspiel gegen FC Rottach-Egern |
23. Juli 2023 | Teampräsentation in der Allianz Arena |
24. Juli - 3. August 2023 | "Audi Summer Tour" in Japan und Singapur |
26. Juli 2023 | Testspiel gegen Manchester City in Tokio, Japan |
29. Juli 2023 | Testspiel gegen Kawasaki Frontale in Tokio, Japan |
2. August 2023 | Testspiel gegen den FC Liverpool in Singapur |
7. August 2023 | Testspiel gegen AS Monaco in Unterhaching |
12. August 2023 | Super Cup gegen RB Leipzig in München |
18.-20. August 2023 | Start der Bundesliga-Saison 2023/24 |