FC Bayern München: Die Chronologie des Scheiterns von Julian Nagelsmann

Von Jochen Tittmar
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Julian Nagelsmann ist beim FC Bayern München Geschichte, auch wenn eine offizielle Bestätigung noch aussteht. Wie konnte es so weit kommen? Eine Chronologie.

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Über 20 Millionen Euro Ablöse zahlte der FC Bayern München an RB Leipzig für Julian Nagelsmann, um ihn 2021 zum Trainer des deutschen Rekordmeisters zu machen. Der FCB stattete Nagelsmann mit einem Fünfjahresvertrag aus - doch der Coach hielt sich nicht einmal zwei ganze Spielzeiten in München.

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FC Bayern - Saison 2021/2022: Plötzliche Heimpleite nach Siegesserie

Der FC Bayern startete unter Nagelsmann zwar nur mit einem 1:1 in Gladbach in die Saison 2021/22, ließ direkt anschließend aber den Supercup-Sieg beim BVB folgen und gewann die nächsten acht Pflichtspiele am Stück - mit einem beeindruckenden Torverhältnis von 42:4.

Die erste Pleite unter Nagelsmann kam daher überraschend und noch dazu zu Hause: Nach Führung verlor man gegen Frankfurt mit 1:2. "Wir sind enttäuscht, sauer und verärgert. Das ist ein Spiel, dass wir auf keinen Fall verlieren dürfen. Wenn wir die Chancen nutzen, geht das Spiel 3:1 oder 4:1 aus und wir singen wieder Super-Bayern. Jetzt gibt es kein Super-Bayern und wir müssen damit umgehen. Wir sind bedient", sagte Thomas Müller.

FC Bayern - Saison 2021/2022: Die höchste Pokal-Niederlage der FCB-Historie

Drei Siege mit 13:1-Toren war Bayerns Antwort auf die Pleite gegen die SGE, doch dann kam das Desaster von Gladbach. Mit 0:5 unterlag der FCB den Fohlen in der 2. Runde des DFB-Pokals. Bereits nach 21 Minuten lagen die Münchner mit 0:3 zurück, das fünfte Gegentor kassierte man in Spielminute 57. Nie zuvor hat eine Bayern-Mannschaft so hoch im Pokal verloren. Es war zudem das zweite Zweitrunden-Aus in Folge.

Nagelsmann war an diesem denkwürdigen Abend jedoch gar nicht anwesend, da er sich mit einer Corona-Infektion in Quarantäne befand. Sein Co-Trainer Dino Toppmöller hatte übernommen.

"Ich bin absolut schockiert. Es war ein kollektiver Blackout. Es ist für mich unerklärlich", reagierte Sportvorstand Hasan Salihamidzic. Auch Müller war konsterniert: "Wir wurden in der ersten Halbzeit zerpflückt von A bis Z. Ich weiß nicht, ob ich das schon einmal erlebt habe im Trikot des FC Bayern."

Champions League, FC Bayern München, FC Villarreal
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FC Bayern - Saison 2021/2022: Der schwache Start ins Jahr 2022

Die erste richtige Krise erlebte der FC Bayern unter Nagelsmann im vergangenen Winter. Erst sorgten viele Corona-Ausfälle dafür, dass ein Heimspiel gegen Gladbach mit 1:2 verloren wurde, etwas später verlor der Rekordmeister mit 2:4 in Bochum.

Anschließend sprach Joshua Kimmich von der "schlechtesten Saisonleistung" und kritisierte die Mentalität des Teams: "Wir haben alle Tugenden vermissen lassen, die man benötigt, um ein Spiel zu gewinnen. Wenn so etwas einmal passiert, okay. Aber es ist zum wiederholten Mal so. In Gladbach ist uns das auch schon passiert. Da müssen wir uns hinterfragen, ob das die Mentalität ist, welche der FC Bayern verkörpert. Das darf einer Mannschaft wie uns nicht passieren. Jeder Einzelne muss sich fragen, ob er alles gegeben hat."

Es folgten wechselhafte Auftritte - unter anderem Unentschieden gegen Salzburg, Leverkusen und Hoffenheim (jeweils 1:1).

FC Bayern - Saison 2021/2022: Das Champions-League-Aus gegen Villarreal

Bereits das Hinspiel im Viertelfinale gegen die Spanier ging in die Hose. Villarreal gewann zu Hause mit 1:0, war das deutlich bessere Team und hatte ausreichend Chancen, um einen höheren Sieg einzufahren.

"Wenn es blöd läuft, hätte es noch schlimmer ausgehen können", sagte auch Nagelsmann. "Man muss dem Gegner Respekt zollen. Wir müssen uns jetzt für das Rückspiel sammeln und zurückschlagen. Wir wollten, aber irgendwie konnten wir nicht."

Einige Tage später gab Vorstandsboss Oliver Kahn zu: "Wir waren überrascht über die Qualität, mit der Villarreal aufgetreten ist, wie sie hinten herausgespielt haben. Wir sind davon ausgegangen, dass sie eher mit langen Bällen agieren werden. Sie haben dann hinten herausgespielt, das war vom Allerfeinsten."

FC Bayern München, Robert Lewandowski, Julian Nagelsmann
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FC Bayern - Saison 2021/2022: Meistertitel und unrühmliches Saisonende

Aus im Pokal, Aus in der Königsklasse - immerhin die Meisterschaft fuhren die Bayern in Nagelsmanns erster Saison ein. Mit einem 3:1-Heimsieg am 31. Spieltag gegen den BVB war der zehnte Titel in Serie unter Dach und Fach.

In den drei noch ausstehenden Spielen war jedoch die Luft merklich raus. In Mainz leisteten sich die Bayern einen blamablen Auftritt und verloren mit 1:3, dennoch brach die Mannschaft anschließend zu einem Kurz-Trip nach Ibiza auf. Zwei 2:2-Unentschieden gegen Stuttgart und Wolfsburg folgten.

FC Bayern - Saison 2021/2022: Die Unruhe um Robert Lewandowski

"Ich kann bestätigen, dass ich mit Hasan besprochen habe und eine Entscheidung getroffen habe, dass ich den Vertrag bei Bayern München nicht verlängern werde", sagte Robert Lewandowski nach dem finalen Spiel in Wolfsburg. Vor der Partie hatte Salihamidzic selbst bereits bestätigt, dass der Stürmer die Offerte der Bayern nicht annehmen möchte.

Dennoch verwies Salihamidzic auf Lewandowskis bis 2023 laufenden Vertrag und machte deutlich: "Unsere Haltung ist klar." Einer der Gründe für die Wechselgedanken des Torjägers: Nagelsmann.

Lewandowski soll sich häufiger beim Trainerteam beschwert haben, da ihm Übungen im Training nicht gefielen und Nagelsmann in der Rückrunde immer mehr von Hansi Flicks einstiger Spielidee abkehrte, um taktische Neuerungen zu implementieren. Dem Polen war es außerdem ein Dorn im Auge, dass man ihm nur einen Einjahresvertrag bot und sich zudem mit Dortmunds Erling Haaland beschäftigte.

Lewandowski ließ seinem Frust zunehmend freien Lauf, im Training wirkte er mehr und mehr frustriert und forcierte seinen Abgang. Am 16. Juli war dieser nach wochenlangen öffentlichen Debatten fix - Lewy ging zum FC Barcelona.

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FC Bayern - Saison 2022/2023: Remis-Serie und Wiesn-Blues

Mit drei souveränen Siegen startete der FC Bayern in die neue Saison und schien die Hoffnungen vieler Fußball-Fans auf eine spannende Spielzeit früh zu begraben. Doch dann folgten gegen Gladbach, Union und Stuttgart drei Unentschieden in Serie - sowie eine 0:1-Pleite beim FC Augsburg.

Er habe "keine Lust" auf den traditionellen Besuch des Oktoberfests, hatte Nagelsmann kurz danach erklärt. Kahn wurde deutlicher: "Natürlich sind wir alle unzufrieden, übel gelaunt." Doch der Ex-Torhüter stärkte Nagelsmann auch den Rücken: "Wir sind von Julian total überzeugt."

Der Trainer kündigte für die anstehende Länderspielpause an, er wolle viel nachdenken: "Über alles denke ich nach. Über mich. Über die Situation. Über alles."

FC Bayern - Saison 2022/2023: Neuer-Verletzung und Tapalovic-Aus

Das Nachdenken war erfolgreich. Nach der Pause gewannen die Bayern zwölf ihrer 13 Pflichtspiele bis zur WM-Unterbrechung und wurden Herbstmeister. In der CL qualifizierten sie sich mit sechs Siegen in sechs Partien für das Achtelfinale.

Die Ruhe war jedoch schnell vorbei. Anfang Dezember zog sich Manuel Neuer bei einer Ski-Tour einen Unterschenkelbruch zu und zwang seinen Verein dazu, auf dem Transfermarkt aktiv zu werden. Nur etwas mehr als einen Monat später entließ der FC Bayern Torwarttrainer Toni Tapalovic, der mehr als ein Jahrzehnt in München gearbeitet hatte.

"Differenzen über die Art und Weise der Zusammenarbeit" seien dafür ausschlaggebend gewesen. Tapalovic ist Freund und enger Vertrauter von Neuer - ein Umstand, der Nagelsmann schon länger ein Dorn im Auge war. Der Coach soll sich daran gestört haben, dass Interna aus der Trainerkabine über Tapalovic an Neuer und damit an die gesamte Mannschaft herangetragen wurden. Zudem soll sich der Kroate schwer damit getan haben, Nagelsmanns Anweisungen zu befolgen.

Aktuelle wie ehemalige Spieler reagierten überrascht - und vermutlich auch verstimmt. Als Nachfolger holte Nagelsmann mit Michael Rechner einen Vertrauten, den er von seiner Zeit in Hoffenheim kannte.

Der verletzte Neuer ließ in einem mit Bayern nicht abgesprochenen Interview mit der Süddeutschen Zeitung seinem Frust über die Entscheidung freien Lauf: "Ich hatte das Gefühl, mir wird mein Herz rausgerissen, das war das Krasseste, was ich in meiner Karriere erlebt habe." Eine Aussprache mit Nagelsmann folgte.

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FC Bayern - Saison 2022/2023: Nagelsmann rastet nach Gladbach-Pleite aus

Durch die Nebenkriegsschauplätze und erneut drei Remis zum Jahresauftakt rissen die Diskussionen um Nagelsmann nicht ab. "Wir sind alles andere als gut in diese Rückrunde gestartet. Objektiv fällt auf, dass das zwei Mannschaften sind", erklärte Kahn: "Die Mannschaft vor der Fußball-Weltmeisterschaft - und es gibt eine Mannschaft nach der WM."

Nach einer 2:3-Pleite in Gladbach am 21. Spieltag schlossen der BVB und Union Berlin nach Punkten zu Tabellenführer Bayern auf - und Nagelsmann rastete aus. "Das ist doch ein Witz, will der mich verarschen, oder was?", schrie der Coach nach der Partie auf dem Weg in die Schiedsrichter-Kabine - und anschließend: "Mein Gott, mein Gott. Ein weichgespültes Pack!"

Der Unparteiische Tobias Welz hatte FCB-Abwehrspieler Dayot Upamecano nach einer fragwürdigen Notbremse bereits nach acht Minuten mit Rot vom Platz gestellt. Nagelsmann wurde für seine heftigen Worte zu einer Geldbuße von 50.000 Euro verdonnert.

Die Debatte um Nagelsmanns Ausraster und den verspielten Vorsprung in der Bundesliga konterte auch Salihamidzic emotional: "Es nervt mich! Es ärgert mich! Alle Diskussionen sind unnötig. Ich wünsche mir, dass man unseren Trainer in Ruhe arbeiten lässt!"

FC Bayern - Saison 2022/2023: Diskussionen um Nagelsmann vor PSG-Spiel

Der Druck auf Nagelsmann vor dem Achtelfinal-Rückspiel in der CL gegen PSG, das Hinspiel hatte man mit 1:0 gewonnen, war somit riesengroß. Ehrenpräsident Uli Hoeneß sprang dem Trainer zur Seite und stärkte ihm den Rücken.

"Ich finde, das wird total hochgespielt. Der Ausgang des Spiels hat mit dem Engagement von Julian Nagelsmann aus meiner Sicht überhaupt nichts zu tun", sagte Hoeneß der Abendzeitung. "Wenn alles so kommt, wie ich das glaube, werden wir in sechs bis acht Wochen das Thema Nagelsmann nicht mehr diskutieren."

Wie man heute weiß, hatte Hoeneß damit Recht - nur meinte er das damals vermutlich anders...

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FC Bayern - Saison 2022/2023: Schwache Rückrunde und Maulwurf-Affäre

Zwar gewinnen die Bayern mit Nagelsmann gegen Paris auch das achte CL-Spiel in dieser Saison - und kassierten in der Königsklasse lediglich zwei Gegentore -, doch die Qualifikation für das Viertelfinale wurde von den schwachen Auftritten in der Liga überlagert.

Zu allem Überfluss kam die Sport Bild auch noch an von Nagelsmann angefertigte und auf Papier gedruckte Matchpläne für das Spiel gegen Bochum Anfang Februar (3:0). Als Maulwurf verdächtigte Nagelsmann keinen seiner Spieler. "Es muss jemand sein, der relativ zeitig und alleine in dem Raum ist, wo die Dinger auch hängen am Spieltag", sagte er.

Gefunden wurde der Maulwurf bis heute nicht. Zwei Tage, nachdem Nagelsmann darüber in einer Pressekonferenz sprach, kassierte sein Team in Leverkusen die zweite Pleite im neuen Jahr - und verlor ausgerechnet vor dem direkten Aufeinandertreffen die Tabellenführung an Dortmund. "So wenig Antrieb, so wenig Mentalität, so wenig Zweikampfführung, so wenig Durchsetzungsvermögen habe ich selten erlebt", kritisierte Salihamidzic.

Nur 16 Punkte aus acht Bundesligaspielen holten die Bayern in der Rückrunde. "Die Trainerdiskussion zwischendurch kam von außen, die haben nicht wir vom Zaun gebrochen", sagte Präsident Herbert Hainer dem kicker in einem Interview, das vor dem Leverkusen-Spiel geführt worden war. Man plane "langfristig" mit Nagelsmann.

FC Bayern - Saison 2022/2023: Nagelsmann vor Entlassung, Tuchel übernimmt

Am Abend des 23. März berichtete der italienische Journalist Fabrizio Romano als Erster über die bevorstehende Trennung von Nagelsmann. Weitere Medien folgten.

Thomas Tuchel soll übernehmen, um die für die Bayern-Verantwortlichen wohl in Gefahr geratenen Saisonziele zu erreichen - und vermutlich auch, um Wunschkandidat Tuchel nicht erneut an die Konkurrenz zu verlieren.

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