Drei Thesen zum 3:2 in München.
1. Musiala gehört in die Startelf des FC Bayern
20.000 Zuschauer durften am Sonntagabend in die Allianz Arena - so viele wie seit dem 8. März 2020 nicht mehr. Dementsprechend groß war ihre Vorfreude. Was sie in den ersten 45 Minuten zu sehen bekamen, war jedoch nichts als zähe Fußballkost. Während der 1. FC Köln nachvollziehbarerweise damit beschäftigt war, gegen den Ball einen guten Eindruck zu machen, tat sich der FC Bayern schwer, im letzten Drittel auch nur ansatzweise für Gefahr zu sorgen.
Es fehlten Durchschlagskraft und Tempo, Präzision im Kombinationsspiel und zündende Ideen. Nicht nur Leroy Sane, von Teilen der Fans zum Sündenbock gemacht und sogar ausgepfiffen, sondern die gesamte Offensive der Münchner hinterließ einen schwachen, weil lethargischen Eindruck.
Bis zum Wiederanpfiff. Bis zur Einwechslung von Jamal Musiala. Denn fast immer, wenn der 18-Jährige fortan an den Ball kam, ging kurze Zeit später ein begeistertes Raunen durch die Arena. Musiala machte Musiala-Dinge: Er ließ auf engstem Raum mehrere Gegenspieler stehen und setzte seine Mitspieler mit klugen Pässen glänzend ein. So auch in der 50. Minute, als er sich in bester Franck-Ribery-Manier auf der linken Seite per Übersteiger an die Grundlinie schlängelte und den Ball zurück Richtung Fünfer legte, wo Robert Lewandowski lauerte und nur noch einschieben musste.
"Jamal", lobte Bayern-Coach Julian Nagelsmann das Supertalent hinterher, "hat offensiv ein herausragendes Spiel gemacht. Er hat seine Eins-gegen-Eins-Qualitäten, die bekannt sind, mal wieder gezeigt."
In dieser Form ist Musiala zu schade für 20-, 30- oder 45-minütige Einsätze wie bisher unter Nagelsmann. Trotz seines Alters bringt er die nötige Reife und erst recht die nötige Qualität mit, um ein Stammspieler beim deutschen Rekordmeister zu sein. Sane kommt, wie auch Kingsley Coman, leistungsmäßig nicht an den gebürtigen Stuttgarter heran. Die Flügelzange des FCB sollte in den kommenden Spielen daher aus Musiala und Serge Gnabry bestehen.
2. Sane braucht seine Rolle aus Manchester
So oft auch auf Sane eingedroschen wird: Es liegt nicht einzig und allein an ihm selbst, dass der Knoten bei ihm nicht platzen will. Konzentration im Passspiel und Abschluss? Ja, daran muss der 25-Jährige nach wie vor dringend arbeiten. Das Köln-Spiel machte aber einmal mehr klar, dass Sane auf der rechten Außenbahn nicht sein volles Potenzial abzurufen weiß. Schon gar nicht, wenn er keinen offensiv denkenden Außenverteidiger als Unterstützung hat. Und noch weniger, wenn er die Rolle des laufintensiven, mit vielen Defensivaufgaben betrauten rechten Schienenspielers im 3-4-3 respektive 3-5-2 einnehmen muss.
Dieses Experiment ging schon vor zwei Monaten im dritten EM-Gruppenspiel der deutschen Nationalelf gegen Ungarn schief. Abgesehen davon ist Sane kein zweiter Arjen Robben, der spielmachendes Passspiel liebt und vermeintlich statische Unterzahlsituationen auflösen kann, indem er auf engstem Raum zwei bis drei Gegenspieler stehen lässt. Er braucht die kurzen, die dynamischen Aktionen - idealerweise in weiträumigen Spielsituationen, etwa Kontern, in denen seine Stärken besonders gut zur Geltung kommen. Wie zu seinen besten Zeiten bei Manchester City.
Pep Guardiola ließ Sane, von 2016 bis 2020 bei den Skyblues, übrigens meist auf der linken offensiven Außenbahn ran. Eine Position, die er in München bislang noch überhaupt nicht bekleiden durfte. Warum eigentlich? Nagelsmann scheint ebenso wie Hansi Flick der Meinung zu sein, Sane stünde sich zu sehr mit dem offensiv ausgerichteten Linksverteidiger Alphonso Davies auf den Füßen, würde er links spielen. Ein Versuch wäre es wert - oder aber Nagelsmann probiert Sane ebenso wie Ex-Bundestrainer Joachim Löw in der EM-Qualifikation als eine Art zweite, variable Spitze mit dem nötigen Freiraum und vergleichsweise wenigen Defensivaufgaben.
Das Problem: Diese Rolle gehört beim FC Bayern in gewisser Weise eigentlich schon Thomas Müller, der obendrein das wichtige Argument mitbringt, hervorragend mit Stoßstürmer Robert Lewandowski zu harmonieren.
Was sich Nagelsmann auch in den kommenden Monaten einfallen lässt: Eine endgültige Beurteilung Sanes im Bayern-Trikot kommt nach wie vor zu früh. Nimmt der frühere Schalker aber auf lange Sicht die Rolle ein, die er aktuell einnimmt, droht seine Verpflichtung zu einem Missverständnis zu werden. Gerade auch deshalb, weil ihm Konkurrenten wie Musiala schon jetzt den Rang ablaufen.
Sane gegen Köln | Musiala gegen Köln | |
Einsatzminuten | 45 | 45 |
Tore | 0 | 0 |
Torvorlagen | 0 | 1 |
Ballkontakte | 28 | 38 |
Kreierte Großchancen | 0 | 2 |
Angekommene Pässe | 9 (56 %) | 14 (82 %) |
Dribblings (erfolgreich) | 1 (1) | 8 (6) |
Zweikämpfe (davon gewonnen) | 8 (25 %) | 19 (53 %) |
3. Mit diesem Fußball ist Köln kein Abstiegskandidat
"Man muss doch nicht immer bei einem knappen Bayern-Sieg sagen: Die Bayern waren nicht gut drauf. Nein, man kann auch mal sagen: Der Gegner war gut drauf. Und das waren wir", hielt Kölns Trainer Steffen Baumgart nach dem Abpfiff fest.
Eine treffende Einschätzung, denn bei allen aus der vergangenen Saison mitgeschleppten Abwehrproblemen der Münchner haben die Gäste mit beherztem Fußball einen äußerst positiven Eindruck in der Allianz Arena hinterlassen.
Baumgarts Handschrift - hohes Pressing, schnelles Umschalten nach Ballgewinn - ist bereits früh in der neuen Spielzeit zu erkennen. Genauso wie die Einstellung, sich auch nach einem Rückstand nicht aufzugeben. Die Tore durch Anthony Modeste (60.) und Mark Uth (62.) zum zwischenzeitlichen 2:2-Ausgleich waren, auch wenn sie zu einem gewissen Teil aus der Schlafmützigkeit der bayerischen Defensive resultierten, der Beweis für den Zusammenhalt der Domstädter, die in der Schlussphase sogar noch einmal die Schlagzahl erhöhten und durchaus hätten zum Ausgleich kommen können. Kein Wunder, dass Baumgart hinterher fast ein wenig enttäuscht war.
"Die Bayern haben am Ende durch eine Einzelaktion gewonnen", merkte der 49-Jährige an. "Spielerisch gibt es nichts zu meckern. Die Jungs haben gut gearbeitet und in der zweiten Halbzeit das Herz aus der Hose genommen. Ich hätte mich gefreut, wenn es ein bisschen früher passiert wäre, aber ich glaube, das ist eine Entwicklung." Geht diese Entwicklung weiter, haben die Kölner in dieser Saison nichts mit dem Abstieg zu tun.