Außerdem verrät Lewandowski, warum er während seiner Anfangszeit in Deutschland mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte - und wie sich nach einem klärenden Gespräch mit Jürgen Klopp alles zum Guten wendete.
Robert, herzlichen Glückwunsch zum Sieg bei den Goal 50. Wie fühlen Sie sich, nachdem Sie den nächsten individuellen Titel gewonnen haben?
Robert Lewandowski: Vielen Dank! Ich fühle mich sehr gut, solche Auszeichnungen bedeuten mir viel. Natürlich ist Fußball ein Mannschaftssport, aber individuelle Titel zeigen, dass sich die Arbeit, die man persönlich jeden Tag investiert, auszahlt.
Sie haben Ihre beiden Tore in Salzburg Gerd Müller gewidmet. Was hat Sie dazu veranlasst?
Lewandowski: Gerd Müller ist eine Legende. Einen Tag vor seinem Geburtstag habe ich einen traurigen Artikel gelesen, in dem seine Frau gesagt hat, dass es ihm nicht gut gehe. Das hat mir sehr leidgetan. Deshalb waren meine Gedanken bei ihm. Für mich war es wichtig, ihm die beiden Tore und den Sieg der Mannschaft zu widmen.
In der vergangenen Saison lagen Sie lange auf Kurs, seinen Bundesliga-Rekord einzustellen. Wettbewerbsübergreifend haben Sie 55 Tore erzielt. Was bedeuten Ihnen diese Zahlen?
Lewandowski: Eine Mannschaft ohne Stürmer funktioniert nicht wirklich, gleichzeitig profitiert der Stürmer immer von der Mannschaft. Das ist quasi eine wechselseitige Abhängigkeit, alles muss funktionieren. Meine Rekorde freuen mich natürlich, aber letztlich sprechen wir hier nur über Zahlen, die nicht wirklich entscheidend sind.
Lewandowski: "Ohne Titel sind all diese Tore nicht viel wert"
Über was sollte man stattdessen sprechen?
Lewandowski: Für mich ist es wichtig, wie viele Titel wir gewinnen. Darauf schaue ich, denn ohne Titel sind all diese Tore nicht viel wert. Wenn meine Tore dazu beitragen, dass wir Titel gewinnen, ist der Idealfall eingetreten. Ich muss diesbezüglich aber auch sagen, dass nicht ausschließlich die erzielten Treffer eine große Rolle einnehmen, sondern auch die Vorlagen. Das fördert den Teamspirit.
Apropos Vorlagen: Thomas Müller sagte kürzlich im DAZN-Interview, dass Sie sich mittlerweile nicht nur über Ihre Tore, sondern auch über Ihre Assists freuen können. Hat er damit recht?
Lewandowski: Ich arbeite immer daran, mein Spiel zu verbessern. Aber ich habe auch früher schon einige Vorlagen beigesteuert, nur haben sich die Leute für diese Statistik nicht so sehr interessiert. Sie haben sich immer auf die Tore fokussiert. Dabei besitzen die Aktionen, die zu den Toren führen, auch das Spiel ohne Ball, einen genauso großen Stellenwert für den Erfolg der Mannschaft. Das kommt mir in der öffentlichen Wahrnehmung oft zu kurz.
Robert Lewandowski: Seine Statistiken bei Bayern und dem BVB
Spielzeiten | Verein | Einsätze | Tore | Vorlagen | Platzverweise |
2010 - 2014 | Borussia Dortmund | 187 | 103 | 42 | 1 |
seit 2014 | Bayern München | 300 | 259 | 62 | - |
Lewandowskis Kindheit: "Das Feld war schwarz, nur an manchen Stellen wuchs etwas Rasen"
Sie sprachen von der jüngeren Vergangenheit, wagen wir nun einmal einen Schritt an den Anfang Ihrer Karriere. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihr erstes Training bei Partyzant Leszno?
Lewandowski: Ich erinnere mich sehr gut an diese Zeit. Der Trainingsplatz hatte nur im entferntesten Sinn etwas mit den Fußballplätzen zu tun, die man heute kennt. Das Feld war schwarz, nur an manchen Stellen wuchs etwas Rasen. Uns hat es gereicht, wenn wir einen Ball am Fuß hatten. Wenn es geregnet hat, hatten wir sogar den größten Spaß. Es war uns völlig egal, dass wir keinen perfekten Rasen hatten und mit den nassen Klamotten zwei Stunden nach Hause fahren mussten. Danach habe ich meistens noch zwei weitere Stunden bei Wind und Wetter im Garten gekickt, als es schon dunkel geworden war.
Was hat Sie schon als Kind angetrieben?
Lewandowski: Ich wollte nur draußen sein und das tun, was mich erfüllt. Das kam einfach von Herzen. Der Fußball war immer meine größte Leidenschaft, diese Leidenschaft hat mich angetrieben.
Gab es einen Verein, von dem Sie als Kind geträumt haben?
Lewandowski: Einen konkreten Traumverein gab es nicht. Als ich klein war, habe ich das Champions-League-Finale zwischen Bayern und Manchester United (1999, 1:2) geschaut. Diese Partie taucht sofort vor meinem geistigen Auge auf. Ich weiß, dieses Spiel lief für die Bayern nicht so gut. Aber beide Mannschaften waren einfach top. Es ist wichtig, als Kind Träume zu haben. Mein Traum war immer, mit der größten Mannschaft in den größten Stadien zu spielen und Titel zu gewinnen.
Lewandowski: "Habe gefragt, warum ich nicht ausschließlich Fußball spielen kann"
Ihre Eltern waren beide Profisportler, Ihre Mutter Volleyballerin, Ihr Vater Judoka. Wie hat man sich das Leben im Sporthaushalt Lewandowski vorzustellen?
Lewandowski: Meine Eltern waren nach ihren Karrieren als Sportlehrer tätig, meine Mutter arbeitet nach wie vor an einer Schule. Aufgrund der Vergangenheit meiner Eltern habe ich neben dem Fußball viele andere Sportarten ausprobiert, in denen ich auch durchaus talentiert war. Aber ich habe dabei nie die Gefühle verspürt, die ich damals schon für den Fußball entwickelt hatte. Ich war - anders als beim Fußball - teilweise gestresst und nervös und mir war klar, dass ich niemals Top-Niveau erreichen würde. Ich habe meinen Vater dann gefragt, warum ich nicht ausschließlich Fußball spielen kann.
Wie hat er reagiert?
Lewandowski: Er erklärte mir, dass ich noch nicht verstehen könne, warum andere Sportarten hilfreich sind. Er hat mir gesagt: 'Eines Tages wirst Du nachvollziehen, dass es nur zu Deinem Besten ist.' Er sollte recht behalten. Ich habe früher viel Gymnastik gemacht, um an meiner Beweglichkeit zu arbeiten. Das kommt mir heutzutage zugute. Deshalb bin ich meinem Vater unendlich dankbar, dass er mir diesen Weg aufgezeigt hat.
Viele Ihrer Jugendtrainer sagten, dass Sie früher sehr schmächtig waren. Wie würden Sie Ihre physischen Voraussetzungen beschreiben?
Lewandowski: Ich war sehr klein und sehr schmal. Bis ich 17 oder 18 Jahre alt war, habe ich mir oftmals anhören müssen, dass ich zu dünn bin. Der Trainer der U15-Nationalmannschaft sagte mir beispielsweise: 'Tut mir leid, aber Du bist einfach zu schmächtig, um in der Nationalmannschaft zu spielen.'
Bevor Sie 18 waren, wurden Sie bei Ihrem Lieblingsklub Legia Warschau aussortiert. Wie sehr hat die Entscheidung damals geschmerzt?
Lewandowski: Das hat sehr geschmerzt. Ich war gerade mal 17 Jahre alt, kurz zuvor hatte ich meinen Vater verloren. Ich kann mich noch erinnern, dass ich verletzt war und auf die Entscheidung gewartet habe, was in der kommenden Saison mit mir geschehen soll. Plötzlich erhielt ich eine oder zwei Wochen vor Ablauf meines Vertrages von Legias Sekretärin die Information, dass der Verein im Sommer nicht verlängern möchte.
Lewandowskis Abschied von Legia Warschau: "Wenn man so etwas gesagt bekommt, tut das weh"
Wie geht man als Jugendlicher damit um?
Lewandowski: Es gab zu diesem Zeitpunkt zugegebenermaßen nicht viele Dinge, die mich positiv stimmen hätten können. Das war nicht einfach für mich, besonders mit Blick auf die Mentalität. Wenn man so etwas gesagt bekommt, tut das natürlich weh, ich wollte das gar nicht hören. Ich hatte natürlich eine andere Meinung als die Trainer.
Inwiefern haben die Rückschläge Sie angestachelt?
Lewandowski: Für mich war entscheidend, was ich persönlich im Herzen gespürt habe. Ich wollte es unbedingt schaffen und allen zeigen, was ich kann. Es ist egal, was andere Leute sagen, wenn man einen starken Willen hat. Ich habe also nach vorne geschaut und weiter an mir gearbeitet.
Wie sah diese Arbeit aus?
Lewandowski: Als ich 18 war, habe ich begonnen, mehr im Kraftraum zu arbeiten und meine Muskulatur aufzubauen. Das hat enorm geholfen.
Sie schlossen sich nach Ihrer Zeit bei Legia dem Drittligisten Znicz Pruszkow an. Was gab den Ausschlag?
Lewandowski: Zunächst muss ich sagen, dass ich bei meinem Wechsel zu Legia zum ersten und letzten Mal in meinem Leben auf den Rat anderer Leute gehört habe. Danach wollte ich meine Entscheidungen ausschließlich selbst treffen und mich nicht mehr von außen beeinflussen lassen. Ich bekam von Znicz Pruszkow die Chance, als ich wieder einigermaßen fit war, und habe für mich beschlossen, diese Chance wahrzunehmen.
Ein Schritt zurück, der sich im Nachhinein als goldrichtig herausstellen sollte. Sie gingen zwei Jahre später zu Lech Posen. Wie schwer fiel Ihnen die Umstellung?
Lewandowski: Lech war meine erste Station als Profi. Ich habe erstmals mitbekommen, wie die Abläufe auf hohem Niveau sind. Vom ersten Tag an wusste ich, dass ich mit dem Wechsel nach Posen alles richtig gemacht habe. Wir hatten eine sehr gute Mannschaft und sind im UEFA-Cup über die Gruppenphase hinausgekommen. Auf nationaler Ebene haben wir in den zwei Jahren, in denen ich da war, alles gewonnen.