Kaum Verkehr, kaum Menschen: Selten war es an der Säbener Straße so ruhig wie in diesen Tagen. Die Verantwortlichen des FC Bayern um Sportdirektor Hasan Salihamidzic haben aber auch während der Corona-Krise alle Hände voll zu tun. Ein zentrales Thema im Home-Office von "Brazzo" und Co. ist die Zusammenstellung des Kaders für die kommende Saison.
Neben Verhandlungen mit potenziellen Neuzugängen stehen auch Gespräche mit den Spielern an, deren Verträge 2021 auslaufen. Allen voran mit den Leistungsträgern Manuel Neuer, Thiago, Thomas Müller und David Alaba. Letzterer gab in den vergangenen Wochen mehrfach in der Öffentlichkeit zu, einer neuen Herausforderung nicht abgeneigt zu sein.
"Ich fühle mich wohl in München, kann mir grundsätzlich aber vorstellen, einen anderen Weg einzuschlagen", sagte der 27-Jährige am 20. März in einem Interview mit der GQ. Dass er es ernst meinte, wurde nur wenige Tage später deutlich, als er sein Berater-Team um einen der gerissensten Branchenkenner erweiterte: Pini Zahavi.
Pini Zahavi: Ein Mann für große Transfers
Der Israeli ist vor allem in England für seine spektakulären Transfers bekannt. Als enger Vertrauter von Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch tütete er zu Beginn des Jahrtausends fast alle Deals der Blues ein, außerdem transferierte er die englische Abwehr-Legende Rio Ferdinand 2002 für fast 50 Millionen Euro von Leeds United zu Manchester United.
Heute tritt der 76 Jahre alte Zahavi in der Regel nur noch als Vermittler im Hintergrund auf. Weil er aber beste Kontakte in alle europäischen Top-Ligen unterhält und die Interessen seiner Klienten konsequent durchboxt, ist er bei den meisten seiner Verhandlungspartner kein gern gesehener Gast. Dass der brasilianische Superstar Neymar etwa 2017 für eine Rekordsumme von 222 Millionen Euro vom FC Barcelona zu Paris Saint-Germain wechselte, war auch Zahavi geschuldet, der sich in der Rolle des umtriebigen Mittelsmanns mit Vertretern beider Klubs traf, um Neymars Interessen darzulegen.
Alabas Grübeleien: Geld spielt nicht die wichtigste Rolle
Auch beim FC Bayern kennen sie Zahavi, der vor seiner Berater-Karriere als Journalist arbeitete. Im Sommer 2018 heuerte Robert Lewandowski den Super-Agenten ursprünglich mit dem Ziel an, zu Real Madrid zu wechseln. Am Ende verlängerte der polnische Torjäger seinen Vertrag in München aber zu deutlich besseren Bezügen, weil die Bayern-Bosse ihr Veto für einen Transfer einlegten. Gleichwohl war das Interesse der Madrilenen an Lewandowski nach Informationen von SPOX und Goal in jenem Sommer nicht mehr so stark wie 2013 oder 2017, als sich sogar noch diverse Real-Führungsspieler wie Sergio Ramos oder Cristiano Ronaldo für dessen Verpflichtung stark gemacht hatten.
Es muss also nicht heißen, dass Alaba zwingend wechseln möchte, nur weil er fortan auf Zahavis Dienste zurückgreift. Der Österreicher fühlt sich in München wohl und identifiziert sich mit dem Verein, zu dem er im Alter von 16 Jahren gekommen war. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der gebürtige Wiener schon länger über seine Zukunft grübelt. Bei diesen Gedankenspielen geht es nach Informationen von SPOX und Goal aber eher darum, im besten Fußballer-Alter noch einmal ein neues Abenteuer in einer neuen Liga Angriff zu nehmen und den persönlichen Horizont in einem neuen Land mit einer neuen Sprache und einer neuen Kultur zu erweitern.
Geld spielt dabei auch eine Rolle, aber gewiss nicht die wichtigste, denn Alaba gehört in München zwar nicht zu den Topverdienern wie Müller, Neuer oder Lewandowski, ist aber auch alles andere als unterbezahlt.
England-Wechsel keine Option für Alaba
Stünde der finanzielle Aspekt für ihn an erster Stelle, würde er wohl einen Wechsel in die wirtschaftlich starke Premier League favorisieren. Nach Angaben der Münchner tz und des Fernsehsenders Sport1 schlug Alaba aber kürzlich einen Deal mit Manchester City aus, nachdem der FCB Gespräche über ein Tauschgeschäft mit Leroy Sane geführt hatte. Sollte eine Verlängerung in München scheitern, wäre Alabas Wunschziel Spanien. Und in diesem Zusammenhang taucht in den Medien auch einmal mehr der Name Real Madrid auf.
Die Königlichen hatten Alaba in den vergangenen Jahren zwar schon häufiger auf ihrem Zettel, konkret war ihr Interesse jedoch nie. Gerade in der Corona-Krise stellt sich die Frage, ob sie den Bayern-Profi trotz dessen Vielseitigkeit bräuchten - und wenn ja, ob sie sich ihn überhaupt leisten könnten.
Könnte sich Real Madrid Alaba überhaupt leisten?
Marcelo, langjähriger Stamm-Linksverteidiger und Publikumsliebling, könnte möglicherweise wechseln, doch mit Ferland Mendy kam auf Wunsch von Trainer Zinedine Zidane erst im vergangenen Sommer ein neuer Linksverteidiger für stolze 50 Millionen Euro von Olympique Lyon nach Madrid und zeigte bislang zufriedenstellende Leistungen.
Darüber hinaus steht mit Sergio Reguilon noch ein Mann aus der eigenen Jugend für die linke Abwehrseite zur Verfügung, der bei seinem Leih-Arbeitgeber FC Sevilla überzeugt und planmäßig Anfang Juli zurück in die spanische Hauptstadt kehren soll. Auch der noch an den BVB verliehene Achraf Hakimi könnte im Falle einer Rückkehr zur Not als Linksverteidiger auflaufen.
Und da Präsident Florentino Perez auf der Zielgerade seines Schaffens unbedingt den französischen Superstar Kylian Mbappe von PSG verpflichten sowie den über 500 Millionen Euro schweren Umbau des Estadio Santiago Bernabeu abschließen möchte, drängt sich die Frage auf, ob Real genug Geld für Alaba in der Hinterhand hätte. Zumal sich nach wie vor das Gerücht hält, Zidane poche intern vehement auf eine Verpflichtung von Manchester Uniteds wechselwilligem Mittelfeldmann Paul Pogba. Sollte sich Zidanes Wunsch erfüllen und Perez seinen Wunschspieler Mbappe bekommen, müssten sie in Madrid auch auf das Financial Fairplay achten.
Der FC Barcelona hat andere Kader-Baustellen
Ähnliches würde übrigens auch für den FC Barcelona gelten, der ebenfalls als möglicher Abnehmer für Alaba gehandelt wird. Die Katalanen arbeiten bekanntlich seit einem Jahr an einer Rückholaktion von Neymar und hegen zudem Absichten, Lautaro Martinez von Inter Mailand als Nachfolger für den mittlerweile 33-jährigen Luis Suarez unter Vertrag zu nehmen, sofern sie aussortierte Spieler wie Philippe Coutinho oder Ivan Rakitic für genügend Geld loswerden.
Die von Alaba hauptsächlich bekleidete linke Abwehrseite ist gewiss nicht die erste Baustelle der Barca-Bosse. Und auch im Mittelfeld, wo der Linksfuß in der österreichischen Nationalelf spielt, herrscht aktuell nicht so viel Handlungsbedarf wie im Angriff, der in dieser Saison abhängiger denn je von Weltfußballer Lionel Messi ist.
Die Wahrscheinlichkeit, wonach sich Alaba nach elf Jahren tatsächlich vom FC Bayern verabschieden könnte, ist zum jetzigen Zeitpunkt daher eher als gering einzustufen. Bayern-Coach Hansi Flick will das zum Abwehrchef aufgestiegene Eigengewächs halten. Ein Schnellschuss in der Causa Alaba ist ohnehin nicht zu erwarten. Erst recht nicht in Zeiten wie diesen.
Saison 2019/20: David Alaba in Zahlen
Gespielte Minuten | 2443 |
Tore | 1 |
Vorlagen | 2 |
Zweikampfquote | 54,9 % |
Passquote | 90,3 % |