Thomas Müller machte aus seiner Enttäuschung über das 2:2 gegen Hertha BSC zum Bundesliga-Auftakt keinen Hehl. Es sei "schwierig zu greifen", wie es dazu kommen konnte, erklärte das Urgestein des FC Bayern im Anschluss an die Partie in der Mixed-Zone. Anders als bei seinen Kollegen, allen voran Robert Lewandowski, schien den ehemaligen Nationalspieler selbst die Bestätigung der namhaften Neuverpflichtung Philippe Coutinho nicht milde stimmen zu können.
Während der Pole sich merklich über die Kunde freute und den Brasilianer als "Top-Spieler" bezeichnete, der "den Unterschied ausmachen kann" und "viele Optionen" eröffnet, zeigte Müller sich genervt, abermals auf die Transferaktivitäten des deutschen Rekordmeisters angesprochen zu werden.
Hasan Salihamidzic bestätigt Coutinho- und Cuisance-Deal
"Da war ja eine Einigkeit zwischen Klub und Presse vorhanden, die ihresgleichen sucht", erklärte er mit Blick auf die zahlreichen Possen des Sommers. "Alle Beteiligten sehnen wahrscheinlich den 2. September (dann schließt das Transferfenster, Anm. d. Red.) herbei, damit mal etwas Ruhe einkehrt."
Tatsächlich schienen die Medien und zahlreiche Fans erst einmal beruhigt, ob der Tatsache, dass der FCB neben Coutinho wenige Tage zuvor auch den Transfer Ivan Persics als fix verkündet hatte und Sportdirektor Hasan Salihamidzic wenige Augenblicke, nachdem Müller vor die Mikrofone getreten war, sogar noch einen dritten Zugang bestätigte: Michael Cuisance von Borussia Mönchengladbach.
Thomas Müller: "Deshalb ist mir das ehrlich gesagt gerade nicht so wichtig"
"Natürlich haben wir noch Spieler dazubekommen, die Qualität haben und Erfahrung mitbringen", sagte Müller, der grimmig nachschob: "Nichtsdestotrotz überwiegt bei mir noch das schlechte Gefühl von dem Spiel. Deshalb ist mir das ehrlich gesagt gerade nicht so wichtig."
Dabei könnte die Ankunft insbesondere Coutinhos und Perisics allerdings noch sehr relevant für den 29-Jährigen werden, erheblichen Einfluss auf seinen Stammplatz haben. Mit den beiden Neuen erhält er nämlich starke Konkurrenz. Müller kommt nach eigenen Angaben am liebsten hinter Lewandowski zum Einsatz, gibt im Idealfall den nominellen Zehner, der unter Trainer Niko Kovac eher einer hängenden Spitze gleicht.
In der Zentrale kann er sich entfalten, Räume deuten, Lücken aufreißen, gegnerische Abwehrreihen mit seiner unkonventionellen und dementsprechend unberechenbaren Spielweise vor Probleme stellen. Der Haken: Die von ihm bevorzugte Position ist im 4-3-3-System Kovacs nicht vorhanden. Heißt konkret, dass Müller derzeit nur für die Rolle des offensiv ausgerichteten Achters sowie für den rechten Flügel infrage kommt.
Thomas Müller: Spielerstatistiken beim FC Bayern 2018/19
Wettbewerb | Spiele | Tore | Torvorlagen |
Bundesliga | 32 | 6 | 12 |
Champions League | 6 | - | 1 |
DFB-Pokal | 6 | 3 | 2 |
Serge Gnabry gegen Hertha BSC mit starker Leistung
Ebenda wirbelte am Freitagabend der stark aufspielende Serge Gnabry, der mit seinen Tempodribblings Herthas Linksverteidiger Maximilian Mittelstädt zur Verzweiflung brachte, immer wieder durchbrach, Chancen kreierte und das zwischenzeitliche 1:0 der Hausherren sehenswert einleitete.
Der gebürtige Schwabe, der in der vergangenen Saison beim FCB bereits mit guten Leistungen zu gefallen wusste, ist aufgrund seines Antritts und seiner Risikobereitschaft, kein Eins-gegen-Eins zu scheuen, die erste Wahl Kovacs. Während Gnabry also Eigenwerbung betrieb und seine Ansprüche manifestierte, hatte Müller gegen Berlin die rechte Halbposition bekleidet und nicht sonderlich überzeugt.
Coutinho, der am Montagnachmittag unter großem Medienrummel in der Allianz Arena vorgestellt wurde, käme zwar vornehmlich für die linke Seite infrage, gilt aber dennoch als Favorit für die erste Elf und könnte Leon Goretzka, Thiago (sofern dieser von der Sechs abgezogen wird) oder Corentin Tolisso in die am ersten Spieltag von Müller ausgefüllte Rolle drängen.
Coutinho lobt Bayern-Urgestein Müller: "Ein Idol"
Auch wenn Kovac zu einem 4-2-3-1 zurückkehren würde, wäre dies hauptsächlich Coutinhos Ankunft geschuldet. So stellte der Brasilianer bei seiner ersten Pressekonferenz klar, dass seine präferierte Position die Zehn sei. Mit einer Kampfansage in Richtung seines potenziellen Konkurrenten hielt sich der 27-Jährige allerdings noch zurück. "Ich habe zuletzt mehr als Zehner gespielt, aber der Trainer wird entscheiden, wo ich spiele", sagte Coutinho und ergänzte mit Blick auf Müller: "Er ist natürlich ein großartiger Spieler und ein Idol. Ich bin sehr glücklich, dass ich ihn zum Mitspieler haben werde."
Ex-Bayern-Profi und Deutschlands Rekordnationalspieler Lothar Matthäus wurde da schon deutlicher. "Für Thomas Müller könnte dies (die Verpflichtung Coutinhos, Anm. d. Red.) bedeuten, dass er viel Einsatzzeit einbüßen wird, denn Coutinho wird unter normalen Voraussetzungen seinen Stammplatz sicher haben", schrieb Matthäus in einer Kolumne für Sky.
Dass Müller statt aus der Mitte wieder über die Außenbahn kommen könnte, hält der TV-Experte höchstens für eine Notlösung: "Thomas auf dem Flügel einzusetzen, habe ich in den letzten Jahren nicht nachvollziehen können. Das ist nur ein Kompromiss."
Ivan Perisic beim FC Bayern eine Option für die rechte Seite
Dabei darf ohnehin nicht vergessen werden, dass auch Perisic, eigentlich "gelernter" Linksaußen, imstande ist, über rechts zu kommen. Besonders in seiner letzten Saison beim VfL Wolfsburg kam der 30 Jahre alte Kroate nicht selten als Rechtsaußen zum Einsatz. Bei der WM in Russland, die die Kockasti überraschend als Vizeweltmeister abschlossen, wurde der Ex-Mailänder ebenfalls in jener Rolle aufgeboten: Ausgerechnet beim furiosen 3:0 gegen Argentinien. Er wäre somit eine Option, sollte Gnabry einmal geschont werden oder verletzungsbedingt ausfallen.
Keine sonderlich guten Prognosen für Müller. Doch bei aller Schwarzmalerei sollte man nicht außer Acht lassen, dass es dem Offensivmann in der jüngeren Vergangenheit, beispielsweise in der vergangenen Saison, stets gelungen war, ausreichend Spielzeit zu generieren. Obwohl seine Konkurrenten dereinst James Rodriguez und Arjen Robben hießen.
"Die Saison ist lang und Thomas wird fighten und seine Einsätze bekommen", prophezeite Matthäus. Für die Münchner Identifikationsfigur wird wohl kein van Gaal'sches "Müller spielt immer" gelten. Abschreiben sollte man das Urgestein aber ebenso wenig.