Es ist gar nicht so lange her, da schäumte Uli Hoeneß noch vor Wut, als im Umfeld des FC Bayern rege über die Tauglichkeit von Niko Kovac als Trainer diskutiert wurde. Er werde Kovac "bis aufs Blut" verteidigen, "wie eine Eins" zu ihm stehen, sagte der Präsident der Münchner im vergangenen Oktober dem kicker und der Süddeutschen Zeitung.
Damals belegte der Rekordmeister noch den sechsten Platz der Bundesliga, abgeschlagen und scheinbar ohne Aussicht auf den Titel. Heute, acht Monate später, steht er mit zwei Zählern Vorsprung auf Borussia Dortmund an der Spitze und kann am letzten Spieltag gegen Eintracht Frankfurt aus eigener Kraft den siebten Meistertitel in Folge perfekt machen. Der Trainer heißt nach wie vor Kovac, "bis aufs Blut" verteidigt wird der 47-Jährige aber nicht mehr. Im Gegenteil.
Bleibt Niko Kovac beim FC Bayern? "Das werden wir sehen"
Seine Vorgesetzten erhöhen mittlerweile fast schon im Tagesrhythmus den Druck auf ihn. Allen voran Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende, stellt Kovac seit Anfang April immer wieder in diversen Interviews infrage. Der Eindruck verfestigt sich, dass der von Kovac praktizierte Fußball vor allem Rummenigge nicht gänzlich überzeugt. Besonders das mutlose Auftreten im Champions-League-Achtelfinale gegen den FC Liverpool hat den gebürtigen Berliner viel Kredit gekostet - offensichtlich auch bei Hoeneß.
Der Bayern-Präsident meinte nach dem 0:0 bei RB Leipzig zwar in seiner typischen Art, der Vorstand werde in dieser titelentscheidenden Woche keine Trainerdiskussion führen. "Was ein Schmarrn", winkte Hoeneß ab. Ein klares Bekenntnis zu Kovac ließ er sich jedoch ebenso wenig entlocken wie sein Partner Rummenigge.
Letzte Zweifel an der Uneinigkeit in der Münchner Chefetage über die Zukunft von Kovac räumte Hasan Salihamidzic bei seinem Besuch im Aktuellen Sportstudio des ZDF am späten Samstagabend aus. "Die Fakten sprechen für Niko Kovac. Er hat die volle Unterstützung von mir", sagte der Sportdirektor erst, geriet bei der Frage nach der Weiterbeschäftigung seines ehemaligen Mitspielers aber ins Stocken: "Das werden wir sehen. Ich kann nur für mich sprechen."
Bayern-Insider: "Vereinsschädigendes Verhalten"
Nebulöse Worte, die in der Öffentlichkeit zum Großteil für Unverständnis sorgen, da Kovacs Mannschaft in der Theorie nur noch zwei Siege vom nationalen Double trennen. "Wenn sie es dem Niko Kovac schwerer machen wollen, Meister zu werden, haben sie alles richtig gemacht", urteilte Ex-BVB-Trainer Peter Stöger im Sport1-Doppelpass am Sonntag über das seltsame Gebaren an der Säbener Straße.
Ähnliches hört man auch, wenn man sich mit Bayern-Insidern unterhält. Die öffentliche Demontage des Trainers in der entscheidenden Saisonphase wertet einer im Gespräch mit SPOX und Goal gar als "vereinsschädigendes Verhalten": Die DNA von Bayern München sei immer gewesen, dass man alles dem Erfolg unterordnet habe. "Im Moment ist eher das Gegenteil der Fall. Der Trainer wird seit ein paar Wochen geschwächt. Dabei müsste man ihn in der jetzigen Situation eigentlich stark machen."
Kovac selbst, der in der Rückrunde immerhin 39 von 48 möglichen Punkten geholt hat, kann sich gegen dieses "Mobbing unter Besserverdienern", wie es die SZ beschrieb, öffentlich nicht zur Wehr setzen. Er ist zum Spielball eines internen Machtkampfs geworden. Die Tendenz spricht eher gegen eine Zukunft über den Sommer hinaus.
FC Bayern: Spekulationen um Erik ten Hag
Kein Wunder, dass die Gerüchte um die Verpflichtung eines neuen Trainers an Fahrt aufnehmen. Erstaunlich oft fällt dieser Tage der Name Erik ten Hag in den Medien. Der Erfolgscoach von Ajax Amsterdam betreute bereits von 2013 bis 2015 die zweite Mannschaft der Münchner und würde wohl der Mia-san-Mia-Vision von Hoeneß entsprechen.
Mauricio Pochettino von Champions-League-Finalist Tottenham Hotspur und der seit seiner Entlassung bei Real Madrid im vergangenen Herbst vereinslose Julen Lopetegui werden ebenfalls gehandelt. Salihamidzic betonte zwar, sich noch mit keinem Trainer zu Verhandlungen getroffen zu haben. Doch selbst zwei Siege aus den nächsten zwei Spielen könnten für Kovac zu wenig sein.