Thiago im Interview: "Mit Guardiola lernt man viel schneller"

Thiago arbeitete drei Jahre lang mit Pep Guardiola (r.) zusammen beim FC Bayern.
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Sie kamen 2013 auf Geheiß von Pep Guardiola nach München, der sie schon beim FC Barcelona gefördert hatte. Wie wichtig war er für Ihre Karriere?

Thiago: Sehr wichtig. Pep hat mir damals den Schritt von der Jugend zu den Profis ermöglicht und mir viel beigebracht. Wer als junger Spieler zu den Profis kommt, muss täglich lernen. Mit ihm als Trainer lernt man viel schneller und ausführlicher. Er war von Anfang an eine große Hilfe für mich, auch hier beim FC Bayern. Er ist einer der besten Trainer der Welt, wenn nicht sogar der beste. Und ich bin mir sicher, dass er dem Fußball in den nächsten Jahren noch sehr viel geben wird.

Vermissen Sie Guardiola in München?

Thiago: Er hat große Fußstapfen hinterlassen, weil er und seine Ideen uns als Mannschaft enorm geprägt haben. Das spürt man auf dem Rasen. Wir setzen in manchen Spielsituationen immer noch Dinge um, die er uns mit auf den Weg gegeben hat. Ich denke aber, dass es uns gut gelungen ist, das Positive von jedem unserer bisherigen Trainer mitzunehmen und zu vereinen.

Thiago: Tiki-Taka? "Entscheidend ist die Kontrolle"

Der Spielstil des FC Bayern hat sich seit Guardiolas Abschied vor zweieinhalb Jahren verändert. Die Mannschaft spielt weniger Tiki-Taka. Was halten Sie davon?

Thiago: Ob man das jetzt Tiki-Taka, Taka-Taka oder sonst wie nennt: Entscheidend ist für mich, in jedem Moment die Kontrolle über das Spiel zu haben. Das heißt: Wenn wir in Ballbesitz sind, muss uns klar sein, dass wir trotzdem gut verteidigen müssen. Und wenn der Gegner den Ball hat, müssen wir bereit sein, ihn zu Fehlern zu zwingen und diese Fehler auszunutzen. Diese Überlegenheit - ob mit oder ohne Ball - ist das Allerwichtigste für mich. Haben wir diese Überlegenheit, haben wir Erfolg. Unabhängig von dem Spielstil mit viel oder etwas weniger Ballbesitz.

Auch Ihre Rolle hat sich verändert. Unter Niko Kovac spielen Sie defensiver als zum Beispiel noch unter Jupp Heynckes oder Carlo Ancelotti, als Sie hin und wieder als Zehner agiert haben. Auf welcher Position fühlen Sie sich am wohlsten?

Thiago: Im zentralen Mittelfeld. Ob das auf der Sechs, auf der Acht oder auf der Zehn ist, ist egal. Mir gefällt es, anzugreifen, ich verteidige aber auch gerne. Auf der Sechs muss ich mehr verteidigen, kann mir aber den Ball früher abholen und mich mehr am Spielaufbau beteiligen. Dafür kann ich weniger Tore schießen und vorbereiten als auf der Acht oder auf der Zehn, weil ich nicht so oft in Strafraumnähe komme.

Würden Sie gerne häufiger Tore schießen und vorbereiten?

Thiago: Wer nicht? Jeder würde das gerne.

Thiago: "Wir haben das Vertrauen in uns selbst verloren"

Stört es Sie, dass die meisten Menschen eher über die Torschützen sprechen als über die Arbeiter im Hintergrund?

Thiago: Damit muss man sich abfinden. Wer einmal im Fußballgeschäft tätig war, weiß, dass der wichtigste Spieler für die Öffentlichkeit immer derjenige ist, der die Tore schießt und nicht der, der sie vorbereitet oder verhindert.

Das mit dem Toreschießen klappt aktuell sehr gut. Der FC Bayern steht an der Spitze der Bundesliga, nachdem zwischenzeitlich sogar die Champions-League-Qualifikation auf der Kippe stand. Was waren die Gründe dafür?

Thiago: Die ersten ein, zwei Monate der Saison liefen eigentlich gut. Obwohl wir den Trainer erst einmal kennen lernen mussten, haben wir gute Ergebnisse eingefahren. Dann sind wir durch nicht so gute Ergebnisse in eine Phase gekommen, in der wir unser Vertrauen in unser Spiel und in uns selbst verloren haben. Wir Spieler hatten nicht die beste Einstellung. Vor allem zwischen September und November, als wir viele Punkte unnötig abgegeben haben. Aber danach haben wir sehr hart gearbeitet und sind in der Tabelle Schritt für Schritt zurück nach oben geklettert.

Was haben Sie und Ihre Kollegen konkret geändert, um den verloren gegangenen Spielrhythmus wiederzufinden?

Thiago: Die Winterpause hat uns sehr gut getan. Wir konnten im Kreise unserer Familien über Weihnachten und Silvester abschalten und vor allem aus mentaler Sicht Kraft schöpfen. Zu Beginn der Rückrundenvorbereitung in Katar haben wir uns gesagt, dass wir uns nicht in der idealsten Ausgangssituation befinden und daran gemeinsam unbedingt etwas ändern müssen. Das haben wir.

Thiago über Niko Kovac: "Ein unglaublich positiver Typ"

Wie hat sich Kovac, der weder die Erfahrung noch den Lebenslauf eines Jupp Heynckes, Carlo Ancelotti oder Pep Guardiola mitbringt, Respekt verschafft?

Thiago: Es ist sicherlich für jeden Trainer schwierig, zu einem so großen Verein wie dem FC Bayern zu kommen. Die Ziele sind hoch, die Erwartungen ebenso. Das ist normal und daran muss man sich gewöhnen. Wir Spieler haben uns Schritt für Schritt an den Trainer gewöhnt und er sich an uns. So etwas braucht einfach Zeit.

Wie tickt Kovac als Mensch?

Thiago: Niko ist ein unglaublich positiver Typ, sehr gebildet und sehr kommunikativ. Er legt großen Wert auf einen partnerschaftlichen Umgang untereinander und geht immer gut mit uns Spielern um.