Karl-Heinz Rummenigge hat dieser Tage verraten, dass es in seiner Amtszeit als Vorstandsvorsitzender nur einen Trainer gab, der überhaupt nicht zum FC Bayern passte.
Die Rede war von Jürgen Klinsmann, der vor genau zehn Jahren in München krachend scheiterte. Damals hatte der Coach allerdings bis in den April fast alle Karten selber in der Hand, erst nach dem chancenlosen Duell gegen den FC Barcelona im Champions-League-Viertelfinale und einem 1:5-Debakel beim späteren Meister Wolfsburg wurde der Ex-Bundestrainer gefeuert.
Vor allem seine Aussage bei der Vorstellung, er wolle jeden Spieler besser machen, flog Klinsmann um die Ohren. Niko Kovac hat einen fast identischen Satz bei seiner Vorstellung im letzten Juli gesagt - und nicht nur deshalb droht dem Kroaten nun ein ähnliches Schicksal wie Klinsmann.
FC Bayern: Bankdrücker sorgen für Unruhe
Was nicht nur, aber auch daran liegt, dass sich im Gegensatz zu seiner Ankündigung kein Spieler wirklich verbessert hat, im Gegenteil. Die einstigen Stammkräfte wie Hummels, Boateng, Alaba, Müller, James oder Martinez sind teilweise weit von einstiger Bestform entfernt, so dass dem Rekordmeister beinahe zwangsläufig die Stabilität fehlt. Gleichzeitig sorgen einige der Bankdrücker aber intern für Unruhe, weil sie ihre Degradierung ungeachtet guter sportlicher Gründe nicht akzeptieren wollen.
Doch auch die potenziellen Nachrücker wie Kimmich und Süle konnten ihren Führungsanspruch in den entscheidenden Spielen bislang nicht untermauern, bei der 1:3-Pleite in Leverkusen gehörten beide zu den schwächsten Spielern.
Trotz zuletzt sieben Siegen in Serie verfestigt sich der Eindruck, dass die Bayern von jedem halbwegs potenten Gegner mit relativ einfachen Mitteln vor große Probleme gestellt werden können. Deshalb war die nach der ersten Halbzeit eigentlich völlig unnötige Niederlage in Leverkusen ein herber Rückschlag für die Münchner Titelambitionen.
Niko Kovac wirkt ratlos und passiv
Vor allem, weil Kovac einmal mehr ratlos und passiv wirkte. Für all das, was er hinterher zu Recht kritisierte - fehlende Kompaktheit, mangelnde Aggressivität, defensive Anfälligkeit, individuelle Patzer und nicht vorhandener Killerinstinkt - trägt Kovac letztlich die Verantwortung.
Dem Ex-Frankfurter ist es seit seinem Dienstantritt in München nicht gelungen, eine sichtbare Spielphilosophie zu etablieren. Vielmehr mangelt es dem Team an Dominanz und Konstanz über 90 Minuten, was schon vor einer Woche gegen Abstiegskandidat Stuttgart beinahe verheerende Folgen gehabt hätte. Es wirkt, als habe Kovac nur einen Plan A und könne daher nicht mehr entscheidend korrigieren, wenn dieser nicht aufgeht.
Deshalb sind die Bayern in dieser Saison von guten Kontrahenten mit starken Einzelspielern recht einfach zu knacken. Meist genügt schon aggressives Pressing und schneller Umschaltfußball, um Fehler zu provozieren und teilweise riesige Lücken in der Rückwärtsbewegung aufzureißen.
Es spricht wenig für die Wende unter Kovac
Das Duell mit Leverkusens junger Mannschaft war daher eine Art Blaupause für das Champions-League-Achtelfinale gegen die Tempofußballer des FC Liverpool. Daher ist der Schreck nun so groß. Treten die Münchner in zweieinhalb Wochen ähnlich pomadig an der Anfield Road auf, droht ein Debakel wie das 0:4 gegen Pep Guardiolas Barca unter Klinsmann 2009.
Der letzte Bayern-Trainer, der schon im Achtelfinale ausschied, war Louis van Gaal vor acht Jahren. Er wurde wie Klinsmann vorzeitig gefeuert, als die Meisterschaft ebenfalls verloren war. Die Parallelen von 2011 zu dieser Saison sind auch statistisch eklatant.
Es spricht also wenig für die große Wende unter Kovac und vielmehr für einen Neuanfang unter einem anderen Chefcoach. Vielleicht aus Mangel an Alternativen erst im Sommer, vielleicht geht es aber auch ganz schnell. Eine weitere Niederlage am Mittwoch im Pokal-Achtelfinale in Berlin wäre in jedem Fall ein Brandbeschleuniger.