Wie konnte es nur soweit kommen?

Carlo Ancelotti wurde am Donnerstag bei den Bayern entlassen
© getty
Cookie-Einstellungen

Der Spielerversteher hat die Kabine verloren

Cristiano Ronaldo, Zlatan Ibrahimovic, David Beckham, John Terry, Paolo Maldini, Alessandro Nesta und Toni Kroos. All diese (ehemaligen) Weltklassespieler kamen in Ancelottis jüngstem Buch "Quiet Leadership" zu Wort und alle schwärmten von der Führungskompetenz des Italieners.

Auch Mats Hummels lobte am Dienstag vor der Partie in Paris noch den "charmanten und witzigen Stil" Ancelottis und dessen "Unerschütterlichkeit". Der Umgang mit den Stars war Ancelottis größtes Pfund während seiner Karriere. Über Ancelotti hatte fast jeder nur Gutes zu berichten und diese Qualität sollte er auch in München einbringen.

Auf der Grundlage des Tüftlers Guardiola sollte der Menschenfänger Ancelotti die Generation Lahm zu einem weiteren Höhepunkt führen. Dass Lahm ein Jahr früher als gedacht seine Karriere beendete und Ancelotti auch noch Xabi Alonso verlor, war nicht die Schuld des Trainers, aber plötzlich fand er sich mitten in einem Umbruch wieder, den er hätte managen sollen. Diese Aufgabe konnte oder wollte er nicht mehr stemmen.

Während es anfangs von Stars wie Franck Ribery noch Lobhudeleien und Vergleiche mit Jupp Heynckes gab, flogen am Ende plötzlich nach Auswechslungen die Trikots auf die Bank und selbst loyale Spieler wie Thomas Müller kritisierten die Entscheidungen des Trainers öffentlich.

"Ancelotti hatte fünf Spieler gegen sich gehabt, das war nicht durchzuhalten", bestätigte Uli Hoeneß nach der Entlassung. Wann genau die Stimmung kippte, ist schwer zu sagen, aber der Prozess war am Ende nicht mehr aufzuhalten. Die Aufstellung in Paris ohne Robben, Ribery und Hummels war schon fast ein trotziger Akt des Italieners.

Auch wenn Ancelotti aus Erfahrung wusste, dass ihm sein Umgang mit den Stars irgendwann negativ ausgelegt werden würde und die Gründe für seine Einstellung auch irgendwann die Gründe für seine Entlassung sein würden, hatte kaum einer erwartet, dass dem Spielversteher Ancelotti am Ende in München die Atmosphäre in der Kabine um die Ohren fliegen würde.

Aktuell scheint es unwahrscheinlich, dass in einer zukünftigen Auflage seines Buches ein Bayernspieler eine ähnliche Lobeshymne anstimmen wird, wie Ronaldo, Ibrahimovic oder Beckham.

Der Rückhalt aus der Führungsriege hat gefehlt

Der FC Bayern ist zurzeit kein harmonischer Klub. Nicht nur auf dem Platz hat der Verein einen Umbruch zu bewerkstelligen, auch in der Führungsetage rumpelt es seit der Rückkehr von Hoeneß ins Präsidentenamt.

Während Hoeneß' Zeit im Gefängnis war Rummenigge zum alleinigen, starken Mann aufgestiegen an der Säbener Straße, er hatte die Richtung vorgegeben und den FC Bayern klar auf Kurs Internationalisierung geführt. Mit Hoeneß an seiner Seite hat sich die Atmosphäre im Klub verändert, es gibt ein Hoeneß- und es gibt ein Rummenigge-Lager.

Dass beide Führungsfiguren noch nicht wieder "geheiratet hätten", wie Rummenigge kürzlich sagte, ist offensichtlich. Zu oft sind sie in ihren Ansichten und auch öffentlichen Äußerungen unterschiedlicher Meinung. Sicher waren beide noch nie immer auf einer Linie, aber das neuerliche Zusammenraufen gestaltet sich nicht gerade einfach.

Das machte sich auch beim Richtungsstreit in diesem Sommer bemerkbar, als es darum ging, ob die Bayern auch auf dem Transfermarkt den Weg der Global Player mitgehen und noch mehr Geld ausgeben als ohnehin schon oder eine andere Strategie verfolgen sollen. Hoeneß setzte sich durch.

Die Personalie Ancelotti war eine Rummenigge-Entscheidung, auch in der Entlassungsmeldung bezeichnete er den Trainer als seinen Freund. Mit Willy Sangol als Co-Trainer, der jetzt interimsmäßig übernimmt, und Hasan Salihamidzic als Sportdirektor hatte Hoeneß zwei seiner Leute rund um das Trainerteam installiert, um das Mia-san-Mia-Gefühl wieder zu stärken. Beide Personalien konnten allerdings auch als Aufpasser im Ancelotti-Umfeld verstanden werden.

Ein klares Bekenntnis pro Ancelotti blieb in den vergangenen Wochen auf jeden Fall aus, als die Kritik am Italiener und seinem umstrittenen Trainerteam um den rauchenden Fitnesstrainer Giovanni Mauri immer lauter wurde und sich eine Trennung zum Saisonende abzeichnete.

Am Ende hatte Ancelotti keine Chance mehr, er war auch zwischen die Mühlen des führungspolitischen Räderwerks an der Säbener Straße gekommen.

Inhalt: