55. Minute. Eckball Bayern. Abgewehrt Richtung Außenlinie durch unseren Innenverteidiger. Ich sprinte dem Ball hinterher, die mögliche Konterchance im Kopf. Der Ball springt hoch. Ich will ihn mitnehmen, da rauscht von der Seite Matthias Stingl an. Er klärt den Ball mit dem Kopf, ich unterlaufe ihn. Die Folge: Salto des Bayern-Spielers mitsamt unglücklicher Landung auf dem Genick.
Knapp eine Stunde zuvor. Ansprache unseres Trainers: "Wenn ihr den Gegenspieler nur annähernd kennt, ist grätschen strikt untersagt! Eigentlich egal, wer es ist, es geht keiner runter."
Mein erster Gedanke nach dem Foul direkt vor der Auswechselbank des FC Bayern: "Ach du sch ...!". Stingl steht nicht auf, sondern windet sich vor Schmerzen. Carlo Ancelotti kommt auf mich zu. Ich entschuldige mich leicht panisch. Ancelotti meint nur kurz: "It wasn't your fault". Stingl steht wieder auf. Puh, durchatmen. Handshake und nochmalige Entschuldigung und weiter geht's.
Minutiöse Ablaufplanung
Es ist ein Spiel, von dem man als eingefleischter Bayern-Fan träumt und doch wird es nicht als das Spiel des Lebens in Erinnerung bleiben. Warum? Das liegt zum einen klar am sportlichen Anreiz, zum anderen aber auch an den Bayern, die den Trip nach Niederbayern wohl nur als müßige Verpflichtung angesehen haben.
Der FC Bayern kommt und das muss natürlich hoch professionell ablaufen. Keine Frage. In der Vorbereitung auf die Partie bekommt jeder Spieler eine dreiseitige Erklärung zu den Verhaltensrichtlinien gegenüber den Profis. Selfies und Autogramme vor dem Spiel sind untersagt. Klar, verständlich.
Die Bayern stellen auch einige Forderungen an den gastgebenden Verein. Dazu zählen unter anderem mehrere Spinning-Räder, Massage-Liegen, Eistonnen und 80 Kilogramm Crushed Ice für die optimale Regeneration der Stars.
Doch die minutiöse Zeitplanung, wann sich wer wo aufstellt, ist für einen Verein aus der Landesliga dann doch ungewohnt und stellt für die Verantwortlichen auch eine große Herausforderung dar. Durch die Schweigeminute nach den fürchterlichen Ereignissen in München einen Tag zuvor, war dieser Ablauf sowieso hinfällig.
Traumduo Alaba und Ribery
Aber nun zum Wichtigsten: zum Geschehen auf dem Platz. Das erste Wow-Erlebnis ist natürlich, wenn man zum Aufwärmen den Rasen betritt. Ins sonst spärlich besetzte ebm-papst-Stadion sind 8500 Leute gekommen. Richtig geiles Gefühl für einen Landesligakicker. Dazu noch einen Beiner geschoben beim Kreiserl. Läuft. Doch den Ball werden wir die nächsten 90 Minuten nicht oft sehen.
Obwohl viele Spieler aus der zweiten Mannschaft dabei sind, läuft die Münchner Ballzirkulation perfekt und auf der linken Seite spielt ja noch ein Traumduo, das sich blind versteht. Franck Ribery und David Alaba spielten unsere Abwehr das ein oder andere Mal schwindelig.
Nicht verwunderlich, aber doch extrem beeindruckend, wenn man die Kommunikation der beiden verfolgte. Die kleinen Kommandos werden auf Französisch übermittelt. Dazu pfeifen beide, haben also direkt eine eigene "Sprache" entwickelt, und wissen dadurch immer wieder, wo der andere steht.
Lustlosigkeit spürbar
Hinzu kommt das enorme Tempo der Bayern, die natürlich längst nicht ihre maximale Leistungsqualität abgerufen haben. Aber allein Riberys Antritt ... da hast du fast keine Chance. Und dann hinterläuft auch noch der nicht minder schnelle Österreicher. Interessant hautnah zu erleben, aber einmal reicht dann doch.
Und das schien sich auch Ribery zu denken. Die Lustlosigkeit wurde ab der 15. Minute immer deutlicher spürbar. Das vermehrte Abwinken nach schlechten, weil zu ungenauen Pässen der jungen Nachwuchskräfte, häufte sich zusehends.
Gleich ab in die Kabine
Nach einem Tor in Hälfte eins durfte Ribery zur Pause seinen Arbeitstag beenden. Nur Alaba und Starke waren nach dem Pausentee noch im Einsatz. Ab der 60. Minute stand mit dem Keeper nur mehr ein Profi auf dem Platz. Die heimischen Fans hätten ihre Idole doch gern ein bisschen länger gesehen - vielleicht auch über den Schlusspfiff hinaus, so der Tenor der Anhänger.
Denn sofort nach dem Schlusspfiff verschwanden sie in der Kabine. Keine kurze Runde für die Fans, keine Fotos oder Autogramme. Nur für die Spieler und Betreuer nahmen sich die Profis kurz Zeit.
Philipp Lahm saß zu diesem Zeitpunkt bereits im Mannschaftsbus. Es sei ihm verziehen. Der Kapitän und auch Carlo Ancelotti zeigten sich nämlich im Spielertunnel und Kabinengang von ihrer lockeren Seite. So nahbar, wie der Weltmeister-Kapitän und der Star-Coach waren nicht alle.
Zufriedenstellendes Endergebnis
Was bleibt also von diesem besonderen Tag? Das Endergebnis kann sich unter Strich sehen lassen. Nur 0:3 gegen die Bayern verloren. Manch ein Bundesliga-Gegner würde dieses Resultat womöglich sofort unterschreiben.
Und für einen selbst war es ein Genuss, diese Atmosphäre einmal aufzusaugen. Einmal in Berührung mit den Stars zu kommen, einmal den Klasse-Unterschied aus nächster Nähe aufgezeigt zu bekommen. Und eines steht auf alle Fälle fest: Die dritte Halbzeit haben wir gewonnen!
Alles zum FC Bayern