Weit über 700 Fußballspiele hat der 60-jährige Dieter Hecking in seiner im Sommer 2000 beim SC Verl begonnenen Karriere als Trainer schon gecoacht. Seit 25 Tagen ist er nun Übungsleiter beim VfL Bochum - und erlebt dort derzeit ein echtes Novum für ihn.
Innerhalb von nur drei Wochen zweimal denselben Spieler zu suspendieren, das hat Hecking noch nie tun müssen. Doch Aliou Baldé hat es jetzt erneut erwischt, die genauen Gründe ließ der Trainer jedoch vorerst im Dunkeln.
"Aliou fehlt erneut, da war wieder ein Vorfall, der mir nicht gefallen hat", begründete Hecking die Maßnahme, den erst im Sommer per Leihe von OGC Nizza verpflichteten Außenbahnspieler bei der kommenden Bundesligabegegnung beim FC Augsburg nicht in den Kader mit aufzunehmen. "Es sind disziplinarische Gründe. Es ist so, dass er schon vor meiner Zeit disziplinarische Probleme gehabt hatte. Jetzt war leider wieder ein Vorfall, der mir gar keinen Spielraum ließ. Von daher ist er erst einmal außen vor."
Die Bild will aus VfL-Kreisen erfahren haben, dass es sich um eine "seichte Geschichte" handelt. Aus dem Umfeld des Spielers wiederum sei zu vernehmen, dass von einer erneuten Verfehlung nichts bekannt sei und vielmehr der Umgang des Klubs mit Baldé für Unfrieden sorge.
Aliou Baldé beim VfL Bochum suspendiert: "Die Ausrede war halt schlecht"
Die Zeit des für ein Jahr Ausgeliehenen an der Castroper Straße steht also überhaupt nicht unter einem guten Stern. In der Startelf tauchte Baldé seit seinem Wechsel noch gar nicht auf, erst auf fünf Einwechslungen und eine Einsatzzeit von insgesamt 87 Minuten kann er zurückblicken. Torbeteiligungen sind Fehlanzeige, seit Spieltag sechs schafft er es nicht mehr in den Kader für die Wochenenden.
Dabei hätte ja der Trainerwechsel von Peter Zeidler zu Hecking auch für ihn eine neue Chance bedeuten können. Selbst Hecking ließ die Tür nach der ersten Undiszipliniertheit offen und sprach damals noch über die genauen Hintergründe, weshalb er Baldé nach nur wenigen Tagen im Amt für sein Debüt gegen Leverkusen aus dem Kader warf.
"Baldé ist ein junger Spieler. Da ging es auch nicht ums Zuspätkommen, die Ausrede war halt schlecht", sagte Hecking im "Doppelpass" von Sport1, nachdem der 21-Jährige nicht pünktlich zur zweiten Trainingseinheit unter dem neuen Coach erschien. "Wenn er sagt, er hat keine Handynummer von irgendjemandem im Verein, den er da anrufen kann, dass er mit seinem Auto liegengeblieben ist, dann ist das für mich sehr naiv. Dann muss ein junger Spieler auch spüren: Das geht nicht, nirgendwo, in keinem Unternehmen und auch bei uns nicht", machte Hecking klar.
Fünf Vereine in zwei Jahren: Aliou Baldé und seine bewegte Vita
Baldé durfte tags darauf "natürlich" wieder im Training mittun, erklärte Hecking und begründete seinen Entscheid: "Das ist auch ein Zeichen an die anderen Spieler: Passt auf, ihr habt einen gewissen Spielraum, in dem ihr euch sehr gut bewegen könnt, aber wer den Spielraum verlässt, sollte nicht zu lange raus sein."
Im August schwärmten sie noch in Bochum vom achten Neuzugang des Sommers, der mit der Nationalmannschaft Guineas an den Olympischen Spielen teilgenommen hatte und für den man nach Saisonende auch eine Kaufoption hält. "Aliou ist ein kreativer Offensivspieler, der mit seiner außergewöhnlichen Explosivität und Schnelligkeit sowie seinem starken offensiven Eins-gegen-Eins spielentscheidende Situation kreieren kann. Er hat sein fußballerisches Talent bereits auf hohem Niveau unter Beweis gestellt und besitzt trotzdem noch eine Menge Entwicklungspotenzial", wurde der mittlerweile nicht mehr amtierende Sportdirektor Marc Lettau zitiert.
Baldé ist in der Tat schon in kurzer Zeit viel herumgekommen, seit er im Januar 2021 mit 18 Jahren aus seinem Geburtsland Senegal zu Feyenoord Rotterdam wechselte. Ein Jahr später folgte erstmals eine Leihe zum SK Beveren nach Belgien. Danach lieh man ihn zum FC Dordrecht in die 2. niederländische Liga aus, wo er mit acht Treffern in 15 Partien erstmals nachhaltig auf sich aufmerksam machte.
Trennt sich der VfL Bochum vorzeitig von Aliou Baldé?
Sofort griff der FC Lausanne-Sport zu und kaufte Baldé im Januar 2023. In der Schweiz hielt er seine gute Form und kam auf elf Torbeteiligungen (sieben Treffer, vier Vorlagen) in 20 Pflichtspielen. Und da sowohl Lausanne, als auch Nizza zum Kosmos des von Manchester United bekannten Chemiekonzerns Ineos gehören, tauschte Baldé bereits sechs Monate später erneut das Trikot.
Bis 2028 steht Baldé an der Cote d'Azur noch unter Vertrag. Als "bereit für die Ligue 1" hatte ihn Nizzas Sportchef Florent Ghisolfi bezeichnet, Baldé sei "vor dem Tor sehr gut". Seit er dort jedoch unterschrieb, geht es für ihn bergab.
In seiner ersten Saison stellte ihn der damalige Trainer Francesco Farioli kein einziges Mal in die Anfangsformation, am Ende standen lediglich neun Kurzeinsätze über durchschnittlich elf Spielminuten zu Buche. Das Debüt als A-Nationalspieler für Guinea im vergangenen Juni sowie das Highlight Olympia, wo Baldé in allen drei Partien 90 Minuten lang auf dem Platz stand, sollten der Rückenwind sein, um in Bochum schnell zur Verstärkung zu werden.
Stattdessen steht der mittlerweile fünfmalige Nationalspieler vor dem vorzeitigen Aus nach nicht einmal sechs Monaten. Angesichts der beiden Vorfälle unter Hecking haben sich die Chancen drastisch erhöht, dass die Bochumer die Leihe im Wintertransferfenster vorzeitig beenden. Denn dass das aktuelle Enfant terrible der Bundesliga dem Tabellenletzten noch einmal bedeutsam weiterhelfen wird, daran glaubt wohl selbst der erfahrene Trainer nicht mehr.
Aliou Baldé: Die Stationen seiner Profikarriere
Zeitraum | Verein | Pflichtspiele | Tore | Vorlagen |
2021-2023 | Feyenoord Rotterdam | 5 | - | 1 |
2022 | SK Beveren (Leihe) | 7 | - | 1 |
2022-2023 | FC Dordrecht (Leihe) | 16 | 8 | - |
2023 | FC Lausanne-Sport | 20 | 7 | 4 |
2023-2024 | OGC Nizza | 9 | - | - |
seit 2024 | VfL Bochum (Leihe) | 5 | - | - |