Borussia Dortmund ist am Mittwoch offiziell in die Saison gestartet und es ist vieles neu bei den Westfalen. Erstmals seit dem Jahr 2007 steht nach den Abgängen von Mats Hummels und Marco Reus kein Spieler mehr im Kader, der die siebenjährige Erfolgsära unter Jürgen Klopp erlebte. Nun ist Julian Brandt der dienstälteste Profi beim BVB, seit 1838 Tagen trägt er das schwarz-gelbe Trikot.
Die Klopp-Schüler stehen dafür nun am Seitenrand. Cheftrainer Nuri Sahin hat sich mit Lukasz Piszczek verstärkt, den der Ex-Coach einst durch seine vollendete Umschulung zum Rechtsverteidiger erst zu dem machte, was er heute ist. Und dann ist da natürlich noch das neue Funktionärsgespann. Zu Sportdirektor Sebastian Kehl gesellten sich Geschäftsführer Sport Lars Ricken sowie Kaderplaner Sven Mislintat und beobachteten am Donnerstag den Trainingsauftakt des BVB.
Dabei war das zu sehen, was schon nach Sahins Wechsel im vergangenen Winter zu sehen war: Der neue Chefcoach leitet die Einheiten lautstark an, unterbricht, korrigiert, motiviert, ist fast permanent in Aktion. Das war unter Vorgänger Edin Terzic noch etwas anders, er begab sich häufiger in die Beobachterrolle.
"Er macht einen sehr guten Eindruck auf mich, ist sehr motiviert, sehr engagiert, wir tauschen uns jeden Tag mehrere Male aus. Ich spüre, wie viel Lust Nuri auf diese Aufgabe hat. Da wächst etwas zusammen, da entsteht eine enge Verbindung zwischen allen. Daran arbeiten wir", sagte Kehl der Funke Mediengruppe.
BVB: Es bleiben Baustellen im Kader
Am Ende werden das freilich gleichgültige Kinkerlitzchen sein. In welcher Manier auch immer er sie bewältigt, vor Sahin liegt ein Haufen Arbeit. Und das nicht nur deshalb, weil man eventuell neue Überlegungen im Sturm anstellen muss, nachdem bei Wunschspieler Serhou Guirassy beim Medizincheck eine Verletzung erkannt wurde und dieser schließlich wieder unverrichteter Dinge aus Dortmund abreisen musste.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es mit Guirassy letztlich doch noch klappt, liegt im Moment aber jedenfalls höher als jene, dass der BVB auch den nächsten Umbruch erfolgreich bewältigt. Der Transfer von Waldemar Anton ist bereits bekannt, in Bälde sollen auch Pascal Groß für das zentrale und Rayan Cherki für das offensive Mittelfeld zum Team stoßen.
Auf dem Papier klingt das alles ganz gut, doch aktuell bleiben noch Baustellen im Kader. Auf den Außenbahnen der Viererkette drückt der Schuh gewaltig. Nach den ablösefreien Abgängen von Marius Wolf und Dauer-Patient Mateu Morey hat Julian Ryerson als Rechtsverteidiger noch weniger Konkurrenz als zuvor, nämlich gar keine.
BVB: Über allem steht Nuri Sahins Idee von Fußball
Gleiches gilt auf der anderen Seite. Die Linksverteidigerposition besetzen derzeit Ramy Bensebaini und der von einer sehr ordentlichen Leihe bei Bundesliga-Aufsteiger Holstein Kiel zurückgekommene Tom Rothe. Jedoch: Bensebaini trainierte am Donnerstag nach seiner monatelangen Pause aufgrund einer Innenbandverletzung im Knie noch individuell - und Rothe hat bisher 177 Minuten Bundesliga-Erfahrung auf dem Buckel.
Dazu ist bei dem 19-Jährigen ein weiteres Leihgeschäft noch nicht vom Tisch ist. Hier benötigt die Borussia also dringend und idealerweise baldmöglichst hochkarätige Verstärkung, die freilich auf diesen sehr gesuchten Positionen nicht nur rar gesät ist, sondern auch kostspielig werden kann.
Über allem steht aber die Idee von Fußball, die Sahin bei seinem Team implementieren möchte. Unter Terzic war diese nur selten zu erkennen, vor allem war sie nicht besonders attraktiv. "Mutig und offensiv" wolle man künftig spielen, kündigte Ricken beim TV-Sender Phoenix an: "Es geht um die Haltung. Wie wollen wir Fußball spielen? Was bieten wir den Fans an? Wir müssen es schaffen, dass wenn die Fans das Stadion verlassen, sie sich schon wieder auf das nächste Spiel freuen."
Ex-Spieler: "Nuri Sahin hat einen klaren Fußballplan"
Hier lag in den vergangenen Jahren häufig der Hund begraben: Nach einem guten Auftritt wurden Hoffnungen geweckt, die die wankelmütige Mannschaft eine oder zwei Wochen später aber sofort wieder mit rätselhaftem Gekicke einriss. Darum muss Sahins Fußball in erster Linie nicht in Schönheit sterben. Die Anhänger würden es gewiss verzeihen, wenn stattdessen endlich eine größere Konstanz über den gesamten Saisonverlauf Einzug erhält.
Dass sich in der Zeit, in der Sahin nun als Coach beim BVB arbeitet, etwas zum Besseren gewendet hat, ist offensichtlich. Nach der ernüchternden Hinrunde stabilisierte sich Dortmund. Gerade der Spielaufbau und die offensiven Abläufe, für die der einstige Nationalspieler verantwortlich zeichnete, funktionierten fortan häufiger. "Das liegt auch an den Co-Trainern Nuri Sahin und Sven Bender", hatte es Hummels in seinem Aufsehen erregenden Interview vor dem Champions-League-Finale klar benannt.
Welchen Ansatz Sahin als alleinverantwortlicher Coach wählt, wird in den nächsten Tagen Gegenstand interessanter Beobachtungen. Der Ex-Bochumer Gerrit Holtmann, der unter Sahin beim türkischen Erstligisten Antalyaspor spielte, sagte der Funke Mediengruppe: "Nuri Sahin hat einen klaren Fußballplan. Er setzt auf Ballbesitz und rotiert ganz viel im Spiel. Die Außenspieler gehen in die Mitte, der Sechser geht nach außen, der Außenverteidiger steht hoch. So soll der Gegner verwirrt werden. Nuri möchte über schnelle Außen vor das Tor kommen und bindet seinen Stürmer mit ins Spiel ein. Sein System war bei uns 4-2-3-1 und 4-3-3. Beim Pressing kommt es auf die Situation an. Manchmal muss man sich fallen lassen, wenn man ausgespielt wird. Aber er setzt auf schnelle Ballgewinne und ein schnelles Umschaltspiel."
BVB: Nuri Sahin mit hoher Glaubwürdigkeit
Das hört sich hinsichtlich des Spiels gegen den Ball schwer nach Klopp an. Unter diesem hatte der BVB ein stabiles Gerüst an Führungsspielern und jungen, unbekümmerten Akteuren. Youngster wie Jamie Bynoe-Gittens und Youssoufa Moukoko, die zuletzt auf der Stelle traten, sollte Sahin zu einem Sprung in ihrer Entwicklung verhelfen.
Als ehemaliger Profi, der eine hohe Identifikation mit der Borussia aufweist und selbst unter hochkarätigen Trainern arbeitete, verfügt der mit 35 Jahren nun jüngste Coach der Bundesliga auf jeden Fall über eine hohe Glaubwürdigkeit bei den Profis. Und das Kicken hat er auch nicht verlernt: Als das erste Training unter ihm beendet war, suchte Sahin kurz das Gespräch mit Karim Adeyemi - und donnerte dann vor dessen Augen wie beabsichtigt einen Ball aus der Distanz mit großer Selbstverständlichkeit an die Latte eines Tores.
BVB: Der Sommerfahrplan von Borussia Dortmund
Datum | Ereignis |
10. Juli | Trainingsstart |
12. Juli | Traumspiel |
17. Juli | Testspiel gegen Erzgebirge Aue |
19. Juli | Asien Tour |
21. Juli | Testspiel gegen BG Pathum United in Thailand |
24. Juli | Testspiel gegen Cerezo Osaka in Japan |
25. Juli | Rückflug nach Deutschland |
28. Juli bis 6. August | Trainingslager in Bad Ragaz, Schweiz |
6. August | Testspiel gegen Villarreal |
10. August | Testspiel gegen Aston Villa |
17. August | Erstrundenspiel im DFB-Pokal gegen Phönix Lübeck |