Einmal sportlich unbedeutend, einmal extrem wichtig - zwei Pflichtspiele hat Borussia Dortmund in der Saison 2023/24 noch vor der Brust. Der Kontrast zwischen den Partien könnte nicht größer sein.
Am Samstag gastiert mit dem SV Darmstadt 98 der abgeschlagene Tabellenletzte beim BVB. Dieses Duell wird emotional werden, schließlich ist es das letzte Heimspiel von Marco Reus im Dortmunder Trikot. Und zugleich eine Generalprobe für das Champions-League-Endspiel in London gegen Real Madrid zwei Wochen später.
Trotz der beiden noch ausstehenden Begegnungen lässt sich bereits jetzt ein Fazit zu den Neuzugängen ziehen, die in dieser Spielzeit zu den Schwarz-Gelben gestoßen sind. SPOX hat die sechs Spieler gerankt.
Platz 6: Felix Nmecha
- Kam von: VfL Wolfsburg
- Modalitäten: 30 Millionen Euro Ablösesumme, Vertrag bis 2028
"Es ist auch ein klares Zeichen, dass man einem Spieler Zeit geben muss, bis er sich in die Abläufe integriert hat", sagte BVB-Boss Hans-Joachim Watzke vor einem Monat nach dem 4:2-Sieg in der Königsklasse gegen Atlético Madrid. Gemeint hatte er damit Marcel Sabitzer. Felix Nmecha saß in dieser Partie 90 Minuten auf der Bank.
Der Mittelfeldspieler hat bislang nicht annähernd das abgerufen, was man sich von ihm vorgestellt hat. Zwar sollte nicht vergessen werden, dass der 23-Jährige eine von zahlreichen Verletzungen und Wehwehchen durchzogene Saison erlebte. Zwischenzeitlich fehlte er rund vier Monate lang aufgrund von Hüftproblemen.
Hin und wieder blitzte Nmechas Potential durchaus auch auf, wenn er mit großen, raumgreifenden Schritten agierte oder sich durch kluge, schnelle Wendungen Platz in den direkten Duellen verschaffte. Doch meist war in seinen 28 Auftritten (zwei Tore, zwei Vorlagen) weitaus mehr Schatten als Licht.
Felix Nmecha beim BVB: Alles nur eine Frage der Zeit?
Zuletzt gegen Mainz sah man Nmecha seine fehlende Fitness an. Teils trabte er wie ein Fremdkörper nur nebenher, zusammen mit seiner kaum vorhandenen Körperspannung ergab dies den Eindruck der Teilnahmslosigkeit. Weder in der Defensive noch im Spiel nach vorne konnte er Akzente setzen.
So bleibt Nmecha ein großes Rätsel, das aber offenbar bald gelöst scheint, wenn man Terzics Prognose Glauben schenkt. Der Coach sagte nach dem Spiel in der Woche zuvor gegen Augsburg, in dem Nmecha sein erstes Bundesligator für die Borussia gelang, dass es "nur eine Frage der Zeit" sei, ehe der Mittelfeldspieler seine "unglaublichen Fähigkeiten konstant über 90 Minuten und alle drei Tage abrufen wird".
Platz 5: Ramy Bensebaini
- Kam von: Borussia Mönchengladbach
- Modalitäten: Ablösefrei, Vertrag bis 2027
Derartige Versprechungen hat Terzic über Bensebaini noch nicht von sich gegeben. Das würde auch verwundern, schließlich erlebte der Linksverteidiger eine ähnlich schwache Saison wie Nmecha - kam aber immerhin kostenlos zum BVB.
Der Algerier war mangels Alternativen in der Hinrunde gesetzt. Highlights lieferte er nur auf negative Art: In Hoffenheim sah er eine hirnrissige Gelb-Rote-Karte wegen Ballwegschlagens, die Terzic anschließend als "völlig unnötig" geißelte. Drei Wochen später zeigte Bensebaini eine fürchterliche Vorstellung gegen Eintracht Frankfurt - und saß im anschließenden Topspiel gegen den FC Bayern die komplette Spielzeit über auf der Bank.
Da klar war, dass Bensebaini mit seinem Heimatland um den Afrika Cup spielen wird, musste sich die Borussia im Winter um eine Alternative kümmern, da auch Julian Ryerson verletzt ausfiel und sonst links in der Viererkette hätte helfen können. Mit Ian Maatsen gelang dies dem BVB bravourös.
BVB: Ramy Bensebaini ist für seinen Absturz selbst verantwortlich
Seit dessen Ankunft in Dortmund kam Bensebaini noch auf vier Kurzeinsätze über 28 Spielminuten. Ende März zwang ihn schließlich eine Innenbandverletzung zum vorzeitigen Saison-Aus. Viel bitterer hätte es für ihn gewiss kaum laufen können, doch für seinen vehementen Absturz waren in erster Linie schon seine eigenen Leistungen verantwortlich.
Zur neuen Saison kehrt womöglich Leihspieler Tom Rothe von Holstein Kiel zurück, eventuell wird auch Maatsen weiterhin im Kader stehen. Die Luft ist für Bensebaini im Rekordtempo sehr dünn geworden. Eine weitere Spielzeit wie die aktuelle kann er sich nicht erlauben, wenn er eine Zukunft beim BVB haben möchte.
Platz 4: Jadon Sancho
- Kam von: Manchester United
- Modalitäten: Leihe bis Saisonende
Besser hätte Sanchos Rückkehr zum BVB nicht verlaufen können - bereits nach seiner ersten Einwechslung legte er in Darmstadt für seinen guten Kumpel Reus ein Tor auf. Anschließend und seitdem wurde jedoch offensichtlich, dass der Sancho der Gegenwart nichts mehr mit dem der Vergangenheit zu tun hat.
Gewiss, der Engländer besitzt weiterhin außerordentliche Fähigkeiten. Allzu regelmäßig brachte er sie allerdings noch nicht auf den Platz, was angesichts seiner Vorgeschichte bei ManUnited und mehreren Monaten ohne Wettkampfpraxis nicht verwundert. Sancho braucht Zeit, auch jetzt noch, das hatten die Verantwortlichen der Borussia schier gebetsmühlenartig wiederholt.
Bei Jadon Sancho zeigt der Trend klar nach oben
Fünf Torbeteiligungen in aktuell 18 Pflichtspielen sind daher solide, seine beiden Treffer in Bremen und Leipzig waren Extraklasse. Pluspunkte sammelte Sancho durch die größere Seriosität, die der 24-Jährige mittlerweile an den Tag legt. Er ist professioneller geworden, auf dem Feld hat sich sein Defensivverhalten merklich verbessert.
In den vergangenen Spielen zeigte sich, dass Sancho mit zunehmender Dauer in der Tat immer besser wird. Er bindet mehr Gegenspieler und trifft häufiger richtige Entscheidungen. Der Trend zeigt klar nach oben, die regelmäßige Spielpraxis tut ihm wenig überraschend gut. Sancho würde dem BVB-Kader in der neuen Saison sicherlich helfen. Ob er eine Zukunft in Dortmund hat, könnte zu einer Hängepartie zwischen den beiden Verhandlungspartnern ausarten.
Platz 3: Ian Maatsen
- Kam von: FC Chelsea
- Modalitäten: Leihe bis Saisonende
376 Einsatzminuten hatte Maatsen im ersten Halbjahr der Saison bei den Blues bekommen, nur dreimal stand er dort in der Startelf. Beim BVB vergingen nach seinem Debüt keine vier Wochen, da hatte der Linksverteidiger schon mehr Minuten auf der Uhr.
Dortmund schmiss Maatsen sofort ins kalte Wasser, was aufgrund von Bensebainis Abwesenheit auch alternativlos war. Der Niederländer wurde zudem zu einer Art Fixpunkt in der zuvor extrem durchschaubaren Spielauslösung der Borussia. Maatsen schob von links hinten zentral ins Mittelfeld vor und half dem Spielvortrag durch seine Ballfertigkeiten, Flexibilität und Dynamik.
Trainer Terzic stellte Maatsen in jedem seiner Spiele in die Anfangsformation. Dieser dankte es ihm mit größtenteils blitzsauberen Leistungen, die so nicht unbedingt zu erwarten waren - gerade, wenn man bedenkt, wie wenig Rhythmus und Form er in London aufnehmen konnte.
Ian Maatsen erwies sich für den BVB als echte Verstärkung
Zwar sah man Maatsen in den ersten Champions-League-Spielen seiner Karriere durchaus an, dass er mit dem Top-Niveau noch sehr zu kämpfen hat. Doch der 22-Jährige, der im Rückspiel gegen Atlético das wichtige 2:0 schoss, stabilisierte sich nach und nach.
Maatsen erwies sich somit als echte Verstärkung. Eine Kaufoption besitzen die Westfalen für ihn nicht, wie bei Sancho wird es im Sommer also auf eine neue Verhandlungsrunde hinauslaufen müssen. Dass ihn der BVB gerne behalten möchte, möglicherweise mit Hilfe einer erneuten Leihe, ist ausgemachte Sache.
Platz 2: Marcel Sabitzer
- Kam von: FC Bayern München
- Modalitäten: 19 Millionen Euro Ablösesumme, Vertrag bis 2027
"Er hat in den letzten Spielen schon das angedeutet, warum wir ihn geholt haben. Er ist überragend", lautete das vollständige Watzke-Zitat, das bei Nmecha bereits erwähnt wurde. Die Entwicklung des Österreichers ging besonders im Jahr 2024 steil nach oben.
Dabei hatte Sabitzer, wie auch Nmecha, zum Saisonstart mit den Nachwirkungen einer Verletzung zu kämpfen. Zudem kam er recht spät zum Team, so dass er im ersten halben Jahr noch nicht vollends auf der Höhe sein konnte. Sabitzer spielte eine solide, aber keineswegs überzeugende Hinrunde für den BVB.
Marcel Sabitzer beim BVB: Großer Sprung im Jahr 2024
Das änderte sich radikal im zweiten Saisonabschnitt. Sabitzer ist seitdem topfit, gehört zu den laufstärksten Borussen und ist in Ballbesitz als Achter ein wichtiger Faktor in den Offensivbemühungen. Im Rückspiel gegen Atlético hatte Sabitzer bei drei der vier Treffer seine Füße im Spiel. 15 Torbeteiligungen in 38 Pflichtspielen sind ein starker Wert.
Doch gerade auch sein Fleiß gegen den Ball ist bemerkenswert. Sabitzer reißt viele intensive Läufe ab, erobert zweite Bälle und strahlt viel Lust aufs Verteidigen aus. In dieser Form und mit diesen Qualitäten ist der 30-Jährige auf einem sehr guten Weg, ein Fixpunkt in der Dortmunder Mannschaft der kommenden Jahre zu werden.
Platz 1: Niclas Füllkrug
- Kam von: SV Werder Bremen
- Modalitäten: 17 Millionen Euro Ablösesumme, Vertrag bis 2026
41 Pflichtspiele, 15 Tore, zehn Vorlagen - in der Torjägerliste der Bundesliga belegt Füllkrug derzeit zwar nur den geteilten neunten Platz, doch er ist Dortmunds bester Torschütze. Sein Transfer hat sich vollauf gelohnt.
Sébastien Haller durchlebte die gesamte Runde über eine schwere, von Erschöpfung und Verletzungen geplagte Zeit. Youssoufa Moukoko hat zwar viel Talent, die Rolle als Stürmer Nummer eins wäre für ihn aber wohl nur schwer zu schultern gewesen. Die Verpflichtung von Füllkrug war also dringend notwendig.
Der 31-Jährige, der am letzten Tag der Transferperiode und somit maximal spät zur Mannschaft stieß, benötigte zwar etwas Anlaufzeit und hatte zwischendurch auch immer mal Phasen, in denen er vollkommen durchging und torlos blieb. Doch Füllkrug bewies stets enormen Willen und zeigte wie die gesamte Mannschaft in der Champions League, dass er auf diesem höheren Niveau durchaus abliefern kann.
BVB: Niclas Füllkrug mit fast so vielen Vorlagen wie Toren
Die körperliche Präsenz des Stürmers, bei der Ballbehauptung und - weiterleitung sowie im Luftkampf, erwies sich als enorm wichtig für das Spiel des BVB. Füllkrug vollstreckt nicht nur, die annähernd gleiche Anzahl an Vorlagen belegt auch, dass er unter Druck erstklassige Entscheidungen treffen kann.
Der BVB wird nach den Erfahrungen dieser Spielzeit sein Gesicht im Angriff verändern müssen. Haller und Moukoko sind unzufrieden - daran haben Füllkrugs Leistungen einen entscheidenden Anteil. Die Nummer eins im Dortmunder Sturm zu bleiben, sollte zur kommenden Spielzeit ein neuer Konkurrent verpflichtet werden, dürfte die nächste große Herausforderung in der Entwicklung von Füllkrugs erstaunlicher Karriere sein.
BVB: Das Restprogramm von Borussia Dortmund
Spieltag | Datum | Uhrzeit | Heim | Gast |
34 | Sa., 18.5.24 | 15:30 | Borussia Dortmund | Darmstadt 98 |
CL-Finale | Sa., 1.6.24 | 21:00 | Borussia Dortmund | Real Madrid |