BVB-Bosse dürfen sich vom CL-Finale nicht blenden lassen
Eines vorweg: Niemand sollte sich mehr von Borussia Dortmund überraschen lassen. Dieser Klub ist seit nun mehreren Jahren derart wankelmütig, dass absolut nichts unmöglich scheint. Siehe das neueste Kapitel aus der langen Liste an Beispielen: Nur vier Tage nach dem sensationellen Einzug ins Finale der Champions League legte der BVB beim 1. FSV Mainz 05 eine Vorstellung fernab jeglicher Seriosität an den Tag.
"Wir müssen die beiden Dinger gewinnen", forderte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke noch am Dienstag euphorisiert in Paris im Hinblick auf die zwei noch ausstehenden Bundesligaspiele. "Am Samstag geben wir 110 Prozent", verkündete Nico Schlotterbeck auf seinem Instagram-Kanal und Trainer Edin Terzic sah, dass das viel zitierte Momentum in den vergangenen Wochen "auf unsere Seite gekippt" ist.
Freilich, die Dortmunder Elf in Mainz hatte nichts mehr mit jener gegen PSG unter der Woche zu tun. Auf zehn Positionen veränderte Terzic die Mannschaft, wie er es schon in der Vorwoche beim 5:1-Heimsieg gegen Augsburg tat. Aber auch innerhalb dieser Zeitspanne zeigt sich die Ambivalenz der Borussia: Was gegen den FCA in nahezu identischer Besetzung noch gelang, missriet beim FSV komplett.
BVB und die B-Elf in Mainz: Eine behäbige Vorstellung
Immerhin war die peinliche Darbietung am Samstagabend für die Verantwortlichen besonders aussagekräftig. Terzic wollte "Chancen verteilen", sagte er mit Blick auf die erneut große Rotation in der Aufstellung - doch nicht ein einziger Spieler nutzte seine Gelegenheit. Und dies, obwohl in Bälde das größtmögliche Spiel auf Vereinsebene stattfindet und man sehr gut Werbung in eigener Sache hätte machen können.
Doch Akteure wie Marius Wolf, Mateu Morey, Salih Özcan, selbst hochkarätige Einkäufe wie Niklas Süle und Felix Nmecha oder auch potentielle Wembley-Startelfkandidaten wie Donyell Malen und Jamie Bynoe-Gittens traten fast vollends ohne Hunger, Willen und Leidenschaft auf. Dabei waren es genau diese Attribute, die Dortmunds Lauf in der Königsklasse ermöglicht hatten.
Einige der Genannten haben beim BVB keine Zukunft mehr. Für sie, die sonst meist auf der Bank schmoren, wäre es eine seltene Möglichkeit gewesen, um sich für andere Klubs zu empfehlen. Stattdessen lieferten sie eine derart behäbige Vorstellung ab, dass man beinahe an der nötigen Einstellung zu ihrem Beruf zweifeln müsste.
BVB-Leistung in Mainz dem Verein nicht würdig
"Das war eine scheiß Leistung von uns. Man kann nicht sagen, dass einer von uns seine Chance genutzt hat", fasste der heillos überforderte Özcan treffend zusammen. Eine Erklärung für den Auftritt falle ihm schwer, meinte Terzic, der von einem "sehr bitterer Abend für uns" sprach.
Die fragwürdige Art und Weise, mit der die Dortmunder in Mainz bei einem für den Kampf um den Klassenerhalt noch sehr wichtigen Spiel über den Rasen schlürften, ohne jegliche Aktivität und Energie, wird man gewiss auch an anderen Standorten registriert haben. Selbst für neutrale Beobachter oder jene, die mit ihren Teams nicht (mehr) mit dem Abstiegskampf zu tun haben, dürfte die Leistung des vor ein paar Tagen noch deutschlandweit gefeierten BVB ein Ärgernis gewesen sein.
Mit einer solchen Darbietung verspielt die Borussia Sympathien. Die neue sportliche Führung um Lars Ricken, Sportdirektor Sebastian Kehl und Kaderplaner Sven Mislintat sollte sich bei der künftigen Zusammenstellung der Mannschaft nicht vom glorreichen Auftritt auf internationaler Ebene blenden lassen. Das, was der BVB am 33. Spieltag aufführte, war unabhängig von der Besetzung des Vereins nicht würdig - und "leider das Gesicht, was wir in dieser Saison viel zu häufig gezeigt haben", haderte Terzic.
BVB: Fremdkörper Felix Nmecha ist ein großes Rätsel
Noch zwei Partien sind zu bestreiten, dann ist die erste Saison von Felix Nmecha im Trikot des BVB zu Ende. Es ist davon auszugehen, dass in diesen 180 Minuten nichts Bahnbrechendes mehr passieren wird, sodass man bereits jetzt ein erstes Fazit zum 30 Millionen Euro teuren Neuzugang ziehen kann.
Dieses kann und muss nur auf eine Weise ausfallen: Nmecha hat nicht annähernd das abgerufen, was man sich von ihm vorgestellt hat. Wobei genau dies die Crux an der Sache ist: Was hat man sich beim BVB überhaupt bei Nmecha vorgestellt?
Natürlich darf man nicht ausblenden, dass der 23-Jährige eine von zahlreichen Verletzungen und Wehwehchen durchzogene Saison erlebte. Auch wäre er bei weitem nicht der erste teure Neueinkauf, der über ein Jahr Zeit benötigt, um mit dem erhöhten Niveau und Druck bei der Borussia klarzukommen. Er kann für die Höhe der Ablösesumme zwar nichts, aber er muss nun eben auch damit umgehen können, dass die Bemessungsgrundlage seiner Leistungen eine kritischere ist als bei einigen seiner preisgünstigeren Kollegen - so läuft das Geschäft.
Felix Nmecha beim BVB: Wann tritt Edin Terzics Prognose ein?
Hin und wieder blitzte Nmechas Potential durchaus auf, wenn er mit großen, raumgreifenden Schritten agierte oder sich durch kluge, schnelle Wendungen Platz in den direkten Duellen verschaffte. Doch meist war in seinen bislang 28 Auftritten weitaus mehr Schatten als Licht.
So auch gegen Mainz, wo er zum dritten Mal in Folge in der Liga von Beginn an spielte. Nmecha wirkte erneut weit entfernt von ausreichender Fitness. Oftmals trabte er wie ein Fremdkörper nur nebenher, zusammen mit seiner kaum vorhandenen Körperspannung ergab dies den Eindruck der Teilnahmslosigkeit. Weder in der Defensive noch im Spiel nach vorne konnte er Akzente setzen. Nmecha war mittendrin, aber irgendwie nicht dabei.
So bleibt Nmecha ein großes Rätsel, das aber offenbar bald gelöst scheint, wenn man Terzics Prognose Glauben schenkt. Der Coach sagte nach dem Spiel gegen Augsburg, in dem Nmecha sein erstes Tor für die Borussia gelang, dass es "nur eine Frage der Zeit" sei, ehe der Mittelfeldspieler seine "unglaublichen Fähigkeiten konstant über 90 Minuten und alle drei Tage abrufen wird".
Die Zeitrechnung wird in der kommenden Saison neu beginnen. Nmechas erstes Jahr in Dortmund geriet zum Flop. Ab Juli wird er sich vehement steigern müssen, um den anvisierten nächsten Schritt in seiner Karriere nicht zu verpassen.
BVB darf sich Brajan Gruda nicht durch die Lappen gehen lassen
Beinahe stündlich gibt es neue Gerüchte um mögliche Spielertransfers oder das Interesse von Klubs an bestimmten Profis. Eines, das noch nicht durchgesickert ist, aber es noch tun sollte, müsste wie folgt lauten: Borussia Dortmund möchte Brajan Gruda vom 1. FSV Mainz 05 verpflichten.
Der 19-jährige Flügelspieler beweist in seiner ersten Profisaison auf Anhieb, welch besonderer Spieler er ist. Gruda hat dank seiner jetzt schon sehr bemerkenswerten Fähigkeiten das Potential, zum Unterschiedsspieler einer Mannschaft zu reifen. Das ist er beinahe schon in Mainz, doch Gruda ist eindeutig zu Höherem berufen.
Der BVB, der ja im Umgang mit jungen Talenten über die Jahre ein gutes Gespür und Händchen nachgewiesen hat, darf sich einen Spieler dieser Güteklasse eigentlich nicht durch die Lappen gehen lassen. Am Samstagabend lieferte Gruda eine weitere Kostprobe seiner Qualitäten ab, die Dortmunder bekamen ihn nie in den Griff.
Mit seinem geringen Körperschwerpunkt, dem hohen Tempo und der ausgezeichneten Technik ist Grudas größte Stärke das Dribbling. Schon jetzt gehört er in dieser Kategorie zu den besten zehn Spielern der Bundesliga: Auch gegen die Borussia gewann er fünf seiner Eins-gegen-eins-Duelle.
Brajan Gruda: Thomas Müller ist bereits Fan
Gruda bestritt zudem mit 20 die meisten Zweikämpfe aller Spieler auf dem Feld, sehr ordentliche zwölf davon gewann er. Die meisten Mainzer Pässe ins letzte Drittel spielte er, besonders in engen Räumen unter Gegnerdruck findet er fast durchgehend Lösungen.
Auch gegen den Ball hat der siebenmalige deutsche U21-Nationalspieler zugelegt, sein Impuls im Gegenpressing ist gut. Das war auch notwendig, um beim intensiven Spielstil des fordernden Trainers Bo Henriksen zum Stammspieler zu reifen. "Der Trainer hat mir gesagt, dass ich defensiv sehr viel laufen und ackern soll", sagte er, nachdem ihn Henriksen nach der 1:8-Klatsche beim FC Bayern zweimal auf die Bank setzte. "Nach vorne kann ich machen, was ich will. Er glaubt an mich, aber ich soll nach hinten rennen."
Diesem Befehl kommt Gruda seitdem nach. Der Youngster ist einer der Gründe, weshalb es die Mainzer schafften, den Klassenerhalt nun wieder in den eigenen Händen zu haben. In 18 seiner insgesamt 28 Auftritte stand Gruda mittlerweile in der Startelf. Einen Fan hat er auch schon: Kein Geringerer als die Münchner Legende Thomas Müller schnappte sich nach dem Hinspiel Grudas Shirt und schrieb anschließend bei Instagram: "Vielen Dank für dein Trikot, Brajan Gruda - arbeite weiter hart, mein Freund."
BVB: Das Restprogramm von Borussia Dortmund
Spieltag | Datum | Uhrzeit | Heim | Gast |
34 | Sa., 18.5.24 | 15:30 | Borussia Dortmund | Darmstadt 98 |
CL-Finale | Sa., 1.6.24 | 21:00 | Borussia Dortmund | Real Madrid |