In sportlicher Hinsicht wäre längst Mitleid statt Häme angebracht. Klar ist jedoch auch, dass diejenigen, die den Spott über Naby Keita ergossen, als sich dieser im vergangenen Sommer Werder Bremen anschloss, bislang nicht ganz falsch lagen mit ihren Prognosen.
Der in seiner Karriere derart von Verletzungen geplagte Mittelfeldspieler - beim FC Liverpool unter Jürgen Klopp verpasste Keita etwa aufgrund diverser Blessuren 122 Pflichtspiele - wäre für den SVW gar nicht in Frage gekommen, hätte es seine traurige Vorgeschichte nicht gegeben. Und sie blieb eben keine Vorgeschichte, wie viele bereits nach dem Transfer unkten. Auch in Bremen erwischte es Keita schon mehrfach, der Wechsel hat sich noch kein bisschen ausgezahlt.
Blickt man in die einschlägigen sozialen Medien, ist Keita kaum mehr als ein Synonym für Verletzungspech und geringe Spielzeit. Als etwa der FC St. Pauli vergangenen Woche eine erneute Blessur bei Simon Zoller bekannt gab, wurde dies dort angesichts der häufigen Ausfallzeiten des Stürmers mehrfach so kommentiert: "Deutscher Naby Keita".
"Es hat sich wie ein roter Faden durchgezogen. Es war nicht einfach für Naby, auch nicht für Ole und sein Team", sagte Clemens Fritz, Bremens Leiter Profifußball, kürzlich über Keitas Fehlen. Dies begann bereits, eigentlich unglaublich und dennoch irgendwie auch typisch, bereits vor dem ersten Testspiel, das der Guineer im Sommer für Werder absolvieren sollte.
Naby Keita bei Werder Bremen: Nur 81 Einsatzminuten in der Hinrunde
Noch beim Aufwärmen verletzte sich Keita und fiel mit einer Adduktorenverletzung zwei Monate aus. Als er wieder fit war, dauerte es lediglich drei Spiele, ehe die Muskeln wieder schlapp machten. Es blieb für Keita damit bei gerade einmal 81 Einsatzminuten in der gesamten Hinrunde. Im Dezember stand er noch dreimal im Kader, wurde aber nicht eingewechselt.
In den Wochen zuvor soll sich der Frust bei Keita offenbar mächtig angestaut und Motivationsprobleme ausgelöst haben. So wurde von Verspätungen und laschen Trainingseinheiten berichtet, auch auf Medientermine hatte Keita dem Vernehmen nach wenig Lust. Dies wurde intern freilich registriert und negativ aufgenommen, so dass sich Keita zu dieser Zeit etwas isolierte und der durch seine verletzungsbedingten Abwesenheiten ohnehin erschwerte Integrationsprozess ins Stocken geriet.
Anschließend war Keita erneut abwesend, aber immerhin wieder einigermaßen auf der Höhe. Beim Afrika Cup lief er als Kapitän für Guinea viermal auf. Damit überbot er die Anzahl seiner Einsätze bei Werder und verdoppelte auch seine dortige Spielzeit, ehe es nach einem 1:3 gegen die Demokratische Republik Kongo im Viertelfinale wieder nach Hause ging.
Bremens Trainer Ole Werner benennt lange Mängelliste bei Naby Keita
"Ich glaube, das Erlebnis beim Afrika Cup hat ihm insofern gutgetan, dass er jetzt mit einer neuen Stabilität und in einem guten Zustand zurückkommt", sagte der kommende Geschäftsführer Fußball Fritz damals. Seine Prognose war jedoch falsch, das vermag man gut zwei Monate später nicht anders auszudrücken.
Erst 26 Spielminuten sind seitdem für Keita zusammengekommen, der nach seinem ersten Kurzeinsatz nach über fünf Monaten gegen Union Berlin während der Länderspielpause in einem Testkick gegen Hannover 96 (1:3) das erste Mal seit Oktober wieder von Beginn an auflief. Der 29-Jährige hielt dort eine gute Stunde durch, doch es war augenscheinlich, wie groß die Defizite sind, die er in seinen langen Pausen angehäuft hat.
Mit "Explosivität, Spritzigkeit, Spieltempo, sauberes Ausführen in den Aktionen" benannte Trainer Ole Werner die Mängel, die Keita aufweist. Es sei dem 54-maligen Nationalspieler anzumerken, "dass er immer mal wieder lange gefehlt hat und schon sehr lange keine Fußballspiele auf Bundesliganiveau mehr von Beginn bestritten hat". Gezielter, ruhiger und geduldiger Aufbau ist für Werner bei Keita gefragt: "Da können wir nicht den zweiten vor dem ersten Schritt machen. Für Naby ist es wichtig, erstmal konstant im Training zur Verfügung zu stehen."
Ole Werner schmallippig zu Naby Keita: "Wir haben andere vor ihm gesehen"
Nach der kurzen Delle im Spätherbst ist auch die richtige Einstellung bei Keita längst zurückgekehrt. Rund um die Trainingseinheiten sieht man ihn mit einem Lächeln auf den Lippen. Die Arbeitsmoral stimmt, wie auch Werner kürzlich bestätigte und dies als "eigentlich so, wie es sein sollte" bezeichnete. "Naby arbeitet vernünftig und versucht das, was ihm an Spielrhythmus und Trainingseinheiten fehlt, aufzuholen. Er bemüht sich, ist da und arbeitet an sich. In der vorletzten Woche hat er sogar die eine oder andere Extraschicht nach dem Training eingelegt. Da kann ich ihm nichts vorwerfen", sagte der Coach.
Dennoch haben Keitas Konkurrenten bei Werner weiter klar die Nase vorn. Als Keita bei der 1:2-Pleite gegen Dortmund zum dritten Mal in der Rückrunde 90 Minuten lang die Bank drückte, reagierte der Trainer auf eine Nachfrage zu Keita sehr schmallippig - und gleichermaßen vielsagend: "Wir haben aufgrund der Trainingseindrücke und der Leistungen andere vor ihm gesehen. Naby hat am Anfang der Woche auch einen Tag im Training verpasst. Deswegen waren heute andere vor ihm dran. Er hat nur individuell trainieren können, weil er Probleme hatte."
Die hatte Werner am vergangenen Wochenende gegen den VfL Wolfsburg auch, denn mit Senne Lynen und Jens Stage fehlten ihm zwei Mittelfeldakteure gelbgesperrt. Keita spülte dies dennoch nicht in die Anfangself, stattdessen kam er immerhin zu seinem längsten Einsatz seit Anfang Oktober. Der fiel allerdings recht unglücklich aus.
"Schlampig" und "ohne Not": Unglücklicher Auftritt von Naby Keita
In der 67. Minute kam Keita in die Partie und fügte sich mit zwei Fehlpässen ein, von denen seine Teamkollegen zuvor auch bereits einige produzierten. Fehlpass Nummer drei leitete schließlich das vorentscheidende 2:0 ein. Als "schlampig" und "ohne Not" kritisierte Werner anschließend diesen Ballverlust seines Sorgenkinds und sagte: "Das mag auch mit dem Rhythmus, der Spielpraxis und der körperlichen Verfassung zu tun haben. Genau einen Grund wird es wahrscheinlich nicht geben, aber ein Zusammenspiel dieser Punkte."
Nimmt man all diese Episoden zusammen und bedenkt dazu, dass Werder nach nun fünf Niederlagen in Folge nur noch vier Zähler Vorsprung auf Platz 15 hat, erscheint es mehr als ungewiss, ob Keita dem Team in dieser Saison noch einmal wirklich weiterhelfen kann. Stattdessen richtet sich der Fokus eher darauf, stabil und gesund durch die nächsten Wochen zu kommen, um ab dem ersten Tag der Vorbereitung auf die neue Spielzeit voll im Saft zu stehen.
"Es ist schon so, dass er unseren Entscheidungen folgen konnte. Er konnte es nachvollziehen und trotzdem will er natürlich spielen und ist ungeduldig", sagte Werner über Keitas aktuelles Dasein, wegen dem bereits erste Wechselgerüchte aufkamen. "Wichtig ist, dass wir nicht die Geduld verlieren. Jede Trainingseinheit, jeder Tag tut ihm gut. Wir planen ganz normal mit ihm. Wir haben keine Gedanken, ihn im Sommer schon wieder abzugeben. Bei ihm ist das auch überhaupt kein Thema", wurde dies von Fritz bereits weggewischt.
Allzu viel verloren hat Werder in wirtschaftlicher Hinsicht (noch) nicht. Keitas bis 2026 datierter Vertrag ist ein stark leistungsbezogener, das finanzielle Risiko also überschaubar. Die Fortschritte des Spielers an der Weser auch. Zumal Keitas größter Erfolg in dieser Saison nicht im Bremer Dress vonstatten ging: Im Kreise der Nationalmannschaft hatte er während des Afrika Cups ein teaminternes Fußballgolf-Turnier gewonnen.
Naby Keita: Seine Karriere als Profi im Überblick
Zeitraum | Verein | Pflichtspiele | Tore | Vorlagen |
2013-2014 | FC Istres | 24 | 4 | 9 |
2014-2016 | Red Bull Salzburg | 81 | 20 | 11 |
2016-2018 | RB Leipzig | 71 | 17 | 15 |
2018-2023 | FC Liverpool | 129 | 11 | 7 |
seit 2023 | Werder Bremen | 5 | - | - |