Bundesliga: Investoren-Einstieg bei der DFL gescheitert

SID
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Die Profiklubs haben sich gegen den umstrittenen Einstieg eines Investors bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) ausgesprochen. Der Deal sollte zwei Milliarden Euro bringen.

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Die drei Bosse saßen da wie begossene Pudel und prophezeiten in ihrem Verlierer-Frust eine düstere Zukunft für den deutschen Profifußball: Aufsichtsrats-Chef Hans-Joachim Watzke flüchtete sich nach dem geplatzten Milliardendeal in Ironie, auch die Interims-Geschäftsführer Axel Hellmann und Oliver Leki waren schwer getroffen. Nur 20 der 36 Profiklubs hatten für den umstrittenen Investoren-Einstieg bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) votiert - vier Stimmen fehlten für die notwendige Zweidrittel-Mehrheit.

Denn zu den elf Gegnern mischten sich im noblen Frankfurter Flughafenhotel Sheraton auch noch fünf Enthaltungen. "Der Prozess ist mit dem heutigen Tage zu Ende", betonte Watzke. Das Thema Wettbewerbsfähigkeit sei "offensichtlich einigen nicht so wichtig, sonst hätte man die Barriere für die nächste Phase weggeräumt. Wir werden von denen, die nicht zugestimmt haben, in den nächsten Wochen konstruktive Vorschläge erhalten. Davon bin ich sehr, sehr überzeugt", führte der BVB-Boss sichtlich beleidigt und mit einer gehörigen Portion Galgenhumor aus.

Auch Hellmann kritisierte die Gegner direkt. Er habe in den Ligen "absoluten Konsens festgestellt, dass Investitionsbedarf besteht." Deshalb sei das Abstimmungsverhalten "erstaunlich". Mit "jedem Jahr, das vergeht, mit jeder Investition, die andere Ligen tätigen, wird es für uns immer schwieriger", führte der Interimsboss aus. Es sei nun an denjenigen, "die laut dagegen waren, die Frage zu beantworten, wo in Zukunft Sicherheit und Stabilität für die Bundesliga herkommt".

Die Tragweite des geplatzten Milliardendeals sei schon "zu erahnen", ergänzte Leki, werde aber vielen Klubs wahrscheinlich erst im Nachgang richtig bewusst.

DFL dementierte geleakte Details

Die Führungsetage zeigte dabei trotz geheimer Abstimmung mit dem Finger vor allem in Richtung der Zweitligisten. Es seien bei den Diskussionen "klare Unterschiede" zwischen 1. und 2. Liga deutlich geworden, betonte Watzke. Von "eigenem Baby" oder "persönlicher Niederlage" wollten weder der BVB-Boss noch Hellmann etwas wissen, doch ihr Unmut über den geplatzten Investoren-Deal war auf der Pressekonferenz im Raum Skyloft in jeder Sekunde zu spüren.

Der Plan, der nun gescheitert ist, sah so aus: Ein Investor hätte 12,5 Prozent der Anteile einer DFL-Tochtergesellschaft, in welche die kompletten Medienrechte ausgelagert worden wären, über 20 Jahre erwerben sollen. Durch den Verkauf erhoffte sich die Liga einen Erlös von zwei Milliarden Euro. Schon bei einer weiteren Versammlung Anfang oder Mitte Juli hätte der ausgewählte Geldgeber den Zuschlag erhalten sollen.

Doch nun haben sich die Skeptiker um die Klubführungen des 1. FC Köln und des FC St. Pauli durchgesetzt. Die Kritiker, zu denen auch zahlreiche Fangruppierungen gehören, hatten die mögliche Einflussnahme eines Geldgebers und die weitere Zementierung der sportlichen Kräfteverhältnisse angeprangert. Zuletzt bekannt gewordene Details der geplanten Vereinbarung ließen genau das auch vermuten, einige der geleakten Details dementierte die DFL-Spitze nun allerdings.

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DFL: Hellmann und Leki räumen das Feld

Klar ist, Hellmann wird nun wie Leki zum 30. Juni seinen Posten als Interimsgeschäftsführer räumen. Watzke dagegen will bleiben.

Er sei "noch nie weggelaufen. Wenn sich allerdings irgendwann die Meinung breitmachen sollte, dass wir uns hemmungslos verschulden sollten, um Wachstum anzuhäufen - viel Spaß. Ich mache das dann nicht mit", betonte der 63-Jährige.

Von der viel gepriesenen Solidarität im deutschen Fußball dürfte nach dem 24. Mai 2023 jedenfalls nicht mehr viel übrig sein. Die Fronten scheinen endgültig verhärtet - die kommenden Monate versprechen extrem viel Spannung.

Das machte Watzke deutlich: "Es soll uns keiner in der nächsten Zeit mit Solidar-Themen kommen."

DFL: Stimmen zum geplatzten Deal

Hans-Joachim Watzke (DFL-Aufsichtsratschef): "Die Ableitung ist für uns, dass der Prozess mit dem heutigen Tag zu Ende ist. Das ist Demokratie. Wir hatten die Hürde selbst gesetzt. Es gab eine klare Mehrheit, aber nicht die, wie wir uns die vorgestellt haben. Ab heute ist das Thema beendet. Aber da muss man nicht noch eine Woche vorher solche Nebelkerzen abbrennen. Das ist so lächerlich, dass es jetzt auf einmal daran liegt, dass noch nicht klar ist, wer irgendwann dann Geschäftsführer ist. Das ist totaler Bullshit - und das hat aber bis vor einer Woche in den Gremien niemals irgendeiner angemerkt. Das ist eine ganz, ganz neue Diskussion."

Axel Hellmann (DFL-Co-Interimsgeschäftsführer): "Es war der eine oder andere überrascht. Eine gewisse Tragweite wird erst im Nachgang zu spüren sein. Ich habe absoluten Konsens festgestellt, dass Investitionsbedarf besteht. Es ist vom Abstimmungsverhalten und vom Herangehen an so ein Thema erstaunlich. Man kann nicht sagen, dass es Bedarf gibt und dann den Prozess beenden. Mit jedem Jahr, das vergeht, mit jeder Investition, die andere Ligen tätigen, wird es für uns immer schwieriger. Diejenigen, die laut dagegen waren, müssen nun die Frage beantworten, wo in Zukunft Sicherheit und Stabilität für die Bundesliga herkommt."

Oliver Leki (DFL-Co-Interimsgeschäftsführer): "Es ist notwendig, das so ein Projekt mit einer breiten Mehrheit getragen wird. Warum, wieso, weshalb ist schwer einzuschätzen. Damit ist das Projekt beendet. Was das für die Zukunft an Konsequenzen mit sich bringt, ist einigermaßen zu erahnen, aber noch nicht in die Öffentlichkeit zu bringen. Es besteht definitiv weiter Investitionsbedarf."

Oke Göttlich (Präsident FC St. Pauli und DFL-Präsidiumsmitglied): "Das Ergebnis und die kontroversen Debatten zeigen, dass es noch viel Klärungsbedarf und zu viele offene Fragen gab. Es ist von zentraler Bedeutung, alle Klubs in die Lage zu versetzen, die Tragweite eines solchen Deals nachvollziehen zu können. Dafür fehlte bei dem bisherigen Vorgehen die Zeit und der Raum. Wir müssen erst eine klare Strategie entwickeln, gemeinsam und konstruktiv - und dann können wir diese gezielt finanzieren, um unsere klar definierten Ziele zu erreichen."

Alexander Wehrle (Vorstandschef des VfB Stuttgart): "Der Verkauf von Anteilen künftiger Erlöse ist eine Möglichkeit, um Investitionen in die Zukunft zu tätigen. Doch dies muss zielgerichtet und strategisch passieren. Er darf nicht zu einem Risiko für kommende Jahre werden und er darf nicht zur Zementierung einer Verteilungslogik führen, die den Interessen der großen Traditionsklubs und ihrer Fans widerspricht und die wirtschaftliche Schere zwischen den Klubs weiter öffnet, statt sie zu schließen. Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, nach der Corona-Krise wieder näher an die Fans heranzurücken und Fehlentwicklungen der Branche zurückzudrängen. Der vorliegende Antrag wäre in dieser Form auch an diesem Punkt das falsche Signal gewesen. Daher können wir den vorgeschlagenen Weg als VfB Stuttgart nicht unterstützen."

Bernd Schröder (Vorstandsvorsitzender FC Schalke 04): "Wir, wie viele andere Klubs auch, haben mit Blick auf den bislang laufenden Investorenprozess zum jetzigen Zeitpunkt aber zu viele offene Fragen - unter anderem zu Business Plan, Neubesetzung der Geschäftsführung und dem Verteilungsmechanismus. Uns fehlt insbesondere beim letzten Punkt der Glaube, dass bis zur finalen Abstimmung über den Einstieg eines Investors tatsächlich offen und zielführend über eine Änderung der Verteilung diskutiert werden könnte. Das wurde im Laufe des Gesamtprozesses und auch des heutigen Tages deutlich gemacht. (...) Aus unserer Sicht ist eine grundsätzliche Debatte über den Verteilungsmechanismus notwendig, weil darin der zentrale Hebel zur Steigerung der Attraktivität der Bundesliga liegt. Gerade die fanstarken Klubs, die über den sportlichen Erfolg hinaus zur Attraktivität beitragen, sollten bei der Verteilung stärker berücksichtigt werden. Eine Verteilung, die sich zu stark am sportlichen Erfolg orientiert, führt nicht zu einer Maximierung der Attraktivität der Bundesliga. Darum konnten wir dem Antrag heute nicht zustimmen. (...) Nur aus kontroverser Diskussion heraus entsteht signifikante Weiterentwicklung. Deshalb stehen wir als FC Schalke 04 dafür, den Diskurs nun nicht einzustellen, sondern zu intensivieren."

Klaus Filbry (Vorsitzender der Geschäftsführung von Werder Bremen): "Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Liga nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit für diesen Schritt zustande gebracht hat, um den Prozess in die nächste Phase zu bringen. Das sind demokratische Prozesse, die man akzeptieren muss. Die in dem bisherigen Prozess identifizierten Herausforderungen bleiben bestehen, und diese müssen wir nun im 36er-Verbund angehen und zu lösen versuchen."

Thomas Kessen (Sprecher des Fanbündnisses "Unsere Kurve" zum SID): "Wir begrüßen das Urteil, ganz klar. Das ist ein starkes Zeichen. Es gab insgesamt zu viele Fragezeichen. Da wurde von einigen offenbar bewusst mit Informationen gehaushaltet, um die eigene Politik durchzubringen. Unter dem Wort 'Solidarität' findet man im Duden sicherlich nicht den aktuellen TV-Verteilungsschlüssel."

Jorim Gerrard, Finanzmarktexperte der Bürgerbewegung Finanzwende: "Die DFL-Mitglieder haben sich gegen den Einstieg von Private-Equity-Firmen in die Bundesliga-Vermarktung entschieden - und damit für die Interessen der Fans. Das ist eine sehr gute Nachricht. Die Kommerzialisierung des Fußballs wird damit zwar nicht zurückgedreht, aber eine neue Dimension der Profitorientierung ist damit erfolgreich verhindert. Der Erfolg zeigt außerdem, dass ein Vordringen der Finanzmarkt-Logik in alle Lebensbereiche kein Naturgesetz ist - mit genug Widerstand aus der Zivilgesellschaft lässt sich auch das ganz große Geld aufhalten."

Philip Krämer (Mitglied des Bundestages und stellvertretender Vorsitzender des Sportausschusses, Bündnis 90/Die Grünen): "Es zeigt sich mal wieder, dass die Spitzen des deutschen Fußballs nicht verstanden haben, dass ein auf Augenhöhe stattfindender Dialog mit den Fans essenziell ist. Man kann unterschiedlicher Meinung sein, ob der Einstieg eines Investors in die Deutsche Fußball Liga grundsätzlich möglich sein sollte oder nicht. Allerdings ist es der DFL schlicht nicht gelungen, zu erklären, welchen Vorteil dies neben rein kommerziellen Interessen hat."

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