"Die Saison 2022/23 steht im Zeichen eines sportlichen Neuanfangs", sagte Sebastian Kehl in der Pressemitteilung von Borussia Dortmund, in der Edin Terzic als neuer Cheftrainer vorgestellt wurde. Die beiden werden einen abermaligen Umbruch handhaben und moderieren müssen, der bereits zum jetzigen frühen Zeitpunkt von viel Bewegung im Kader begleitet wird.
Sechs Neuzugänge hat der BVB bereits präsentiert und dabei wird es beileibe nicht bleiben. Acht Abgänge sind zudem zu verzeichnen, Dortmunds Mannschaft und ihre Hierarchie werden nach einer von zahlreichen Enttäuschungen begleiteten Saison stark umgekrempelt. Terzic hat dabei viele knifflige Baustellen zu bearbeiten, gerade auch abseits der Integration der neuen Spieler und der Suche nach einem Ersatz für den abgewanderten Stürmer Erling Haaland.
Die wohl schwierigste Personalie für die Borussia ist dabei jemand, der bereits seit sechs Jahren im Verein ist: Youssoufa Moukoko. Dass dies so ist, hat viele Gründe, die sich vor allem in den vergangenen zwölf Monaten angehäuft haben.
Abseits der harten Fakten lässt sich zunächst festhalten, dass alle Themen, die mit Moukoko zu tun haben, im Dortmunder Umfeld mit einer enormen Emotionalität und teilweise Ungeduld diskutiert werden. Die Erwartungen an den wohlgemerkt immer noch erst 17-jährigen Stürmer sind hoch, auch außerhalb der Stadt. Zu hoch, möchte man an vielen Stellen der Debatte anmerken.
BVB: Moukoko und die Veränderungen im Profibereich
Moukoko hat in der BVB-Jugend eine Torquote aufgelegt, die in diesem Leistungsbereich wohl viele Jahre unerreicht bleiben wird. Bei den Profis ist er der jüngste Bundesliga- und Champions-League-Spieler geworden, zudem hat niemand vor ihm in jüngerem Alter ein Tor in der Bundesliga erzielt. In Moukokos Karriere ging es stets steil in eine Richtung: bergauf.
Das hing auch damit zusammen, dass er im Nachwuchsbereich keinerlei nennenswerte Blessuren oder sonstige Rückschläge einstecken musste. Moukoko war immer gesund, immer fit, er hat immer gespielt. Dass sich dies bei den Senioren ändern wird, haben der Verein und er gewusst und besprochen. Doch es ist ein Unterschied, sich darüber im Vorfeld auszutauschen und es dann, wann diese Szenarien eintreten, auch zu spüren und zu erfahren.
Bei Moukoko sind diese Szenarien eingetreten und zwar in einer Fülle, die beachtlich ist und es ihm nachvollziehbar schwer gemacht hat, damit klarzukommen. Seit er am Tag nach seinem 16. Geburtstag im November 2020 sein Debüt in der Bundesliga feierte, hat Moukoko sechs Verletzungen von mindestens zwei Wochen Dauer verkraften müssen, drei davon waren Muskelblessuren.
Youssoufa Moukoko: "Ich will die Saison einfach vergessen"
In all dieser Zeit hat Moukoko nebenbei zahlreiche neue Erfahrungen gesammelt: Er musste nicht nur mit dem Fakt klarkommen, sich von einer Verletzung zurückzukämpfen und wenig später den nächsten Rückschlag zu erleiden, sein Körper hatte sich auch an das Training bei den Profis anzupassen. Dazu war er nun Teil einer neuen Mannschaft, die gespickt ist von international erfahrenen Erwachsenen und in der er sich stets neu zu beweisen hatte.
Die geringe Spielzeit gerade in der vergangenen Saison - Moukoko kam in allen Wettbewerben letztlich nur auf 482 Einsatzminuten und vier Startelfplätze - ließ daraus einen negativen Kreislauf entstehen, der für einen solch jungen Spieler nur schwer zu bändigen war. "Ich war sehr frustriert. Es war nicht so leicht für mich, das war wirklich viel. Ich habe viel dazugelernt", sagte Moukoko vor einem Monat im hauseigenen BVB-Podcast.
Dort machte der Angreifer einen sehr klaren, aufgeräumten Eindruck und fand deutliche Worte für die Entwicklung, die er sportlich und persönlich in der vergangenen Spielzeit durchzumachen hatte. "Ich bin froh, wenn die Saison zu Ende ist", sagte Moukoko zwei Spieltage vor Schluss. "Ich bin nicht zufrieden, wenn ich ehrlich bin. Ohne die Verletzungen hätte ich mehr Spielzeit bekommen. Man muss mit Rückschlägen umgehen können. Das habe ich sehr gut hinbekommen, auch wenn es ärgerlich für mich war. Ich will die Saison einfach vergessen, weil es eine beschissene Saison von mir war."
BVB will mit Youssoufa Moukoko verlängern
Der ehemalige Trainer Marco Rose hatte einige Male durchblicken lassen, dass er Moukoko auch aus schlichten fußballerischen Gründen nicht einsetzte. Rose sah in seiner "taktischen Disziplin und der Arbeit gegen den Ball" noch Defizite. "Es ist auch wichtig, dass er zeigt, dass er mehr spielen will. Aber er muss sich das durch Trainings- und Spielleistungen auch verdienen", sagte Rose.
Was die Situation für Moukoko und besonders den BVB nun besonders heikel macht, ist die Frage, wo Moukoko die kommende Saison spielen wird. Der 17-Jährige besitzt noch einen Vertrag bis 2023, den der Verein schon längere Zeit gerne verlängern möchte. Die Wertschätzung der Borussia für Moukoko war stets hoch und ist es bis heute, unterschrieben wurde bislang aber noch nichts.
Hier kommt nun der Part ins Spiel, den Moukoko und sein Umfeld selbst verschuldet und damit weitere Brisanz in die Diskussionen gebracht haben. "Es ist kein Selbstgänger, dass Youssoufa beim BVB verlängert", sagte sein Berater Patrick Williams Ende Januar der Bild.
Youssoufa Moukoko irritiert mit Social-Media-Beiträgen
Ins Bild dieser Episode passt seine Antwort auf die Frage im BVB-Podcast, wo er denn hingehe, wenn er sich auskotzen will: "Zum Berater!", sagte Moukoko da. Nur wenig später veröffentlichte er am Tag vor dem finalen Saisonspiel gegen Hertha BSC auf seinen Social-Media-Kanälen zwei irritierende Bilder und schrieb dazu: "Ein letztes Mal! Nach 6 Jahren mit wunderschönen Momenten muss ich mich verabschieden. Danke für alles." Anschließend löschte er die Beiträge wieder.
Diese beiden Vorstöße überraschten und verärgerten die Dortmunder Verantwortlichen, die dies Moukoko auch deutlich machten. Die Situation scheint ziemlich festgefahren, zumal sich Moukoko am vergangenen Freitag auf Nachfrage der Funke Mediengruppe am Rande des U21-Spiels gegen Ungarn so zu seiner Zukunft äußerte: "Dazu möchte ich nichts sagen."
BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hofft in Sachen Vertragsverlängerung auf den Faktor Terzic, der zudem mit Sebastian Geppert einen Co-Trainer mitbringen wird, der durch die gemeinsame Zeit in der Jugend nach eigener Aussage "ein extrem enges Verhältnis" zu Moukoko hat. "Ich glaube, er ist gerade extrem motiviert. Es ist ja kein Geheimnis, dass er und Edin Terzic einen engen Draht haben", sagte Watzke und glaubt an "eine ordentliche Chance, mit Youssoufa zu verlängern".
BVB: Verkauf von Youssoufa Moukoko wäre herbe Schlappe
Gelingt dieses Vorhaben jedoch nicht, würde es mehr Risiko als Chance bedeuten, mit Moukoko in die Saison zu gehen und angesichts dessen dann ungeklärter Zukunft auf einen Meinungsumschwung des Spielers zu hoffen. So würde in erster Linie ein ablösefreier Abgang drohen.
Ein Verkauf Moukokos noch in diesem Sommer wäre für den BVB wiederum eine herbe Schlappe angesichts seines unumstrittenen sportlichen wie möglicherweise späteren finanziellen Potenzials und der Hoffnungen, die der Verein seit Jahren in seine Entwicklung gelegt hat.
Der Ball liegt bei ihm. Es dürfte der erste in seiner Karriere sein, bei dem der abschlussstarke Moukoko mit der Entscheidungsfindung deutlich zögert.
BVB: Youssoufa Moukoko und seine Statistiken in der Saison 2021/2022
Wettbewerb | Spiele | Tore | Vorlagen | Spielminuten |
Bundesliga | 16 | 2 | 2 | 210 |
DFB-Pokal | 2 | - | - | 5 |
Champions League | 1 | - | - | 20 |
Europa League | 2 | - | - | 65 |
DFL-Supercup | 1 | - | - | 58 |
3. Liga (U23) | 2 | 1 | - | 124 |