Uli Hoeneß mag den Donnerstagabend im Audi Dome als "schlimmste Veranstaltung", die er "je beim FC Bayern erlebt" erlebt haben. Doch nach der, nun ja, turbulenten Jahreshauptversammlung kann man den konsternierten und ihre Welt nicht mehr verstehenden Bossen nur zurufen: "Eure scheiß Stimmung! Da seid ihr doch für verantwortlich!"
Die Kommunikation der Bayern-Bosse rund um das Thema Katar und Menschenrechte ist noch katastrophaler als ihr Umgang mit dem Antrag von Michael Ott, die Kooperation mit dem Ärmelsponsor Qatar Airways nicht zu verlängern.
Präsident Herbert Hainer - lange Jahre Adidas-Boss - wirkte während der Versammlung zeitweise wie der von den Anträgen der Kleinaktionäre genervte CEO eines Weltkonzerns bei einer Aktionärsversammlung.
Sein Vize Dieter Mayer - Notar und Honorarprofessor an der Uni München - verschanzte sich hinter einer Mauer juristischer Spitzfindigkeiten; im Eifer des Gefechts rutschte dem Versammlungsleiter des wichtigsten demokratischen Organs des Vereins sogar der Satz "hier geht es nicht um Demokratie" heraus. Später meinte er noch, recht unsouverän: "Jetzt werde ich schon langsam ungemütlich."
FC Bayern: Kahn eierte herum
Oliver Kahn - vor seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender torhütender Cojones-Beauftragter und wandelnde Vereinslegende - eierte während seiner Rede herum und schaffte es nicht, das Wort Katar auch nur einmal zu benutzen; später hielt er es für eine gute Idee, wolkig einen Round Table zum Thema vorzuschlagen und vergaß womöglich die vorangegangenen Beschwerden einiger Mitglieder, dass der Klub keine Repräsentanten zu ebensolchen Runden Tischen zum Thema geschickt hatte.
Es hätte viele Möglichkeiten für die Vereinsverantwortlichen gegeben, mit dem Menschenrechtsthema im Allgemeinen und Otts Antrag im Speziellen bei der JHV umzugehen.
Sie hätten beispielweise (wertfreie Reihung) ...
- ... Otts sorgfältig formulierten Antrag im Vorfeld begründet ablehnen können, statt ihn wochenlang zu ignorieren, das Thema auszusitzen und das langjährige Mitglied vor Gericht ziehen zu lassen, ihm die verweigerte einstweilige Verfügung öffentlich während der JHV unter die Nase zu halten und ihn noch als Krakeeler zu brandmarken.
- ... sich der Diskussion stellen und den Antrag zulassen können. Auch in dem Wissen, dass er vor allem eine symbolische Bedeutung und für ihr Handeln keine rechtliche Bindung gehabt hätte.
- ... die Abstimmung der Mitglieder abwarten und das Sponsoring gegebenenfalls nicht verlängern können. Und dann eben, wie das Mitglied Gregor Weinreich während der JHV vernünftigerweise vorschlug, vielleicht das finanziell zweitbeste, aber moralisch nicht ganz so komplizierte Angebot annehmen können.
- ... die brutal ehrliche Karl-Heinz Rummenigge-Methode anwenden, "Geld stinkt nicht" rufen und den - systemimmanenten - Widerspruch eben aushalten können.
- ... die ganze JHV absagen oder virtuell stattfinden lassen können - die pandemische Lage gibt das allemal her.
FC Bayern: Bosse stimmten gegen Menschenrechte
Doch sie entschieden sich für die mit Abstand schlechteste Möglichkeit. Hainer beschimpfte die Mitglieder, Kahn eierte herum, Hoeneß war gekränkt. Die Auftritte der Klubverantwortlichen während der JHV waren arrogant, patzig und unsouverän. Ihnen ging jegliche Empathie ab und sie zeugten von einem sehr schwierigen Demokratieverständnis.
Den Bossen fehlte am Donnerstag das Gespür für die Situation. Sie haben nichts verstanden. Und am Ende stand das Bild, wie das gesamte Präsidium im Gegensatz zum überwältigenden Teil der anwesenden Mitglieder gegen den Antrag stimmte, ein Bekenntnis für Menschenrechte und gegen Diskriminierung in die Satzung aufzunehmen.
Kurzum: Bayerns Bosse erfüllten, gewollt oder nicht, alle Klischees einer abgehobenen und von der Fanbasis komplett entkoppelten Führung, für die Fannähe nicht mehr als eine hohle Worthülse ist und die Fans als Claqueure und Fantum vor allem als Folklore versteht.