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Nein, an Jude Bellingham hat Jürgen Klopp vor sechs Jahren nicht gedacht. Bellingham war damals, als Klopp im April 2015 seinen Abschied von Borussia Dortmund verkündete, eh erst elf Jahre alt.
Und Klopp dachte ja auch in erster Linie an die Dortmunder Jugend, als er sagte: "Der Verein hat eine fantastische Basis. Da kommen ganz junge hochtalentierte Burschen nach, wo ich jetzt schon heulen könnte, dass ich die nicht trainieren werde."
Sieht man Bellingham seit vergangenen Sommer für den BVB auflaufen und lässt den Fakt beiseite, dass die Borussia stolze 23 Millionen Euro für einen 16-Jährigen aus Englands 2. Liga hinblätterte - nicht nur Klopp dürfte das Herz aufgehen, wenn er dem Mittelfeldspieler beim Kicken zuschaut. Bellingham ist so etwas wie ein BVB-Spieler aus dem Bilderbuch.
Davon gab es in all den Jahren zuvor viele, selbst eine fußballerisch eher limitierte Abwehrkante wie Günter Kutowski zählte in den 1980er/1990er-Jahren dazu. Früher waren diese Spieler wie Michael Zorc oder später auch Lars Ricken unter anderem deshalb beliebt, weil sie lange in Dortmund blieben. Davon sollte man nun bei Bellingham nicht zwingend ausgehen.
Bellinghams Arbeitsethos will man beim BVB sehen - von jedem
Dennoch: Nach etwas mehr als einem Jahr spürt man bei den Auftritten des Engländers, wie er den Verein verinnerlicht hat und lebt. Bellingham bringt das ideale Profil mit, um beim BVB in Rekordzeit an einem späteren Legendenstatus zumindest zu kratzen: Ihn zeichnet eine unglaubliche Gier und hohe Kampfkraft aus, seine Physis ist enorm, körperlich scheint er gegenüber des Vorjahres noch einmal etwas zugelegt zu haben.
Diesen Arbeitsethos wollen sie in Dortmund sehen, von jedem Spieler. Die drei bisherigen Auftritte der Schwarzgelben unter dem neuen Trainer Marco Rose nähren die Hoffnung, dass das Bellingham-Gen künftig konstant von der gesamten Mannschaft ausgestrahlt wird. Die Spieler dazu hat der BVB. Rose muss sie jetzt zu einem Team zusammenfügen, das seinen präferierten Fußball - schnell, direkt, vertikal, intensiv - in die Tat umsetzt.
Was Bellingham freilich so wertvoll macht ist, dass er nicht nur Kampfmaschine und athletischer Dauerläufer ist. Der mittlerweile 18-Jährige besitzt genauso eine spielerische Klasse wie nur ganz wenige in diesem Alter. Er hat ein ausgezeichnetes Verständnis beim Positionsspiel, eine hohe Spielintelligenz, spielt tolle Pässe in die Spitze, wird selbst rund um den Strafraum torgefährlich und denkt stets in beide Richtungen des Spielfelds.
Jude Bellingham beim BVB: Der nächste 100-Millionen-Mann?
All diese Eigenschaften führt Bellingham schließlich mit einer unglaublichen Reife und Ruhe am Ball aus - das hat in manchen Spielsituationen bisweilen schon Axel-Witsel-Niveau. Bellingham gelingt es auch oft, ob mit seiner Art des Spiels oder entsprechenden Gesten, die in Dortmund so wichtige und angesichts der Wucht des Stadions auch meist beflügelnde Symbiose zum Publikum herzustellen.
Er ist voll und ganz beim BVB angekommen und scheint auch auf Anhieb kapiert zu haben, was dort gefordert ist. Bis 2025 ist er noch an den Klub gebunden. Denkt man an die zahlreichen Top-Talente zurück, die die Borussia in den vergangenen Jahren verlassen haben, ist schwer vorstellbar, Bellingham noch in vier Jahren das BVB-Trikot tragen zu sehen. An Angeboten wird es ihm wohl nie mangeln.
Schöpft Bellingham sein riesiges Potential in Zukunft weiter aus, wird er nicht nur in Dortmund weiter zum unumstrittenen Stammspieler und Leistungsträger aufsteigen. Er dürfte auch der nächste Spieler sein, für den der BVB eines Tages die 100 Millionen Euro Ablöse aufrufen kann. Diese Schallmauer hatte man einst bei Ousmane Dembele geknackt, Jadon Sancho war in diesem Sommer nicht weit davon entfernt und Erling Haaland wird es irgendwann einmal gewiss auch nicht sein.
BVB muss Bellinghams hohe Belastung gut steuern
Mit Blick auf die Gegenwart gilt es bei Bellingham trotz aller Klasse, die er dem Team hinzufügt, genau aufzupassen. 2020 hatte er nach einer kraftraubenden Championship-Saison praktisch keinen Urlaub und dann mit die meisten Pflichtspiele im BVB-Kader absolviert. Nach seiner Teilnahme an der EM fiel die Pause für ihn erneut nicht üppig aus. Rose steuert zwar seine Belastung, doch 212 von 270 Pflichtspielminuten hat Bellingham bereits wieder in den Knochen.
Es ist absehbar wie menschlich, dass auch er einmal eine Pause benötigt oder gar in ein Loch fällt. So erging es im Vorjahr auch Sancho und Giovanni Reyna, die ähnlich furios starteten wie Bellingham. Aktuell jedoch hat Rose aufgrund der argen Personalprobleme nicht viel Manövriermasse. Doch es scheint für den Moment ohnehin, als wäre dies bezogen auf den Engländer (noch) kein Problem und dieser stets bereit.
Abgerundet wird das glänzende Bild, das Bellingham abgibt, von Aktionen mit Vorbildcharakter abseits des Platzes. Beispielsweise half er im Rahmen des "Mustard Seed Project" mit, im kenianischen Mombasa ein Schulgebäude für 275 Schüler zu errichten. Zuvor spendete er einem dortigen Jugendteam Fußballtrikots.
Und auch im Anschluss an die Supercup-Niederlage am Dienstag gegen den FC Bayern (1:3) sorgte Bellingham für eine rührende Geste, als er einem BVB-Fan im Rollstuhl sein Trikot schenkte. Der Mann lächelte über das ganze Gesicht. So ergeht es aktuell vielen Dortmunder Anhängern, wenn sie sich Bellingham anschauen.
Jude Bellingham: Seine Leistungsdaten beim BVB seit der Saison 2020/21
Wettbewerb | Spiele | Tore | Torvorlagen |
Bundesliga | 30 | 1 | 3 |
Champions League | 10 | 1 | 1 |
DFB-Pokal | 7 | 2 | - |
DFL-Supercup | 2 | - | 1 |