Es war in der Deutlichkeit ungewöhnlich, mit der sich Leonardo im vergangenen Sommer beschwerte: "Deutsche Vereine, speziell Bayern München, RB Leipzig und Borussia Dortmund, baggern immer mehr an jungen Spielern aus Frankreich", sagte der Sportdirektor von Paris Saint-Germain der französischen Zeitung Le Parisien.
Der Brasilianer sehe daher eine große Gefahr für die Jugendakademien französischer Klubs, denn die Bundesligisten würden "Eltern, Freunde, Familienangehörige oder den Spieler selbst anrufen", ohne zuvor die Vereine zu informieren. So soll es auch im Fall von Tanguy Nianzou gewesen sein, der 2020 mit 18 ablösefrei von PSG zum FC Bayern München wechselte.
Michael Zorc reagierte via Bild umgehend auf die Vorwürfe des aggressiven Abwerbens französischer Talente. "Leonardo unterliegt da offensichtlich einem Irrtum. In der Regel ist es nämlich genau andersrum, als er es darstellt", sagte der Sportdirektor des BVB. "Wir werden von den Familien und Beratern aus Frankreich aktiv angesprochen, da sie bei uns oft eine bessere Durchlässigkeit und ein höheres Entwicklungspotenzial der Talente sehen."
Die Auseinandersetzung dürfte weiter schwelen. Innenverteidiger Soumaila Coulibaly wechselt im Sommer von PSG nach Dortmund, wie die Borussia am Donnerstag bekanntgab. "Einer der vielversprechendsten Akteure der Nachwuchsakademie" der Pariser komme zum BVB, so der Wortlaut in der offiziellen Pressemitteilung.
BVB verpflichtet Soumaila Coulibaly trotz Kreuzbandriss
Darin wird auch Coulibaly zitiert: "Ich freue mich total, künftig für einen so traditionsreichen Klub auflaufen zu dürfen. Ich bin dankbar für die Ausbildung, die ich bei Paris Saint-Germain genossen habe, glaube aber, dass dieser Wechsel nun der beste Schritt für mich ist", sagte Coulibaly: "Ich hatte Angebote von anderen Klubs, aber als ich zum ersten Mal mit den BVB-Verantwortlichen gesprochen habe, wusste ich direkt, dass das der richtige Verein für mich ist. Ich kann es nicht erwarten, bei meinem neuen Klub loszulegen."
In Dortmund soll Coulibaly einen Vertrag bis 2026 unterschrieben haben - und dies ungeachtet der für alle Beteiligten ärgerlichen Tatsache, dass er sich am 25. Februar während einer Trainingseinheit das Kreuzband riss. Eine Woche später unterzog sich der Franzose einer Operation und wird mehrere Monate ausfallen.
Dass sich Dortmund das Talent dennoch nicht durch die Lappen gehen ließ zeigt, wie groß die Wertschätzung, aber auch die Hoffnungen sind, die Coulibaly weckt. Dessen Dreijahresvertrag, den er 2018 bei seiner Ankunft im Pariser Nachwuchsleistungszentrum unterschrieb, läuft im Juni aus. Der BVB bekommt den Spieler also für die übliche Ausbildungsentschädigung.
Coulibalys ungeklärte Zukunft wurde in den letzten Monaten eine immer wichtigere interne Angelegenheit bei PSG. Leonardo versuchte lange Zeit, den Abwehrspieler von einem Profivertrag über drei Jahre zu überzeugen. Bis zuletzt versuchte PSG, die Verletzung von Coulibaly gewissermaßen zu nutzen - in der Hoffnung, dass dieser Schicksalsschlag eine Wende zum Guten bringen würde.
BVB-Neuzugang Coulibaly: Seine Stärken
Coulibaly wusste jedoch um seine schwierige Perspektive in Paris, während Dortmund mit seiner sehr guten Reputation auf dem Markt europäischer Top-Talente wuchert. Beim BVB soll er eher kurz- als langfristig für die Profis eingeplant werden. In der ersten Mannschaft von PSG schreckt Coulibaly die große Konkurrenz mehr ab als beim BVB, der in den vergangenen Jahren zigfach bewiesen hat, jungen Spielern reichlich Einsatzzeiten zu geben.
Mit Ex-Dortmunder Abdou Diallo und Presnel Kimpembe hat Profitrainer Mauricio Pochettino gleich zwei erfahrene Innenverteidiger zur Verfügung, deren Profil dem von Coulibaly nicht unähnlich ist. Wie Coulibaly sind sie Linksfüßer. Das gilt auch für den erst 15-jährigen El Chadaille Bitshiabu, der in der U17 spielend bereits 1,95 Meter misst und intern als großes Versprechen für die Zukunft gesehen wird.
Was "Soumi", wie Coulibaly in Paris genannt wird, für den BVB begehrt machte: Neben der entsprechenden Physis, die seine Größe von 1,90 Metern mit sich bringt, zeichnet sich Coulibaly auch dadurch aus, auch als Linksverteidiger agieren zu können. Er ist sehr ballsicher und besitzt ein gutes Passspiel. Auch in Sachen Technik, Zweikampfstärke, Antizipation und Tempo verfügt er über überdurchschnittliche Fähigkeiten.
BVB: Ein Ex-PSG-Nachwuchsspieler ist schon im Kader
Bei PSG kam Coulibaly zunächst in der U17 zum Einsatz, doch nur acht Tage nach seinem 16. Geburtstag feierte er in der U19 sein Youth-League-Debüt gegen Brügge, wo er als linker Halbverteidiger in einer Dreierkette auflief. Ein halbes Jahr zuvor kam er erstmals in Frankreich U16-Nationalelf zum Einsatz, auch für die U18 wurde er schon berufen.
Für die Pariser U19 absolvierte er im Vorjahr alle Saisonspiele, auch vor der Corona-bedingten Unterbrechung der Spielzeit im Oktober 2020 stand er häufig auf dem Feld. Seitdem wurden keine offiziellen Partien mehr ausgetragen, doch Coulibaly durfte mehrfach im Training bei den PSG-Profis vorspielen.
Wie jeder Kreuzbandriss kam auch dieser zur Unzeit, sein Hauptaugenmerk liegt nun auf dem Rehaprozess. Diesen wird Coulibaly, der im Oktober die Volljährigkeit erreicht, in Dortmund beenden und anschließend über die U19 oder U23 des BVB Schritt für Schritt an den Profibereich herangeführt werden.
Er ist nach dem 2017 ebenfalls ablösefreien Dan-Axel Zagadou der zweite PSG-Nachwuchsspieler, der sich für die Westfalen entschied. Man darf gewiss gespannt sein, wie Leonardos Reaktion diesmal ausfällt.
BVB-Neuzugang Soumaila Coulibaly im Steckbrief
Geburtsdatum (Alter) | 14. Oktober 2003 (17) |
Nationalität | Frankreich |
Größe | 1,90 Meter |
Position | Innenverteidiger |
Starker Fuß | links |
Ehemalige Vereine | FC Montfermeil |