Arne Friedrich von Hertha BSC im Interview: "Unsere Kritiker sind im Moment laut - und das ist auch berechtigt"

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Als Sie Hertha nach dem Abstieg verlassen haben, gab es gegenseitige öffentliche Vorwürfe zwischen Ihnen und der Vereinsführung um den noch immer amtierenden Präsidenten Werner Gegenbauer und den bis vor kurzem als Sportchef tätigen Michael Preetz. Hat es deshalb mehr als neun Jahre bis zu Ihrer Rückkehr gedauert?

Friedrich: Nein. Das ist längst mit beiden geklärt. Es war weder meine Intention, noch mein Karriereplan, in dieser Funktion zur Hertha zurückzukehren. Ich habe mir nach dem Ende meiner Laufbahn 2013 bei Chicago Fire ein zweites Leben in den USA aufgebaut. Der Verein hat sich im Herbst 2019 sehr um mich bemüht und darum gebeten, in einer schwierigen Situation zu helfen. Das habe ich gemacht, doch es ist anders gekommen als gedacht, auch die jetzige Beförderung zum sportlich Verantwortlichen war ja nicht geplant. Aber ich nehme diese neue Aufgabe gerne an.

Der damalige Coach Jürgen Klinsmann hat Sie als "Performance Manager" geholt, ein Titel, der ebenso spöttisch kommentiert wurde wie Ihre Bemerkung, man müssen sich bei Hertha "größenwahnsinnige Ziele" stecken. Mussten Sie sich in der neuen Rolle erstmal umstellen?

Friedrich: Nein. Die Aussage von den größenwahnsinnigen Zielen wurde mir damals in den Mund gelegt und ich habe sie dann in meinem Antwortsatz wiederholt. Aber trotzdem stehe ich zu den Dingen, die ich sage. Ich finde es wichtig, authentisch zu sein.

Noch spöttischer waren die Kommentare, als Klinsmann vor rund einem Jahr plötzlich als Cheftrainer zurücktrat. Im Nachhinein sagt Investor Lars Windhorst nun, dass dessen Analysen nicht ganz falsch waren. Hat Klinsmann also im Rückblick Recht gehabt mit seiner Generalkritik an der Hertha?

Friedrich: Ich schaue nicht mehr zurück. Über die Ära Klinsmann wurde schon genug geschrieben. Jetzt geht es darum, Hertha zusammen mit dem neuen Vorsitzenden der Geschäftsführung, Carsten Schmidt, in die Zukunft zu führen. Wir stecken gerade in einem großen Veränderungsprozess und stellen uns in vielen Bereichen neu auf. In diesen Umbruch stecken alle sehr, sehr viel Energie rein. Das ist intensiv, aber macht großen Spaß.

Der große Geldgeber ist unverändert die Tennor-Holding von Lars Windhorst. Müssen Sie sich bei dessen sportlichem Berater Jens Lehmann die Zustimmung für Transfers einholen?

Friedrich: Nein. Jens und ich kennen uns schon seit bald 20 Jahren aus der Nationalmannschaft und sind regelmäßig im Austausch. Ich habe keine Geheimnisse vor ihm, weil wir beide Hertha wieder nach vorne bringen wollen.

Tennor hat seit dem Einstieg 2019 rund 290 Millionen Euro überwiesen und weitere Millionen zugesagt, Hertha hat seitdem für Spieler für rund 140 Millionen Euro Ablöse gekauft. Nehmen Sie die Kritik an, dass die Transferpolitik bislang erfolglos war?

Friedrich: Seit ich hier angefangen habe, sehe ich mich mit in der Verantwortung. Wenn es also Kritik gibt, dann stelle ich mich der. Unsere Kritiker sind im Moment laut, und das ist auch berechtigt, weil wir unten drinstehen. Ich glaube aber, dass wir da rauskommen und dass unser Kader besser ist als der momentane Tabellenstand. Es gibt sicher einiges zu verbessern, aber daran arbeiten wir. Uns fehlt ein bisschen die Balance, die Hierarchie und die Struktur in der Mannschaft. Deshalb bin ich auch sehr zufrieden mit unseren Wintertransfers, Sami Khedira und Nemanja Randonjic.

Friedrich: "Dardai hat oft die wichtige Drecksarbeit verrichtet"

Zu Ihrer neuen Rolle: Hasan Salihamidzic hat als Bayern-Sportdirektor gesagt, er werde nicht mehr unter einem Sportvorstand arbeiten und wurde daraufhin selbst befördert. Wie sind Ihre Ambitionen, falls im Sommer ein neuer Sportchef zur Hertha kommen sollte, zum Beispiel Fredi Bobic?

Friedrich: Es geht erstmal nicht um mich, sondern um den Verein. Ich habe im Moment aber auch gar keine Zeit, über meine Zukunft nachzudenken. Das wird sicher kommen, ist aktuell aber kein Thema für mich.

Welche Zukunft hat denn Pal Dardai über den Sommer hinaus, wenn er die angebliche Klausel in seinem Vertrag über durchschnittlich mindestens 1,5 Punkte pro Spiel nicht erfüllen kann?

Friedrich: Wir haben in Pal unseren Wunschtrainer gefunden und er hat einen Vertrag über eineinhalb Jahre. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Sie haben 2017 der Berliner Morgenpost gesagt, Sie hätten Dardai die erfolgreiche Arbeit als Trainer nicht zugetraut. War er als Spieler so anders?

Friedrich: Als Spieler ist er immer vorangegangen, hat oft die wichtige Drecksarbeit verrichtet und Marcelinho den Rücken freigehalten. Als Trainer hat er damals ohne große Erfahrung sehr schnell bei Hertha die Wende eingeleitet, sich sehr gut entwickelt und eine erfolgreiche erste Zeit gehabt. Und man sieht auch schon jetzt, dass er die richtigen Ansätze gefunden hat, aber noch fehlen leider die Punkte.

Womit wir wieder am Anfang unseres Gesprächs wären: Schon zu Ihrer Spielerzeit hat es Hertha nicht geschafft, den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden und dauerhaft ganz oben mitzuspielen. Wie wollen Sie jetzt den hohen Zielen vom Big City Club gerecht werden ohne sich erneut zu verheben?

Friedrich: Wir hatten Anfang der 2000er ja auch einige sehr gute Jahre mit der Teilnahme an der Champions League und danach regelmäßig am damaligen UEFA-Cup. Mittlerweile haben wir uns wieder in der Bundesliga etabliert, konnten aber in der jüngeren Vergangenheit noch nicht den nächsten Schritt gehen. Daran arbeiten wir, auch wenn wir aktuell natürlich erst mal nur das Ziel haben, uns schnellstmöglich von den Abstiegsplätzen zu entfernen. Ich bin überzeugt, dass wir da rauskommen. Und danach muss der Blick in die oberen Tabellenregionen gehen.

Als Sie 2002 bei Arminia Bielefeld das Angebot von Hertha BSC vorliegen hatten, wollte Sie Uli Hoeneß laut eigener Aussage noch in letzter Minute zum FC Bayern holen. Wie war das damals?

Friedrich: 2002 habe ich das gar nicht mitbekommen, weil ich mich bereits für Hertha entschieden hatte. 2003 und 2005 haben mich die Bayern dann noch mal kontaktiert, aber ich habe mich trotz aller Angebote auch von anderen Klubs immer entschieden, in Berlin zu bleiben.

Hatte die Absage an Bayern damit zu tun, dass Sie als Kind Anhänger von Borussia Dortmund waren?

Friedrich: Nein. Aber ich gebe zu, dass ich BVB-Fan war. Dortmund ist nicht weit von meiner Heimatstadt Bad Oeynhausen entfernt und ich war häufig als Besucher im Westfalenstadion. Auch Dortmund hatte damals Interesse, aber Hertha hat gewonnen.

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