Sie haben vorhin Ihre Arbeit in der Arbeitsgruppe "Zukunft Profifußball" angesprochen. Da geht es ja auch um eines von Vogts zentralen Themen, nämlich mehr Mitsprache für die Mitglieder. Wie könnte "mehr Mitsprache" konkret aussehen?
Merz: Der Punkt Fan- und Mitgliederbeteiligung ist für mich im Gegensatz zu anderen Bereichen wie der Entwicklung hin von eingetragenen Vereinen zu Kapitalgesellschaften, wo der Zug abgefahren ist, wirklich noch ein Hoffnungsschimmer. Es muss das Ziel, so eine Mitgliederabteilung zu installieren und einen Vorsitzenden zu wählen, der dann auch einen Sitz im Aufsichtsrat bekommt. Auch um anderen Playern wie der DFL, dem DFB oder Vereinen auf Augenhöhe begegnen zu können. Wenn wir das schaffen, wäre das ein großer Schritt für die Stärkung der Mitgliederrechte. Und diesen Weg halte ich auch für gangbar.
Der Vereinsbeirat, der die Mitglieder vertreten soll, hat jetzt eine Personalagentur beauftragt, um noch einen anderen Präsidentschaftskandidaten zu finden. Wie haben Sie das aufgenommen?
Merz: Fassungslos. Das ist wirklich ein Desaster, was dort abgeht. Wir müssen aufpassen, den Vereinsbeirat als Ganzes zu verteufeln, dort gibt es durchaus sehr unterschiedliche Ansichten, aber ganz offensichtlich will die Mehrheit unbedingt verhindern, dass Claus Vogt Präsident bleibt. Eine andere Interpretation sehe ich nicht. Es stellen sich hier schon wieder so viele Fragen, die nicht beantwortet werden. Wie sieht denn das Anforderungsprofil aus, das an die Agentur gegeben wurde? Dieses muss ja Kompetenzen beinhalten, die keiner der aktuellen Bewerber liefern kann. Welcher Kandidat will sich diesen Verein mit dieser Situation überhaupt geben? Höchstens der Name und Geld könnten Argumente sein, aber wir wissen ja nicht mal, ob die Rolle als Ehrenamt ausgeschrieben ist? Dann frage ich mich, wie sich der Verein erst ein Rechtsgutachten und jetzt noch eine Personalagentur leisten kann, wenn er doch von der Existenz bedroht ist? Und dann stellt sich auch die Zeitfrage. In zwei Monaten soll die Mitgliederversammlung stattfinden, aber jetzt beginnt erstmal wieder die Suche nach einem Kandidaten. Die Mitglieder müssen sich vorher ja auch ein Bild von dem Kandidaten machen können. Wird dafür überhaupt genug Zeit sein?
Merz: "Sachthemen statt Grabenkämpfe: Das wäre mein Motto"
Was würde passieren, sollte Vogt nicht aufgestellt werden und die Mitglieder keine Chance bekommen, über seine Arbeit zu urteilen?
Merz: Wenn Vogt nicht aufgestellt wird, wird es auf jeden Fall Abwahlanträge hageln gegenüber des Vereinsbeirats. Wir müssen abwarten, ob die Mitgliederversammlung online stattfinden wird oder ob sie vielleicht verschoben wird und je nach Infektionsgeschehen sogar als Präsenz-Veranstaltung abgehalten werden kann. Aber eines ist klar: Sollten Mitglieder physisch anwesend sein dürfen, würde es zu Tumulten kommen. Und zwar aus gutem Grund. Vogt wurde durch nicht bewiesene oder widerlegte Vorwürfe in Misskredit gebracht. Er ist der Mann, der die Datenaffäre aufklären will. Wird er nicht zur Wahl gestellt, wäre das ein Offenbarungseid und würde sehr tief blicken lassen. Ich will keine apokalyptischen Szenarien an die Wand malen, aber wenn das passiert, werden sich alle Mitglieder und Fans, die sich den Strömungen gerade entgegenstellen, sehr genau überlegen, ob sie sich diese Spielchen immer und immer wieder geben wollen, oder ob sie Konsequenzen ziehen, weil sie einfach keinen Bock mehr darauf haben.
Wie schwer wiegt für Sie der Wortbruch, sollte der Präsident nicht mehr Aufsichtsratsvorsitzender sein, wie es immer versprochen wurde?
Merz: Da gebe ich mich mittlerweile keinen Illusionen mehr hin. Es wäre ein Wortbruch, aber beim VfB gibt es genügend Menschen, die da keine Scham und keine Skrupel hätten, es trotzdem durchzuziehen. Was mal gesagt und versprochen wurde, interessiert dann nicht mehr. Die aktuelle Situation erfordert besondere Maßnahmen, wird es heißen. Wir wissen doch, wie die Rechtfertigung klingen wird.
Um zum Abschluss doch positiv in die Zukunft blicken. Angenommen, Claus Vogt wird aufgestellt und bis 2025 wiedergewählt. Was würden Sie sich für seine erste richtige Amtszeit wünschen?
Merz: Ich würde mir wünschen, dass der Verein schnell wieder zu der Gesamtlage zurückfindet, die wir 2020 größtenteils hatten. Dass es wieder ein gesundes Verhältnis zwischen Mitgliedern und Verein gibt. Darüber hinaus würde ich mir wünschen, dass wir es bis 2025 geschafft haben, die Satzung in die Moderne zu überführen und im Sinne der Mitglieder saubere Regelungen vorliegen. Dazu wäre es schön, wenn Projekte wie der Frauenfußball und die Fan- und Mitgliederbeteiligung einen großen Schritt nach vorne gemacht haben. Gleichzeitig soll die AG, die auch noch ein recht junges Unternehmen ist, professionell geführt werden, Ideen entwickeln, ein Wertebild kreieren und ein positives Betriebsklima schaffen, nach innen wie nach außen. Und wenn dann die sportliche Entwicklung noch so positiv weitergehen würde und sich der VfB in der Bundesliga etabliert hätte, wäre ich rundum zufrieden. Lasst uns um Sachthemen kümmern, statt in Grabenkämpfen zu versinken. Das wäre mein Motto.