Ende des vergangenen Jahres hat es begonnen und es zog sich bis in diesen Sommer hinein. "Ich bin sehr entspannt", wahlweise auch: "Ich bin total entspannt". Ohne Entspannung kein Statement von Mario Götze zu einer Verlängerung seines 2020 auslaufenden Vertrages. Bloß kein Fass aufmachen, wo keines ist, war die Devise. Wird schon alles.
BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke schlug in dieselbe Kerbe: "Mario ist ein Dortmunder Junge, den haben wir nicht bei uns, um mit ihm Geld zu verdienen", sagte er im letzten Dezember. Vier Monate später, Götze war derweil weiterhin entspannt, schloss Watzke einen vorzeitigen Wechsel erneut aus: "Ich gehe hundertprozentig davon aus, dass Mario nächstes Jahr bei uns spielt."
Wie seit Ablauf der Wechselfrist am 2. September bekannt ist, lag der Dortmunder Boss damit richtig. Jedoch auch nur knapp, denn das Interesse von Inter Mailand an Götze ist verbrieft und war akut. Und es ist auch nicht abgeflaut, die Nerazzurri wollen es im Winter oder spätestens im kommenden Sommer, da wäre Götze dann ablösefrei, erneut versuchen.
Götzes Situation beim BVB erinnert an die Vorsaison
Das monatelange Diktum von der Entspanntheit entpuppte sich also als ziemliches Märchen. Das hatte man ahnen können, wenn man die weiteren Aussagen der Protagonisten verfolgte. "Wir werden nach dem Trainingslager miteinander sprechen. Dann schauen wir, ob beide Seiten miteinander zusammenarbeiten möchten", hieß es nach dem Start in die neue Saison plötzlich nur noch aus Watzkes Mund.
Im Trainingslager äußerte sich Watzke dann so: "Mario ist ein Spieler, der bei uns immer eine sehr hohe Wertschätzung genießt. Ich bin mir sicher, dass kaum ein Klub einem Spieler mehr Wertschätzung entgegengebracht hat als wir Mario in seiner schwierigen Zeit. Aber am Ende müssen beide Seiten mit einem Verhandlungsergebnis zufrieden sein." Ende August kam Watzke der Wahrheit einen weiteren Schritt näher: "Es wird auch davon abhängen, wie viel Spielanteile er bekommt und wie sein sportlicher Stellenwert ist."
Beides, Spielanteile wie Stellenwert, scheinen wie schon im Vorjahr zum Saisonstart unter Trainer Favre recht mickrig zu sein. Damals änderte sich seine Situation erst im Oktober, nachdem er in den ersten sechs Bundesligaspielen kein einziges Mal auflaufen durfte.
Favre über Götze: "Wir haben vorne viel Konkurrenz"
Aktuell kommt Götze auf lediglich 23 Pflichtspielminuten, in drei der bisherigen fünf Spiele kam er überhaupt nicht zum Einsatz. Darauf angesprochen kam von Favre die erwartbare, ausweichende Replik: "Wir haben vorne viel Konkurrenz."
Das ist korrekt, vor allem die flexibel einsetzbaren Neuzugänge Thorgan Hazard und Julian Brandt, aber auch ein mittlerweile fitter Paco Alcacer machen es Götze schwer, in die erste Elf zu rutschen. Die Marschroute, die Götze in Sachen Zukunft beim BVB für sich selbst zurechtlegte, scheint sich also als die richtige herauszustellen: "Ich werde schauen, wie sich die Situation über die Saison hinweg entwickelt, welche Rolle ich spiele, in welcher Rolle mich Klub und Trainer sehen", sagte der 27-Jährige Ende Juli.
Freilich kann sich das derzeitige Reservistendasein auch schnell wieder ins Gegenteil verkehren. Das war ja auch in der Vorsaison der Fall, als Götze in 26 Bundesligaspielen letztlich noch sieben Tore erzielte und sieben Vorlagen lieferte - es war dank beständig guter Leistungen als falscher Neuner die beste Saison, die Götze seit seiner Rückkehr nach Dortmund 2016 spielte.
BVB bietet Götze Verlängerung - aber zu geringeren Bezügen
In welcher Rolle ihn der Verein sieht, das kann sich Götze hingegen längst selbst beantworten. Schließlich ist dies der Knackpunkt bei den Vertragsgesprächen: Der BVB hat Götze einen Kontrakt zu geringeren Bezügen vorgelegt, den dieser nicht unterschreiben möchte. Die Dortmunder sollen bereit sein, Götze mit sieben bis acht Millionen Euro jährlich zu entlohnen, was jedoch rund 25 Prozent weniger Gehalt bedeutet als aktuell.
Davon scheint der BVB trotz der laufenden Gespräche auch nicht abrücken zu wollen. Einen ablösefreien Götze-Abgang im kommenden Jahr würde man wohl eher in Kauf nehmen als eine Verlängerung zu weiterhin achtstelligen Bezügen. Der Borussia geht es in dieser Causa neben der Gehaltshygiene, Rückkehrer Mats Hummels ist erst kürzlich in den Bereich von Top-Verdiener Marco Reus aufgerückt, auch um Götzes Bedeutung für die Mannschaft.
Unersetzlich ist der Weltmeister von 2014 nämlich auch trotz des Leistungsaufschwungs im Vorjahr nicht, zumal Favre weiterhin skeptisch zu bleiben scheint und nun auch einen Kader hingestellt bekommen hat, der noch mehr Optionen als im letzten Jahr bietet, um auf Götze verzichten zu können. Für den Schweizer erhöht sich dadurch allerdings auch das Risiko, das Moderieren frustrierten Personals gehörte schließlich noch nie zu seinen Stärken.
Fans werfen Götze Undankbarkeit vor
Dass Götze beim Dortmunder Vertragsangebot wiederum nicht sofort freudig in die Hände klatscht und unterschreibt, liegt in dieser Gemengelage auf der Hand. Favres aktuelle Entscheidungen sowie die Offerte des Klubs bezeugen ja de facto keine gestiegene Wertschätzung. Nachvollziehbar also, dass Götze mit 27 Jahren nicht darauf anspringt, künftig schlechter zu verdienen und zugleich einen geringeren sportlichen Stellenwert zu besitzen.
In den sozialen Medien werfen ihm viele Fans aufgrund dieser Haltung Undankbarkeit vor. "Es ist logisch, dass das Ausland in den Überlegungen auch mal eine Rolle spielt. Als Fußballer hast du das Privileg, in nahezu jedem Land der Welt arbeiten zu können", ließ Götze vor Saisonbeginn vielsagend durchblicken.
Es ist davon auszugehen, dass die Borussia dem Offensivakteur genug Zeit für seine Entscheidung einräumen wird - allerdings ohne dabei die Deutungshoheit verlieren zu wollen. Das Bestreben, Götze weiter in Dortmund zu halten, hat der Klub ja dokumentiert.
Problematisch könnte es allerdings werden, wenn sich das Thema wie in der letzten Saison verselbständigt, anderes überlagert und für wochenlange Unruhe sorgt. Total entspannt kann bei der Personalie Götze jedenfalls keiner mehr sein.
Götze: Einsatzzeiten bei den BVB-Trainern seit seiner Rückkehr
Trainer | Pflichtspiele | Tore | Assists |
Lucien Favre | 36 | 7 | 7 |
Peter Stöger | 17 | 1 | 3 |
Peter Bosz | 15 | 1 | 4 |
Thomas Tuchel | 16 | 2 | 2 |