Frank Geideck von Borussia Mönchengladbach im Interview: "Ich dachte, für Favres Fußball bräuchte es eine Barca-Mannschaft"

Frank Geideck ist seit 2009 Co-Trainer von Borussia Mönchengladbach.
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Im Oktober wird Frank Geideck 25 Jahre durchgängig als Co-Trainer gearbeitet haben und an der Marke von 900 betreuten Profispielen kratzen. In diesem Sommer feierte der 52-Jährige sein zehnjähriges Dienstjubiläum bei Borussia Mönchengladbach.

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Im Interview mit SPOX und Goal spricht Geideck über die Anfänge seiner Karriere, den Posten als Cheftrainer und seine veränderte Wahrnehmung des Fußballs dank der Zusammenarbeit mit Lucien Favre.

Zudem erzählt er, wie er sich an das Aus von Dieter Hecking an seinem eigenen Geburtstag erinnert, wie er mit dem Schwebezustand als Co-Trainer umgeht und warum er sich wegen eines Schuldirektors mit Irokesenschnitt kaputtlachte.

Herr Geideck, Sie sind im Oktober 1994 erstmals Co-Trainer geworden, damals in Ihrer Heimat bei Arminia Bielefeld. Seitdem arbeiteten Sie mit elf unterschiedlichen Trainern zusammen. Wissen Sie auswendig, wie viele Pflichtspiele Sie als Co-Trainer bereits hinter sich gebracht haben?

Frank Geideck: Keinen Schimmer. Weit weg von 1.000 bin ich aber wohl nicht mehr.

Es sind 879. Hinzu kommen noch sieben Partien, bei denen Sie als Interimscoach in Bielefeld tätig waren. 114 Partien fehlen also noch, um die 1.000 voll zu machen. Würde Sie das freuen?

Geideck: Es ist überhaupt kein Ziel für mich und mir auch vollkommen wurscht. Hinter der Zahl steht ja, dass ich schon lange dabei bin, viel mitgemacht habe und glücklicherweise durchgängig ohne Pause im Job war. Ich hoffe, dass es noch lange geht, aber das orientiert sich nicht an Statistiken.

Wie lange denn?

Geideck: Keine Ahnung. Ich hatte in dieser Hinsicht noch nie einen Plan. Dass ich 25 Jahre lang Co-Trainer sein werde und lediglich bei zwei Vereinen war, damit hätte ich vorab ja auch nicht gerechnet.

SPOX-Redakteur Jochen Tittmar sprach mit Frank Geideck im Gladbacher Trainingslager in Rottach-Egern.
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SPOX-Redakteur Jochen Tittmar sprach mit Frank Geideck im Gladbacher Trainingslager in Rottach-Egern.

Sie waren als Spieler und Trainer insgesamt 21 Jahre in Ihrer Geburtsstadt bei Arminia angestellt. Nachdem Bielefeld in der Saison 1995/96 in die Bundesliga aufstieg und Sie bereits als spielender Co-Trainer agierten, beendeten Sie Ihre Spielerkarriere - und wurden Co-Trainer von Ernst Middendorp. Wie sind Sie damals dazu gekommen?

Geideck: Ernst hat mich schlicht gefragt, ob ich das mache möchte. Ich war 27 Jahre alt, hatte Sport mit Schwerpunkt Rehabilitation und Prävention studiert und nebenbei in einem ambulanten Rehazentrum gearbeitet. Ich kam also aus der theoretischen Universitätslandschaft, war aber auch im Fußball und somit in beiden Welten zu Hause. Das passte alles irgendwie zusammen. Zumal ich als Spieler auch nicht so gut war, dass ich die 1. Liga auseinander gespielt hätte. (lacht) Die Arbeit im Rehazentrum wurde schließlich zu viel und ich habe nur noch den Co-Trainer gemacht.

Wie sehr hat sich Ihre Arbeit im Laufe der Jahre verändert, wenn Sie gerade an diese Anfangszeit zurückdenken?

Geideck: Der Fußball ist seitdem eine ganz neue Sportart geworden. Der Beruf als Co-Trainer hat sich entsprechend komplett verändert. Früher gab es Chef-, Co- und Torwarttrainer - das war's. Ich weiß noch, wie ich Videoanalyse mit VHS-Kassetten gemacht habe, die ich dauernd vor- und zurückspulen musste. Die heutige Arbeit hat bei Umfang und Inhalt nichts mehr mit damals zu tun.

Kürzlich feierten Sie Jubiläum, denn seit nun zehn Jahren arbeiten Sie für Borussia Mönchengladbach und haben dort mit Michael Frontzeck, Lucien Favre, Andre Schubert, Dieter Hecking und jetzt Marco Rose schon fünf Trainer erlebt. Hätten Sie im Juli 2009 gedacht, dass es Sie so lange bei den Fohlen hält?

Geideck: Nein, das wäre vermessen gewesen. Die durchschnittliche Verweildauer eines Trainers in der Bundesliga beträgt 13 Monate. Mein Job als Co-Trainer hängt dadurch auch immer etwas in der Schwebe. Es gehört zu meinen Aufgaben, mich immer wieder an die einzelnen Trainer zu adaptieren. Wenn ich mich selbst zu 100 Prozent verwirklichen wöllte, müsste ich selbst Cheftrainer werden.

Mit Ihrer Vita gehören Sie einer speziellen Spezies an: den ewigen Co-Trainern. Peter Herrmann, Roland Koch oder Seppo Eichkorn sind weitere Beispiele. Dabei haben Sie einst in Bielefeld selbst einmal gesagt: "Ich hätte es durchziehen müssen. Ich habe den Sprung auf den Posten des Cheftrainers nicht mit letzter Konsequenz gemacht." Wie war das gemeint?

Geideck: Bei den Malen, als ich in Bielefeld als Cheftrainer übernahm, hatte ich mir immer die Zusage geben lassen, dass ich wieder Co-Trainer werden kann, wenn es nicht funktioniert. Das war rückblickend sicherlich ein Fehler und inkonsequent, weil ich deshalb Entscheidungen nicht bis zur letzten Konsequenz durchgezogen habe. Mir hat in dem Moment die letzte Überzeugung gefehlt.

Haben Sie grundsätzlich einmal in Ihrer Karriere in Richtung Cheftrainerposten gestrebt?

Geideck: Ich war bei Arminia im Februar 2007 eigentlich nicht Interims-, sondern Cheftrainer. Das war keine Übergangsphase, sondern es war geplant, dass kein neuer Trainer kommt. Ich sollte das länger machen als letztlich nur die vier Spiele. Es hatte interne Gründe, warum das nicht so funktioniert hat - aber es lag auch an meiner gerade erwähnten Inkonsequenz.

Lagen Ihnen auch einmal konkrete Angebote vor, um irgendwo Cheftrainer zu werden?

Geideck: Nein. Die erste Reihe wäre sicherlich gewöhnungsbedürftig gewesen, aber ich hätte mich nicht davor gescheut. Es hat sich einfach nicht ergeben.

Wie denken Sie heute darüber: Sind Sie froh, dass es so gekommen ist?

Geideck: Ich bin froh, so wie es ist. Ich gehe jeden Tag gerne zur Arbeit, auch in sportlich schwierigen Phasen. Ich denke nicht: Zum Glück bin ich damals nicht dauerhaft Cheftrainer geworden oder vielleicht wäre es ja besser gewesen, wenn ich es doch geworden wäre.

Den Cheftrainer Geideck wird's also nicht mehr geben?

Geideck: Eine absolute Aussage will ich nicht treffen, weil ich nicht weiß, was in ein paar Jahren ist. Ich denke wirklich nicht darüber nach.

Sie haben einmal gesagt: "Ostwestfalen ist meine fußballerische Sozialisation. Mönchengladbach ist meine erste Auslandsstation."

Geideck: Ich bin eben 500 Meter Luftlinie von der Bielefelder Alm aufgewachsen. Dazwischen lag meine Grundschule und die Universität, auch das Gymnasium war dort. Mein ganzes Leben und Umfeld hat sich sozusagen in diesem Mikrokosmos abgespielt. Und zu meinem fünften Geburtstag habe ich die Mitgliedschaft bei Arminia geschenkt bekommen.

Wie hat es Michael Frontzeck denn dann überhaupt angestellt, dass Sie Arminia verlassen haben?

Geideck: Ich hatte als Co-Trainer schon Angebote, um den Verein zu wechseln. Beim Gladbacher Angebot stimmte für mich einfach das vielzitierte Gesamtpaket: mein Alter, die familiäre Situation, der Bezug zum Verein - zuvor hatten diese Komponenten immer nie so wirklich gepasst. Die Borussia war in den 1970er Jahren zudem auch mein zweiter Verein neben Arminia. Ich hatte sogar ein T-Shirt von Allan Simonsen aus unserem Dänemark-Urlaub. Und dann war Michael vor allem ein fantastischer Vorgesetzter und super Typ. Es hat sehr gut mit ihm harmoniert.

Das soll es Ihren Aussagen nach auch mit Favre. Sie sagten einmal, er habe Ihnen eine neue Sicht auf das Spiel eröffnet. Inwiefern?

Geideck: Bei Uwe Rapolder in Bielefeld war es ähnlich wie bei Lucien. Ich hatte zuvor quasi nur ein Gefühl, wie Fußball funktionieren könnte, aber es fehlten noch die Struktur, eine konkrete Sichtweise und die Möglichkeiten, dies auch einer Mannschaft vermitteln zu können. Ich vergleiche das gerne mit einer Tür, die einen Spalt weit aufsteht. Man hat eine Ahnung, was dahinter ist, aber weiß es nicht genau. Uwe hat mir die Tür zu einem besseren Spielverständnis das erste Mal aufgestoßen. Er hat seinen Fußballlehrer interessanterweise wie Lucien auch in der Schweiz gemacht. Durch beide ergab sich für mich von vorne bis hinten eine Struktur, es fügten sich Teile zusammen und ergaben ein Bild.

Was kam durch Favre für Sie hinzu, was Sie von Rapolder noch nicht kannten?

Geideck: Was bei Lucien anders neu war, ist das Spiel im eigenen Ballbesitz mit einem klar strukturierten Positionsspiel gewesen. Ich war anfangs auch wirklich skeptisch und nicht sicher, ob das so wie von ihm skizziert funktionieren würde. Ich dachte immer, es bräuchte eine Barcelona-Mannschaft, um eine solche Ballbesitz-Philosophie umsetzen zu können. Dies so zu spielen, wie es Lucien tat, haben zu dieser Zeit nicht viele in Deutschland gemacht.

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