Robert Lewandowski und der FC Bayern: Fast wie neu geboren

Von Dennis Melzer
Robert Lewandowski erzielte in der laufenden Bundesligasaison bislang neun Tore.
© getty

Der Aufschwung beim FC Bayern München lässt sich wohl am deutlichsten an der Miene seines Torjägers ablesen. Nach dem 3:0 gegen den 1. FC Nürnberg war Robert Lewandowski für seine Verhältnisse geradezu euphorisch und nahm sich Zeit, die Gründe für die Trendwende zu erklären. Eine Umstellung von Niko Kovac gefällt ihm dabei besonders.

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Es kam wahrlich in den vergangenen Wochen nicht häufig vor, dass Robert Lewandowski im Anschluss an ein Spiel des FC Bayern in der heimischen Allianz Arena ein paar Minuten für die anwesende Reporterschar abknapsen wollte. Vielmehr waren Lewys schweigsame Mixed-Zone-Erscheinungen seit mindestens Ende September im Zweiwochentakt Deja-vu-Erlebnisse.

Wie ein Geist schwebte der zumeist merklich schlechtgelaunte polnische Torjäger über den genoppten Kautschukboden, der großflächig im grauen Bauch der Allianz Arena verlegt ist. Das Rechtfertigen, Hadern und Selbstkritisieren überließ er in Krisenzeiten stets seinen Kollegen, den üblichen verdächtigen: Manuel Neuer, Thomas Müller, Joshua Kimmich, Arjen Robben, zuletzt auch Leon Goretzka.

Lewandowski: 1. Bundesliga-Heimspieltreffer seit Spieltag 1

Am späten Samstagnachmittag brach Lewandowski sein Katakomben-Schweigen, schlenderte fidel vor die Journalisten. Kein Wunder, immerhin hatte der 30-Jährige erstmals seit dem 24. August, also seit Spieltag eins der aktuellen Saison, bei einem Bundesliga-Spiel im eigenen Wohnzimmer wieder getroffen.

Beim souveränen 3:0 gegen den 1. FC Nürnberg steuerte er zwei Treffer bei, brachte die Bayern mit einem Kopfballtor und einem mittelstürmertypischen Abstauber auf die Siegerstraße. Bereits sein 42. Doppelpack in Deutschlands Beletage, nur der legendäre Bayern-Bomber Gerd Müller netzte noch häufiger zweifach in einer Partie (55-mal).

Sicherlich einer der Gründe, warum Lewandowski so gelöst wirkte, quasi mit sich und dem Team im Reinen wie selten in dieser Spielzeit. "Das ist für die ganze Mannschaft wichtig, weil alle ihren Anteil daran haben. Das macht selbstbewusster. Ich glaube auch, dass dieser Trend im Moment sehr wichtig für uns ist."

Der vom Mittelstürmer angesprochene Trend heißt, dass die Münchner die letzten drei Pflichtspiele allesamt siegreich gestaltet hatten. Auf ein 5:1 gegen Benfica am vorvergangenen Dienstag, bei dem Lewandowski ebenfalls zwei Tore erzielte, folgte ein mühsames, aber verdientes 2:1 beim SV Werder Bremen und eben der souveräne Aufgalopp im prestigeträchtigen Duell zwischen Oberbayern und Mittelfranken.

"Ich glaube, wir haben unseren Rhythmus wieder", sagte der dreimalige Bundesliga-Torschützenkönig weiter und führte aus: "Wir stehen auch defensiv mittlerweile wieder stabiler. Das funktioniert besser. Diese Automatismen kommen wieder." Positive Aspekte, die aus Sicht des jahrelangen Dauerdominators vor allem wieder zu gelingen scheinen, nachdem vier Führungsspieler von der Chefetage um Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und Hasan Salihamidzic zum Rapport zitiert worden waren.

Robert Lewandowski: "Danach spürst du die Erleichterung"

Auch Lewandowski zählte zu dem erlesenen Quartett, das von Thomas Müller, Franck Ribery und Kapitän Manuel Neuer komplettiert wurde. Im Interview mit der SportBild hatte der 102-fache Nationalspieler diesbezüglich berichtet: "Der Austausch hat uns allen geholfen, Kraft gegeben. In solch einer Situation, wie wir sie hatten, muss man diskutieren, analysieren." Er schob nach: "Alle Seiten haben erklärt, was man besser machen kann. Danach spürst du eine Erleichterung, es ist einfacher, weiterzuarbeiten." Der ganze Verein profitiere von den Gesprächen zwischen Spielern und Bossen. "Jetzt gehen wir alle zusammen in eine Richtung", so der ehemalige Dortmunder weiter.

Dass man fortan wieder einen gemeinsamen Weg eingeschlagen hat, statt Abzweigungen zu Nebenkriegsschauplätzen zu nehmen, wo Maulwürfe ihr Unwesen treiben oder die Instagram-Storys von Spielerfrauen zum Staatsakt hochstilisiert werden, ist auch ein Verdienst von Niko Kovac, der während der Krisenanalyse offensichtlich nicht den beratungsresistenten, überambitionierten Trainer gab, sondern bereitwillig an diversen Stellschrauben drehte, beispielsweise die große Rotation eindämmte, Joshua Kimmich und Leon Goretzka auf die Sechserpositionen beorderte und Thomas Müller mehr Freiheiten hinter Lewandowski gewährte.

Lewy über Kovac: "Nur so kann er ein besserer Trainer werden"

"Der Trainer versuchte, Dinge zu verändern, als es nicht lief. Da geht es um Kleinigkeiten, um Details", verriet Lewandowski in der SportBild. "Wenn er diese Einsicht zeigt, ist das kein Zeichen von Schwäche. Nur so kann er ein besserer Trainer werden." Explizit auf Müllers veränderte Rolle und den damit verbundenen unübersehbaren Aufschwung im Angriffsspiel angesprochen, zeigte sich Münchens Goalgetter in der Mixed Zone angetan: "Ich denke, dass das für beide Seiten besser ist. Thomas profitiert davon, wenn er mit mir zusammenspielen kann und umgekehrt genauso. Wir sind dadurch mehrere Spieler im Strafraum. Ich habe dann auch mehr Platz und es wird einfacher, weil ich nicht alleine gegen zwei oder drei Gegner kämpfen muss."

Genau so soll es natürlich in der Königsklasse weitergehen. Am kommenden Mittwoch treffen die Bayern in Amsterdam auf Ajax (20.45 Uhr im LIVETICKER), wo es um den Gruppensieg und damit um eine vermeintlich komfortablere Situation fürs Achtelfinale geht. Die ganz großen Brocken könnte man vorerst umschiffen. "Theoretisch spielt man dann gegen die vermeintlich einfacheren Gegner", sagte Lewandowski. Generell sei es wichtig, die Vorrunde auf dem tabellarischen Platz an der Sonne abzuschließen.

Apropos Wichtigkeit: Der gebürtige Warschauer ist derzeit auf dem besten Wege, wieder zum entscheidenden X-Faktor im Spiel der Bayern zu avancieren. Insgesamt kommt Lewandowski in der laufenden Runde bislang zwar auf beeindruckende 19 Tore in 20 Pflichtspielen, trotz zwischenzeitlicher Allianz-Arena-Ladehemmung in der Liga. Während der schwierigen Wochen ließ aber auch er bisweilen seine Kaltschnäuzigkeit vermissen. Besonders bei der Mission, Spitzenreiter und Mannschaft der Stunde, Borussia Dortmund, vom temporären Thron zu stoßen, sind die Münchner auf einen verlässlich treffenden Lewandowski angewiesen.

Robert Lewandowskis Statistiken der Saison

WettbewerbSpieleTore
Bundesliga139
DFB-Pokal11
Champions League56

Lewandowski: "Es ist als Jäger einfacher"

"Wir müssen erst einmal an uns denken. Der Abstand auf Dortmund ist schon groß. Wir haben schon genug Punkte verloren, müssen erstmal unseren Job machen und dann können wir auf die anderen Mannschaften schauen", stellte er mit Hinblick auf die Tabellensituation klar. Dass Lewandowski die ungewohnte Rolle als Jäger sogar begrüßt, hatte er jüngst ebenfalls im SportBild-Interview verraten.

Die Begründung: "Wir haben in den letzten Jahren immer nach hinten geschaut. Wenn du siehst, jemand ist vor dir - das bedeutet, dass du mehr unter Spannung bist. Du willst es dann umso mehr schaffen, dieses Team einzuholen. Es ist als Jäger einfacher, von hinten zu attackieren, als wenn du als Erster auf die Attacken von hinten schauen musst."

Jetzt, da Lewandowski in der Bundesliga auch wieder dahoam knipst, die Stimmung - auch dank des Krisengesprächs - insgesamt wieder stimmt, darf die eine oder andere Attacke auf den bis dato sehr gefestigten BVB mit Spannung erwartet werden. Ob im Mai dann ein mürrischer oder spürbar erleichterter Lewy in der Mixed Zone aufschlägt? Wer weiß.

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