Max Kruse hat zwei Bundesliga-Partien hinter sich, die ihn persönlich frustriert haben dürften: Gegen den SC Freiburg und den Hamburger SV war die Bremer Sturmspitze im Vergleich zu den Spielen zuvor abgemeldet. Auf jeweils nur einen Torschuss und eine Torschussvorlage kam der Angreifer, auch über Standards konnte er nicht wirklich Gefahr versprühen.
Die Gegner hatten sich gut auf ihn eingestellt, ihn über weite Strecken sogar in Manndeckung genommen. Schließlich ist er nicht nur Werders Vollstrecker, sondern gleichzeitig eine Art kreative Schaltzentrale - keiner bereitet im Team so viele Abschlüsse vor wie er. "Kruse ist der Unterschiedsspieler", hatte SC-Trainer Christian Streich richtig erkannt. Ohne ihn sei Bremen "Durchschnitt", wenn überhaupt.
Jetzt geht es gegen Mönchengladbach. Kruses Trainer Florian Kohfeldt hofft auf andere Vorzeichen und somit bessere Bedingungen für seinen wichtigsten Mann. Im Gegensatz zu Freiburg oder dem HSV habe Gladbach "den Anspruch, selbst das Spiel zu bestimmen". Er rechne mit Pressing, aber eben auch Gelegenheiten durch Konter. Und mehr Platz für Kruse: "Freiburg und der HSV hatten sich extrem auf das Spiel von Max eingestellt. Das erwarte ich aber nicht von Gladbach, die sich nicht so sehr nach uns richten werden."
Am Wochenende hatte er erstmals angedeutet, den Stürmer im Mittelfeld spielen zu lassen, um gegnerische Manndeckung so zu erschweren. Das ist nun doch kein Thema. Doch am Niederrhein weiß man aus erster Hand um Kruses Stärken.
Mönchengladbach hat Respekt vor Kruse
Schließlich schnürte der mittlerweile 29-Jährige von 2013 bis 2015 seine Schuhe für die Fohlen - und das nicht gerade erfolglos: In 77 Pflichtspielen für die Borussia kam Kruse auf 45 Torbeteiligungen (25 Tore, 20 Vorlagen).
Im ersten Jahr landete das Team auf Rang sechs, danach sogar auf dem dritten Platz. Übrigens: In den letzten sechs Spielzeiten war Kruse immer Topscorer seines Teams, ob in St. Pauli, Freiburg, Mönchengladbach oder Bremen.
Der Respekt vor Kruse ist dementsprechend groß: "Er hat diese positive Arschloch-Mentalität, dass er einfach alles für den Sieg tut", lobte Manager Max Eberl vor einigen Wochen. Übersetzt: So sicher sollte sich Kohfeldt nicht sein, was eine fehlende Sonderbewachung für Kruse angeht. "Er ist ein Riesenfaktor für die Bremer", betonte Eberl.
Max Kruse: Skandalnudel oder Musterprofi?
"Positive Arschloch-Mentalität": Mit dieser Bezeichnung könnte Kruse wohl leben, auch wenn er sich nach eigener Aussage nicht wirklich um die Labels schert, die ihm in der Öffentlichkeit aufgedrückt werden. Er ist einer dieser Typen, deren Niedergang in der Öffentlichkeit so oft beklagt wird.
Ein Typ mit Ecken und Kanten eben. Einer, der den Rennstall "Max Kruse Racing" gegründet hat, leidenschaftlich gern zockt und für ein Pokerturnier auch schonmal ins Ausland fährt. Der sich nach einer Ernährungsumstellung Marke "Musterprofi" so schlapp fühlte, dass es jetzt doch wieder Nutella zum Frühstück gibt und schachtelweise Chicken McNuggets zum Super Bowl. Der auch mal Fehler macht und auf dem Titelblatt der größten deutschen Boulevardzeitung landet.
Aber eben auch einer, der die ihm gegebenen Freiheiten mit Leistung und Einsatzwille auf dem Platz zurückzahlt. Der keinen Alkohol anrührt und aus seiner Jugendzeit als Schieds- und Linienrichter einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn mitbringt. Der seinen Wechsel 2015 zum VfL Wolfsburg öffentlich als "sicher nicht die beste Entscheidung" bedauert hat und sich in Bremen pudelwohl fühlt, auch wenn es in China einen dickeren Gehaltsscheck gegeben hätte und keine ständigen Abstiegssorgen.
Kohfeldt und Kruse haben Werder wieder stark gemacht
Die Kombination aus Kohfeldt und Kruse funktioniert. "Er versucht uns viel mit auf den Weg zu geben, er hat seine eigene Philosophie. Natürlich trifft er im Endeffekt die Entscheidung, aber er holt sich durchaus auch noch eine zweite oder dritte Meinung von uns ein. Das finde ich persönlich sehr, sehr gut", erklärte der Angreifer, der hautnah miterleben durfte, wie das Team unter Kohfeldt einen Leistungssprung gemacht hat und zuletzt auch spielerisch überzeugen konnte.
Was sich in Kruses Torquote widerspiegelt: Unter Vorgänger Alexander Nouri war er torlos geblieben, dazu kam ein Schlüsselbeinbruch im September. Es folgte die Wende: In seinen letzten zwölf Einsätzen in der Bundesliga kommt Kruse auf elf Scorerpunkte (5 Tore, 6 Assists), gegen Hannover gelang ihm ein lupenreiner Hattrick.
Kohfeldt hat die richtige Mischung gefunden: Mit Florian Kainz, Aron Johansson oder Zlatko Junuzovic auf den Flügeln kann sich Kruse immer wieder ins Mittelfeld zurückfallen lassen und das Spiel schnell machen, bevor er selbst im Strafraum auftaucht. Auf und abseits des Platzes soll er das Team führen. "In Bremen spiele ich eine andere Rolle. Hier geht es auch darum, dass ich das Team mitreiße", betonte er im Interview mit 11Freunde.
Wäre Kruse 2016 fast nach Mönchengladbach gewechselt?
Nun geht es zum ersten Mal im Bremer Trikot zurück nach Mönchengladbach. In der Saison 2016/2017 musste er verletzt passen - und mit ansehen, wie Coach Viktor Skripnik nach einem 1:4 entlassen wurde. Überhaupt war die Bilanz der Grün-Weißen dort in den letzten Jahren verheerend: Ein Punkt aus den letzten sechs Spielen, 5:23 Tore.
Wenn die Fohlen Kohfeldt den Gefallen tun und Kruse an der längeren Leine lassen, könnte man etwas Zählbares an die Weser mitnehmen. Gladbachs Kruse ist der derzeit verletzte Raffael ausschalten, der in 13 Spielen gegen Werder acht Treffer erzielte.
Diesen Raffael hätte Kruse 2016 übrigens um ein Haar ersetzt. Als es nämlich so schien, als könne der Brasilianer nicht gehalten werden, dachte Eberl an eine Rückkehr des Torjägers: "Ja, es gab bei uns die Überlegung, Max vor dieser Saison zurückzuholen. Sportlich wissen wir, dass er gepasst hätte."
Als Raffael doch verlängerte, war das nötige Kleingeld nicht mehr vorhanden, also landete Kruse in Bremen. Zurück zu den Anfängen quasi, schließlich hatte er für Werder am 29. September 2007 sein erstes Bundesligaspiel gemacht. 8:1 hieß es damals gegen Arminia Bielefeld, Kruse steuerte eine Vorlage bei: "Jetzt möchte ich versuchen dabei zu helfen, dass der Verein wieder zu alter Stärke zurückfindet."