Entschuldigen? Ja. Bereuen? Nein. Zinedine Zidane wählte drei Tage nach seinem Kopfstoß gegen Marco Materazzi im WM-Finale 2006 den diplomatischen Weg. "Ich entschuldige mich bei den Kindern, die das gesehen haben. So darf man sich nicht verhalten", sagte der Franzose über seinen Fehltritt, der gleichzeitig sein dramatisches Karriereende bedeutete.
Die Situation war eine andere, das Ergebnis dasselbe. Auch Leon Goretzka holte am Samstagabend gegen Salih Özcan zum Kopfstoß aus. Seine Attacke folgte jedoch nicht auf eine wiederholte Provokation seines Gegenspielers. Özcan schrie Goretzka lediglich an, der reagierte über.
Bei hochkochenden Emotionen kann man mal die Fassung verlieren, sollte man nicht, aber das gehört zum Sport dazu. Goretzkas größter Fehler folgte aber im Anschluss an die Partie, als der Schalker den Vorfall peinlich herunterspielte.
"Ich will einfach impulsiv aufstehen", sagte der 22-Jährige gegenüber Sky. Er gebe zu, dass es unglücklich aussehe. Eine Absicht ließ sich Goretzka nicht unterstellen.
Goretzka: "Ich heiße nicht Zinedine Zidane"
Diese ist jedoch für jedermann klar ersichtlich. Eine einfache Entschuldigung und die Sache wäre erledigt. Goretzka hatte sowieso nichts zu befürchten, da sich Schiedsrichter Tobias Stieler trotz guter Sicht gegen eine Ahndung der Aktion entschied - Tatsachenentscheidung.
Goretzka büßte durch den Umgang mit seinem offensichtlichen Fehler Sympathiepunkte ein. Dabei hatte es Teamkollege Ralf Fährmann in der Woche zuvor noch vorgemacht. Nach seinem provokanten Jubel in Richtung Fankurve von Borussia Dortmund hatte sich der Keeper entschuldigt. Das Thema war erledigt.
"Ich heiße nicht Zinedine Zidane. Es ist unnötig, darüber zu diskutieren", sagte Goretzka stattdessen. Ein Statement, das eigentlich nicht zu dem Schalker Youngster passt, meinte Peter Neururer im Sport1-Doppelpass am Sonntag.
Auch Domenico Tedesco zeigte sich etwas verwundert ob der trotzigen Reaktion seines Schützlings. Der Knappen-Trainer schätzte den Kopfstoß realistischer ein. "Das geht nicht und das weiß er auch", widersprach der Trainer Goretzka am Sky-Mikrofon.
Heidel über Goretzka: "Haben insgesamt extrem Glück gehabt"
Goretzka heißt nicht Zidane, Özcan nicht Materazzi. Die coole Reaktion des 19-Jährigen, der sich nicht theatralisch fallen ließ, war mit ein Grund dafür, dass Goretzka ohne Schaden davongekommen ist. "Özcan ist sportlich fair. Wir haben insgesamt extrem Glück gehabt", lobte Sportdirektor Christian Heidel den Kölner.
Möglicherweise steigen Goretzka seine Zukunftspläne zu Kopf. Er sei in der finalen Phase seiner Überlegungen, wird der Nationalspieler in der Bild zitiert. Spätestens im Januar will er seine Entscheidung fällen.
Dass das Geld bei seinen Überlegungen überhaupt keine Rolle spiele, spiegelt den Charakter Goretzkas schon eher wider als seine unnötige Flucht in Ausreden. Wahrlich ist Goretkza nicht Zidane, dazu fehlt es ihm nicht nur (noch) an Klasse auf dem Platz.