Unter dem Radar

Von Jonas Rütten
Mit Köpfchen und Körper: Philipp Max ist in seinem dritten Bundesliga-Jahr fitter und besser denn je
© getty

Heimlich, still und leise hat sich beim FC Augsburg ein Linksverteidiger in den Fokus gespielt: Philipp Max ist nach dem 13. Spieltag der Top-Vorbereiter der Bundesliga und nicht mehr aus der Fuggerstädter Startelf wegzudenken. Seine Entwicklung bringt Max sogar internationale Lorbeeren ein. Die Zeiten, in denen der Linksverteidiger im riesigen deutschen Talente-Pool unterzugehen schien, sind mittlerweile vorbei. Wandelt er nun sogar auf den Spuren Helmut Hallers?

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Viele staunten nicht schlecht, als der Guardian vor knapp drei Wochen eine Liste von zehn Spielern aus den europäischen Top-Ligen veröffentlichte, die im Vergleich zur vergangenen Saison den größten Leistungssprung gemacht haben sollen. Neben Ciro Immobile, Nabil Fekir und Simone Zaza fand sich dort nämlich auf Platz zehn auch ein gewisser Philipp Max im Kreise der internationalen Entwicklungs-Prominenz wieder.

"Philipp, wer?", wird sich ein Großteil der britischen Leserschaft gefragt habe. Und auch der Guardian war sich der Unbekanntheit von Max offensichtlich bewusst, verwies das Blatt doch in der Beschreibung explizit darauf, den Linksverteidiger nicht mit dem Dortmunder 20-Millionen-Transfer Maximilian Philipp zu verwechseln.

Nur ein kleiner, aber feiner Ausdruck des Außenseiter-Standings, welches Max immer noch anzuhaften scheint, wenngleich er mit seinen Leistungen in dieser Saison längst an einem anderen Image arbeitet.

Philipp Max: Dauerbrenner, Kilometerfresser, Assist-König

Jüngster Beweis dafür ist die 78. Minute im Heimspiel des FC Augsburg gegen den VfL Wolfsburg: Michael Gregoritsch kommt im Wolfsburger Sechzehner an den Ball und spielt links raus auf den mitgelaufenen Max. Ein kleiner Wackler, ein kurzer Blick in die Mitte, eine scharfe Hereingabe, Alfred Finnbogason hält den Schlappen hin und zum elften Mal in dieser Spielzeit wird die WWK-Arena mit der ertönenden Torhymne zur Insel mit zwei Bergen.

Der Siegtreffer der Fuggerstädter ist Sinnbild einer bislang bemerkenswert konstanten Saison des FCA und das nicht nur, weil es erneut Finnbogason ist, der sein sechstes Saisontor erzielt. Denn auch der Vorlagengeber macht das halbe Dutzend voll: Mit seiner sechsten Torvorlage ist Max aktuell der Assist-König der Bundesliga und der einzige Defensivspieler, der es in dieser Statistik gar in die Top 10 der fünf großen europäischen Ligen schafft. Fakt ist: In seiner dritten Bundesliga-Saison spielt Max besser denn je.

Warum er ausgerechnet in dieser Spielzeit so durchstartet, begründet der 24-Jährige einerseits mit der Harmonie im Augsburger Kollektiv, andererseits aber auch mit seinem stressbefreiten Sommer: "Ich habe zum ersten Mal wirklich eine richtige Vorbereitung gehabt. Im letzten Jahr war Olympia, im Jahr davor bin ich erst spät zur Mannschaft gestoßen."

Er fühle sich fit und die Mannschaft verstehe sich auf dem Feld gut: "So blüht man auch als einzelner Spieler auf."

Aufgeblüht. Im Falle von Max trifft es diese Beschreibung ziemlich gut. Zwar gehörte der Linksverteidiger schon in den vergangenen zwei Spielzeiten zum Ausgburger Stammpersonal, allerdings ohne großes Aufsehen zu erregen. Solide, aber eben nicht spektakulär. Das lag auch daran, dass er besonders unter Dirk Schuster immer wieder zwischen unterschiedlichen Positionen rotieren musste.

Mal Linksaußen, mal linkes Mittelfeld, selten Linksverteidigung, weil dort Konstantinos Stayfilidis durchaus zu überzeugen wusste. Unter Manuel Baum hat sich Max' Situation mittlerweile grundlegend geändert. Das bezeugen nicht nur seine sechs Torvorlagen: Max ist nach Thomas Delaney, den Gladbachern Stindl und Hazard und Per Skjelbred mit 146 Kilometern der laufstärkste Spieler der Bundesliga und verpasste lediglich zehn Minuten in dieser Saison.

Zudem schlägt er die meisten Flanken und liefert gemeinsam mit Joshua Kimmich die meisten Torschussvorlagen. Auch defensiv ist der Linksverteidiger stabil und mit seinem Tempo, aber auch mit seiner überdurchschnittlichen Tacklinquote (70 Prozent) und den 22 abgefangenen Bällen für die Art und Weise, wie Baum Fußball spielen lassen will, ein elementarer Baustein als Umschaltspieler und Flankengeber.

Jugend beim FC Bayern und Schalke 04: Sturm und Drang

Die Tatsache, dass Max ausgerechnet unter Baum zu einem der aktuell besten Außenverteidiger in der Bundesliga reift, hat auch etwas Schicksalhaftes an sich. Denn bereits in der frühen Phase seiner Karriere kreuzten sich Max' Wege mit denen seines heutigen Bundesliga-Trainers: Baum war einer der Lehrer von Max, als dieser noch die Walter-Klingenbeck-Realschule in Taufkirchen besuchte.

Damals spielte Max bei der U17 des FC Bayern und zeigte vielversprechende Ansätze auf der Position des linken Verteidigers. Der durchschlagende Erfolg aber blieb aus. Die Chance auf einen Neuanfang bot sich erst, als die Familie im Sommer 2010 aus dem Süden zurück in den Ruhrpott zog. In der Schalker Knappenschmiede erkannte man Max' Offensiv-Potenzial und setzte ihn vorwiegend sogar im Sturmzentrum ein.

Mit 15 Toren in seinem zweiten Jahr weckte er dort Erinnerungen an seinen Vater Martin, der in Diensten von 1860 München 2000 und 2002 Torschützenkönig der Bundesliga wurde.

Max beim KSC: Zum Glück zurück

Doch es kam anders als gedacht: In der Schalker Reserve wurde Max wieder vermehrt auf den Außen eingesetzt. Die Leistungen stimmten und Max entwickelte sich vom Vollstrecker zum Vorlagengeber (17 Assist in 54 Regionalliga-Spielen). Zum Ende der Saison 2013/14 war er Dauergast im Schalker Profikader und durfte ausgerechnet im Revierderby gegen den BVB zum ersten Mal Bundesligaluft schnuppern.

Im darauffolgenden Sommer wurde der ambitionierte Karlsruher SC bei Schalke-Manager Horst Heldt vorstellig und Max durfte ablösefrei zum Zweitligisten wechseln. "Ein Schritt nach vorn", wie er selbst damals sagte, während andere Weggefährten aus Schalker A-Jugendzeiten wie Max Meyer und Sead Kolasinac längst den Sprung in die Bundesliga geschafft hatten. Max hingegen flog weiter unter dem Radar. Doch der Gang zurück in die 2. Liga und auf seine alte Position wurden für Max zum Glücksfall.

Eine Saison im Bundesliga-Unterhaus reichte aus, um FCA-Manager Stefan Reuter von seinen Qualitäten zu überzeugen. Knapp vier Millionen Euro bezahlten die Fuggerstädter 2015 für den damals 21-Jährigen, der den zu Chelsea abgewanderten Abdul Rahman Baba ersetzen sollte. Zu viel für einen jungen Spieler, der gerade mal eine volle Saison als Profi und Linksverteidiger absolviert hatte, meinten kritische Stimmen.

Zwei Jahre später ist das Handicap der verhältnismäßig hohen Ablöse längst keines mehr und die Kritiker des Transfers verstummt. Zu gut und zu konstant präsentiert sich der 24-Jährige mittlerweile in der Bundesliga. "Mit den Leistungen, die er abliefert, setzt er schon eine Marke", lobte Baum vor knapp zwei Wochen und redete seinen Schützling auch ein Stück weit in den Dunstkreis der Nationalmannschaft: "Er hätte es mittlerweile aufgrund seiner Leistungen verdient, dass er einmal reinschnuppert."

Max und der Traum vom DFB: Auf den Spuren Helmut Hallers

Ein Augsburger in der Nationalmannschaft? Das ist seit dem großen Helmut Haller Ende der 50er Jahre lediglich Andre Hahn gelungen. Die Chancen für Max, es irgendwann in absehbarer Zeit in die Nationalmannschaft zu schaffen, stehen allerdings gar nicht mal so schlecht, denn schließlich weiß auch sein Trainer: "So viele gibt es auf der Position nicht." Tatsächlich ist zumindest die Rolle als Linksverteidiger-Backup in der Nationalmannschaft für den aktuell verletzten Jonas Hector umkämpft - und Löw zeigt sich diesbezüglich sogar experimentierfreudig.

Gegen England debütierte Marcel Halstenberg im DFB-Team. Im darauffolgenden Testspiel kam Marvin Plattenhardt zu seinem fünften Länderspiel, nachdem er bereits beim Confed Cup die Rolle als Hector-Ersatz ausfüllte. Auch Max hat bereits Erfahrung in der Nationalmannschaft gesammelt, wenn auch "nur" im deutschen Olympia-Team, das bei den Spielen in Rio Silber gewann. Dort benötigte er für eine Vorlage und ein Tor jedoch lediglich 65 Einsatzminuten.

Seine Effizienz im Spiel nach vorne spricht durchaus für einen sich anbahnenden DFB-Schnupperkurs nach dem Jahreswechsel. Doch Max hat im Vergleich zu Halstenberg und Plattenhardt zum Teil noch eklatante Nachteile in der Passquote. Das mag daran liegen, dass das Augsburger Spiel eben nicht auf Ballbesitz, sondern auf Umschaltmomente ausgelegt ist und er schlichtweg weniger Pässe spielt. Doch eben jene Passsicherheit ist für eine häufig dominant auftretende DFB-Elf ein Muss. Nicht nur deshalb sieht auch Baum bei Max noch "Potenzial nach oben".

Max selbst wolle sich aus etwaigen Spekulationen in Richtung einer WM-Teilnahme raushalten, wenngleich es natürlich ein Kindheitstraum sei, für die Nationalmannschaft aufzulaufen: "Ich will da gar nicht zu viele Worte verlieren. Ich will es auf dem Platz zeigen, anstatt mich selbst in den Vordergrund zu reden." Und das ist ihm bislang in dieser Saison ziemlich gut gelungen.

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