Sieben Minuten waren in etwa vergangen, da lösten sich die Gesichtszüge von Uli Hoeneß. Der Präsident und Aufsichtsratsvorsitzende wirkte angespannt, als er das Podium im Presseraum der Allianz Arena mit Karl-Heinz Rummenigge, Jupp Heynckes und Hasan Salihamidzic betrat.
Während Heynckes' Eröffnungsstatement lockerte sich die Mimik von Hoeneß allerdings, er musste sich immer wieder ein Lächeln verkneifen, ehe es aus ihm herausbrach. Heynckes erzählte gerade von einer SMS, die ihm Claudio Pizarro geschickt hatte, um ihn zu seiner Rückkehr nach München zu beglückwünschen - eine Nachricht von vielen aus ganz Europa, aber ausgerechnet Pizarro, der in der Triplesaison 2013 nur dritter Stürmer war und für den er beim Champions-League-Viertelfinale bei Juventus Turin keinen Platz gehabt hätte.
Es war eine von vielen Anekdoten, die Heynckes rund um die Mittagszeit an diesem Montag im Münchner Norden erzählte. 10 Minuten und 37 Sekunden dauerte die erste Antwort des neuen und alten Bayern-Trainers. Dass ihm dabei auch ein paar Sachen durcheinandergerutscht sind... geschenkt.
Pizarro hatte in besagtem Spiel sogar ein Tor geschossen, eine Runde später im Halbfinale in Barcelona stand er allerdings wirklich nicht im Kader. Turin oder Barcelona? So wichtig war das in diesem Moment nicht. Hauptsache: Jupp. Das dürfte sich zumindest Hoeneß gedacht haben, der hier gleich mal ein Beispiel für seine Kernkompetenz geliefert hatte.
Hoeneß: "Heynckes die beste Lösung"
Ziemlich zufrieden saß Hoeneß dann auch da, als er nach Heynckes zu Wort gebeten wurde und die Entscheidung erklärte, Heynckes nach mehr als vier Jahren aus dem Ruhestand auf die Trainerbank zurückzuholen.
"Die beste Lösung" sei Heynckes in diesem Moment für den FC Bayern, erklärte Hoeneß. Die Verpflichtung seines alten Freundes gebe dem Klub "die Zeit, alle Probleme, alle Baustellen zu befrieden und bis zum ersten Juli einen neuen Trainer zu finden. Wir können das Team dann besenrein übergeben."
Es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass Carlo Ancelotti die Atmosphäre in der Kabine an der Säbener Straße um die Ohren geflogen war und er mit einigen Personalentscheidungen für Verwirrung und Unmut sorgte. Der Italiener hätte sich mehr Unterstützung aus der Führungsetage gewünscht, bekam stattdessen aber seine Papiere.
Heynckes' erste Aufgabe: Eine klare Hierarchie
Es kam also nicht von ungefähr, dass Heynckes seine Aufgabe in erster Linie damit beschrieb, der Mannschaft wieder eine klare Hierarchie zu verpassen. Eine Hierarchie, an deren Spitze wieder die deutsche Fraktion um Manuel Neuer, Thomas Müller und Jerome Boateng stehen wird. In der Vergangenheit hätten Spieler wie Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger oder auch Xabi Alonso einige Dinge geregelt, bevor der Trainer in Aktion trat.
Die von Ancelotti protegierte Gruppe um Thiago wird sich dagegen wieder unterordnen müssen. "Die spanische Fraktion hat eine gute Edukation", sagte Heynckes etwas sperrig, "aber sie braucht Führung." Die von Heynckes angekündigten Einzelgespräche, die er in den nächsten Tagen mit seinen Spielern führen will, bieten damit durchaus Konfliktpotenzial. Gut, dass er sich vorausblickend als "nicht konfliktscheu" bezeichnete.
Über seine sportlichen Maßnahmen wollte Heynckes nicht so deutlich Auskunft geben. Es gebe viele Dinge, die geändert und verbessert werden müssten. Ansonsten gab es Sätze zu hören, die er auch schon bei seiner Rückkehr 2011 in ähnlicher Form benutzte. Wie bei Ancelotti ist auch bei Heynckes Balance das dominierende Schlagwort.
Wichtiger als taktische Dinge seien im ersten Schritt aber andere Sachen: entkrampfen, entschleunigen, beruhigen.
Der FC Bayern dreht die Zeit zurück
Heynckes ist für den FC Bayern gerade die Lösung für alle Probleme der jüngeren Vergangenheit. Mit ihm drückt der Klub nach der kurzen Ära Ancelotti und der langen Ära Guardiola den Reset-Knopf. Viel war an diesem Tag von 2013 die Rede, dem Jahr als Heynckes mit dem FC Bayern das historische Triple gewann. Nur wenig wurde über die Zeit dazwischen und die Entwicklung der Mannschaft unter Pep Guardiola gesprochen.
Die Situation in München macht gerade den Anschein, als würden die Bosse die Zeit mit der Verpflichtung von Heynckes einfach zurückdrehen wollen, um das Erbe von damals einfach neu zu regeln, weil es ihnen in der Phase mit Guardiola, Matthias Sammer als Sportvorstand und Michael Reschke als Technischem Direktor nicht gelungen ist, etwas Dauerhaftes aufzubauen.
Denn klar ist auch, dass Heynckes keine langfristige Lösung ist, aus seiner Sicht ist es nicht mal ein Comeback, es ist nur ein Freundschaftsdienst, der in knapp acht Monaten wieder enden wird. Bei den großen Personalfragen stehen die Bayern da wie 2009, als Heynckes ebenfalls als Interimstrainer eingesprungen war.
Hoeneß und Rummenigge wieder versöhnt
Um diese strategischen Fragen zu lösen, muss sich auch das Führungsduo Hoeneß und Rummenigge wieder als Einheit präsentieren. Zumindest haben beide Alphatiere am Montag öffentlich ihre Bereitschaft dazu erklärt und "Unebenheiten" (Hoeneß) in ihrer Beziehung zugegeben.
"Wir werden nicht nur in der Trainerfrage, sondern auch in unserer Zusammenarbeit ein neues Kapitel aufschlagen", sagte Hoeneß. Diese Baustelle hat sich mit Heynckes' Rückkehr also zumindest vorübergehend geschlossen.
Gleichzeitig soll das Allheilmittel Heynckes auch noch Hasan Salihamidzic als Sportdirektor stärken. Wie gering dessen Gewicht in der Führungsriege nach wie vor ist, zeigte auch seine Rolle bei der Pressekonferenz. In der über 50 Minuten dauernden Runde kam Brazzo nur einmal zur Wort, als er gleich zu Beginn eine Frage des Pressesprechers beantwortete. Alle anderen beantworteten die dominierenden Figuren Heynckes, Rummenigge und Hoeneß.
Es ist schon bizarr, dass Salihamidzic Heynckes' Vorgesetzter ist, in den nächsten Monaten aber quasi sein Lehrling. Dennoch ist Salihamidzic für Hoeneß "der große Gewinner" der Trainerrochade.
Schneller Test für das Projekt Heynckes
Ob dieses breite Feld an Themen in so kurzer Zeit nicht ein bisschen viel ist für Heynckes, wird sich früh zeigen. Denn eine lange Anlaufzeit wir der Trainer in den kommenden Wochen nicht haben.
Schon Ende Oktober und Anfang November stehen in der Liga und im Pokal mit Gegnern wie RB Leipzig und Borussia Dortmund entscheidende Spiele an, in der Champions League geht es gegen Celtic um die Qualifikation fürs Achtelfinale.
Und eines dürfte Heynckes bei seiner vierten Amtszeit in München besser wissen als jeder andere: Das Befrieden und Beruhigen funktioniert in München am besten mit guten Ergebnissen. Sonst ist die lockere Stimmung schnell Geschichte.