Als Maximilian Philipp vor mehr als drei Jahren am 5. April 2014 beim Auswärtsspiel des SC Freiburg in Stuttgart kurz vor dem Schlusspfiff sein Profidebüt feiern darf, besteht die Elf von Christian Streich fast ausschließlich aus Eigengewächsen - drei Viertel des Teams wurde im Breisgau ausgebildet.
Eine Anzahl, die selbst für den selbsternannten Ausbildungsverein exorbitant hoch erschien und gleichzeitig zeigte, welch große Möglichkeiten Jungprofis im Süden der Republik vorfinden und welchen Weg sie einschlagen können - wenn sie im System Streich alles für den Erfolg geben.
Philipp hat sich in den vergangenen drei Jahren zum Prototyp dieser Maxime entwickelt. Der heute 23-Jährige hat sich stetig verbessert und ist seit der Meistersaison in Liga zwei unumstrittener Leistungsträger.
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Philipp zu teuer für RB Leipzig
Seine Leistungen in der abgelaufenen Bundesligasaison haben ihn dann ins Blickfeld mehrere Klubs aus dem In- und Ausland gerückt. Sogar Jürgen Klopps Liverpooler hatten zeitweise die Fühler ausgestreckt. Als Legionär sah und sieht sich Philipp, trotz früherer Vorlieben für den englischen Fußball, aber noch nicht.
So blieben ihm drei Optionen: Ein Verbleib in Freiburg, der Wechsel zum BVB oder die Aufnahme ins Projekt von RB Leipzig. Die Sachsen verabschiedeten sich nach eigenen Angaben bereits vor mehreren Tagen aus dem Poker. Auf einer Pressekonferenz an Pfingsten gab Ralf Rangnick zu, Philipp bereits seit 2013 auf dem Zettel gehabt zu haben. "Damals spielten wir aber noch zu niederklassig." Jetzt, so der Sportdirektor, sprengten die finanziellen Rahmenbedingungen einen Transfer.
Borussia Dortmund war dagegen bereit, die festgeschriebene Ablöse von 20 Millionen zu überweisen und ihn mit einem Fünf-Jahresvertrag auszustatten. Mal wieder ein finanziell blendendes Geschäft für die Breisgauer.
Philipp trifft in allen Ligen
Philipp, der in Berlin aufgewachsen ist und dort für die Hertha und Tennis Borussia spielte, wechselte 2013 von Energie Cottbus zunächst in die A-Jugend des SC Freiburgs. In der darauffolgenden Spielzeit schoss er für die Reserve in 31 Spielen zwölf Tore und bereitete 15 weitere vor.
Im Februar des Folgejahres gelang das erste Profi-Tor ausgerechnet im heimischen Berlin. Nach dem Bundesligaabstieg hatte Philipp maßgeblichen Anteil an der sofortigen Rückkehr ins Oberhaus (acht Tore, elf Assists).
Auch in der Bundesliga startete Philipp sofort voll durch und erzielte in den ersten neun Partien fünf Treffer. Dann bremste ihn eine Sprunggelenksverletzung zunächst aus.
Doch die Aufmerksamkeit hatte der Youngster da schon voll und ganz auf sich gezogen. Philipp ist in der Offensive eigentlich überall einsetzbar, unter Streich spielte er diese Saison vornehmlich als hängende Spitze oder Rechtsaußen. Er ist schnell, beidfüßig, technisch stark und besitzt eine überdurchschnittliche Spielintelligenz.
Anders ist die außerordentliche Torgefahr im enorm laufintensiven und auf Mannschaftsdienlichkeit ausgelegten System des SCF auch kaum möglich. Nach einer weiteren Verletzung standen am Ende neun Tore und drei Vorlagen bei 25 Einsätzen zu Buche.
Wie weit ist Philipp schon?
Dennoch war sich Philipp nicht sicher, wie er mit den Avancen der Großen im Geschäft umgehen soll. "Ich kann noch nicht genau sagen, ob ich mich selber schon so weit sehe, oder ob ich noch ein Jahr bleibe", sagte er er vor einigen Tagen während des U21-Trainingslagers vor der anstehenden EM gegenüber Sky. Die Chancen stünden 50 zu 50.
Philipp, dessen Vertrag beim SC noch bis 2019 läuft, fühlt sich wohl in Freiburg. "Hier kann ich auch mal in die Stadt gehen und einen Burger essen. Das interessiert dann keinen", sagte er Anfang des Jahres.
Aber wenn der amtierende Pokalsieger und regelmäßige Champions-League-Teilnehmer Borussia Dortmund anklopft? "Der BVB ist einer der größten Vereine weltweit. Es ist für mich eine Ehre, hier spielen zu dürfen. Ich denke, mit 23 Jahren reif und alt genug zu sein, diesen Schritt wagen zu können. Ich will mich in Dortmund weiterentwickeln", ließ sich Philipp in der Pressemitteilung zitieren.
Philipp wie eine jüngere Ausgabe von Marco Reus
Die Schwarz-Gelben haben wohl oder übel den Drang, Ersatz für die länger auszufallen drohenden Offensivstars Marco Reus und Mario Götze zu finden. Stürmer, die wissen, wo das Tor steht, sind bei einem wahrscheinlichen Abgang von Pierre-Emmerick Aubameyang ohnehin gefragt.
Nicht nur der neue Trainer Peter Bosz hat zudem gerne vielfältig einsetzbare Spieler in seinen Reihen. Das könnte dem sechsfachen U-21-Nationalspieler den sportlichen Start im Ruhrpott erleichtern. Denn trotz großer Konkurrenz bietet ihm seine Flexibilität viele Möglichkeiten. Philipp wirkt in manchen Momenten auch wie eine jüngere Ausgabe von Reus.
Bei seinem Debüt für den BVB werden dann aber nicht so viele Eigengewächse und Weggefährten auf dem Platz stehen wie 2014. Die Zeit der Wohlfühloase Breisgau ist vorbei. Will Philipp den nächsten Schritt gehen, muss er sich langfristig vom Freiburger Talent-Image lösen. Einen Schritt, den einer seiner Vorgänger Matthias Ginter in Dortmund nie konsequent geschafft hat. Ginter war beim Bundesligadebüt von Philipp Abwehrchef der Breisgauer.
Maximilian Philipp im Steckbrief