"Er ist ein Spieler mit extrem viel Zug und ein Riesentalent." Mario Gomez kommt, angesprochen auf Wolfsburgs jungen Linksverteidiger Jannes Horn, gar nicht mehr aus dem Schwärmen heraus. "Er ist brutal schnell, hat einen super linken Fuß", fügt er hinzu.
Soeben hat der VfL Wolfsburg den SV Darmstadt 98 knapp mit 1:0 geschlagen. Das wichtige Siegtor hat Gomez per Kopf erzielt - nach einer perfekt getimeten Flanke vom linken Flügel, geschlagen vom 20 Jahre alten Horn.
Das Highlight einer insgesamt zufrieden stellenden Rückrunde für Horns persönliche Entwicklung. In Abwesenheit der zwischenzeitlich verletzten Yannick Gerhardt und Ricardo Rodriguez stand er zwischen Februar und Mai achtmal in der Startelf. Dabei agierte er defensiv klug und setzte offensiv seine Akzente.
Gomez prophezeit Horn große Zukunft
Kein Wunder, dass Gomez ihm prognostizierte: "Er kann ein großer linker Verteidiger werden."
Diese Entwicklung wird der Nationalstürmer nun jedoch zunächst nicht hautnah miterleben. Denn am vergangenen Freitag gab der 1. FC Köln die Verpflichtung Horns bekannt. Beim Fünften der abgelaufenen Saison unterschrieb der 20-Jährige einen Fünfjahresvertrag bis 2022. Sieben Millionen Euro überwies Köln dem Vernehmen nach an den VfL. Er ist damit nach Lukas Podolski der zweitteuerste Transfer der Vereinsgeschichte. Nach Bild-Informationen könnte die Summe durch erfolgsbedingte Bonuszahlungen sogar auf knapp zehn Millionen Euro anwachsen.
Nach dem ersten Europapokal-Einzug seit 25 Jahren war der Deal mit dem deutschen U-Nationalspieler die erste Maßnahme des Effzeh auf dem Transfermarkt.
Diese ist bezeichnend und unterstreicht wieder einmal den abgeschlossenen Paradigmenwechsel in der Domstadt, wo in der Vergangenheit häufig Dauereuphorie und Hochmut regierten. Doch mittlerweile nicht mehr.
Der erste Einkauf für das Projekt Europa ist nicht etwa ein überteuerter Profi, der womöglich bereits über seinen Zenit ist. Auch im Moment des Erfolges verlieren die handelnden Personen offenbar nicht den Kopf.
Fünf Gründe für die Kölner Erfolgssaison!
Nein, Horn ist in vielerlei Hinsicht ein prototypischer Schmadtke-Transfer: "Mit ihm haben wir einen hoch talentierten und vielseitigen deutschen U-Nationalspieler für uns gewinnen können, der sein Potenzial bereits auf Bundesliganiveau gezeigt hat. Wir sind überzeugt, dass er in unserer Mannschaft und mit der Begleitung des Trainerteams die nächsten Schritte in seiner Entwicklung gehen kann", begründete der Sportdirektor diesen - und erklärte damit en passant seine Vorstellung von Kaderplanung.
Stöger und Schmadtke haben klaren Plan
Seitdem das Erfolgsduo aus Trainer Peter Stöger und Sportdirektor Jörg Schmadtke das Ruder übernommen hat, folgen Personalentscheidungen in Köln dem klaren Plan, eine homogene, entwicklungsfähige Mannschaft zusammenzustellen, mit der sich das Publikum identifizieren kann.
Horn passt vom Eindruck her in das Mannschaftsgefüge - und das nicht nur wegen seines in Köln ohnehin beliebten Nachnamens.
"Der FC ist eine sehr gute Adresse für junge Spieler. Ich habe in den Gesprächen sofort das Vertrauen der Verantwortlichen gespürt und sehe die große Chance, mich beim 1. FC Köln weiterzuentwickeln und als Bundesligaspieler zu etablieren", begründete der Youngster selbst seine Entscheidung.
Stöger lobt Horns Geschwindigkeit
Stöger freut sich indes vor allem auf die Geschwindigkeit des Neuzugangs: "Das Spiel wird immer schneller, Tempo immer wichtiger. Damit kann man vieles ausgleichen. Wenn dir das fehlt, musst du es mit Übersicht und kreativem Spiel wieder ausgleichen - aber das ist oft ungleich schwieriger."
Trotz seiner Vielseitigkeit - Horn lief bei Wolfsburg auch schon im linken Mittelfeld und in der Innenverteidigung auf - bestätigte Schmadtke dem Express, dass man Horn gezielt für die linke Abwehrseite verpflichtet habe. Dort hatte Konstantin Rausch in der Vorsaison nicht immer vollends überzeugt.
Im Vergleich zum deutlich erfahreneren Spieler überzeugte Horn während seiner 13 Saisoneinsätze in allen relevanten Kategorien. Er gewann 58 Prozent seiner Zweikämpfe (Rausch 52), brachte 82 Prozent seiner Pässe an den Mann (Rausch 75) und hat auch hinsichtlich Geschwindigkeit und Zug nach vorne deutliche Vorteile. Schon in jungen Jahren hat er das Zeug dazu, ein Upgrade zu sein.
Die BL-Saisonstatistiken 2016/17 von Jannes Horn und Konstantin Rausch im Vergleich.
Welche Auswirkungen hat Horns Verpflichtung für Hector?
Die Verpflichtung hat auch Auswirkungen für Jonas Hector: "Das gibt ihn mehr für das Zentrum frei", analysierte Schmadtke im Express. Bereits in der vergangenen Saison spielte der Nationalspieler meist im zentralen Mittelfeld und machte dort einen weiteren Schritt zum Führungsspieler. Auch perspektivisch wird dort sein Hauptaufgabenbereich liegen.
Bundestrainer Joachim Löw wird es mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachten. Einerseits wird sein Stamm-Linksverteidiger wohl über kurz oder lang im Verein nicht mehr auf jener Position spielen.
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Andererseits könnte beim Effzeh in der kommenden Saison mit Horn auf links und Lukas Klünter auf der Gegenseite ein spannendes, schnelles, deutsches Außenverteidiger-Duo vorspielen und in der Gruppenphase der Europa League erste internationale Erfahrungen sammeln.
Horn-Transfer wirft Fragen beim VfL Wolfsburg auf
Doch auch aus Wolfsburger Sicht wirft der Transfer Fragen auf. Horn stammt aus der Region, ist gebürtiger Braunschweiger, durchlief seit seinem elften Lebensjahr alle Jugendabteilungen beim VfL und machte in seiner ersten Profisaison einen vernünftigen Eindruck. Der Abgang wirkt umso merkwürdiger, da mit Ricardo Rodriguez ein weiterer etatmäßiger Linksverteidiger an den AC Milan abgegeben wurde.
Andererseits spülen die beiden Spieler dem Klub sieben (Horn) bzw. 18 Millionen Euro (Rodriguez) in die Kassen. Und die Abgänge eröffnen womöglich einem weiteren vielversprechenden Linksverteidiger-Talent Einsatzchancen: Gian-Luca Itter, Kapitän der A-Junioren und Gewinner der Fritz-Walter-Medaille in Gold.
Außerdem setzt Wolfsburg hinten links offenbar auch zukünftig auf Yannick Gerhardt. Vor einem Jahr war dieser aus Köln zu den Niedersachsen gewechselt. Als zentraler Mittelfeldspieler. Dort schulte er zum Linksverteidiger um und verbaute Horn damit wohl die Perspektive.
Für den Effzeh schließt sich damit ein Kreis. Schließlich war es ausgerechnet Gerhardt, der Horn in dessen Entscheidungsfindung zum Wechsel in die Domstadt riet: "Er hat mir schon eine ganze Menge erzählt und mir den FC quasi ans Herz gelegt", sagte Horn im Express.
Sollte sich die Gomez-Prognose bewahrheiten und aus Horn tatsächlich ein "großer Linksverteidiger" werden, hätten die Kölner im Rückblick wohl alles richtig gemacht. Wie so häufig in den letzten Jahren.
Jannes Horn im Steckbrief