Dass Thomas Tuchel am Samstag kurz vor Anpfiff der für den BVB so bedeutenden Partie gegen Hoffenheim verhältnismäßig ruhig und bei aller Wut sachlich blieb, als er mit Watzkes Aussagen konfrontiert wurde, ehrt ihn.
Nach dem furchtbaren Anschlag vor dem Champions-League-Spiel gegen Monaco vor einigen Wochen war Tuchel von der Öffentlichkeit für sein feinfühliges Krisenmanagement gelobt worden. Zurecht. Er vertrat nicht nur die Gefühle der Spieler mit sehr reflektiertem und differenziertem Blick, sondern schaffte es dabei auch, für sich selbst klaren Kopf zu bewahren.
Über die unglückliche Neuansetzung der Begegnung am darauffolgenden Tag erübrigt sich jegliche Diskussion. Tuchel, wie auch die Spieler, taten ihre Meinung dazu kund und hatten das volle Recht dazu. Das war und ist auch jetzt noch nur menschlich. Sie waren die unmittelbar Betroffenen dieser abscheulichen Tat.
Welche Absprachen es intern genau gab, wissen nur die Beteiligten. Selbst wenn die Terminierung alternativlos war, hätte Watzke den Cheftrainer seines Klubs in einer so empfindlichen Angelegenheit aber niemals so an den Pranger stellen dürfen - schon gar nicht öffentlich.
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Watzke untergrub damit nicht nur Tuchels Autorität, sondern machte eine Zusammenarbeit über 2018 hinaus fast schon unmöglich. Denn das ohnehin schwierige Vertrauensverhältnis zwischen den beiden sehr dominanten Persönlichkeiten ist nach Watzkes provokanter Bestätigung eines "Dissens" zwischen ihm und Tuchel kaum mehr reparabel.
Dass der Umgang der BVB-Führung mit Tuchel seit Beginn der Zusammenarbeit 2015 etwas distanzierter ist als mit Vorgänger Jürgen Klopp, war nie zu übersehen. Für Außenstehende war es aber wenig verwunderlich, schließlich unterscheiden sich die beiden Trainer vom Wesen deutlich.
Tuchel ist mindestens genauso wortgewandt wie Klopp, bringt aber seltener den Charme auf, der Klopp stets auszeichnete. Und er pflegt zu Watzke kein so kumpelhaftes Verhältnis wie sein Vorgänger das tat. Inwiefern sich Watzke daran stört, kann nur er selbst beantworten. Dass er bei Tuchel aber längst einen anderen Maßstab ansetzt als damals bei Klopp, der selbst in sportlichen Krisenzeiten nie hinterfragt wurde, kann auch Watzke nicht leugnen.
Von Tuchel wird auf der einen Seite erwartet, mit einer extrem jungen Mannschaft, der im Sommer wieder zahlreiche Topstars entrissen wurden, eine Topplatzierung zu erreichen. Watzke betont das immer wieder und bewertet wöchentlich Tabellenstand und Saisonziele, womit er ganz bewusst großen Druck auf das Trainerteam und auch die Mannschaft ausübt.
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Am Samstag betonte Tuchel überlegt, aber bestimmt, wie störend diese "Ablenkungen" sind. Von einem so intelligenten Mann wie Hans-Joachim Watzke müsste man erwarten, dass er schon vorher wusste, wie wenig zielführend seine jüngsten Äußerungen für den Klub sind. Spätestens jetzt aber muss er begriffen haben, dass er seinem großen Werk auf diese Art selbst am meisten schadet.
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