Als Ousman Manneh rechts im Strafraum auftauchte, viel zu frei, da erhob man sich bereits im Weserstadion. Es sollte der erste und letzte Torschuss des Angreifers an diesem Abend sein. Schön in Szene gesetzt holte der staksige 1,90-Meter-Mann aus - und donnerte das Spielgerät beinahe aus dem Stadion. Schließlich sackte er auf dem Rasen zusammen.
Etwas unbeholfen sah das aus, wie zu erwarten könnte man jetzt sagen, für einen 19-Jährigen in seinem zweiten Bundesligaspiel. Auf der anderen Seite war es Mannehs einzig wirklich misslungene Aktion beim ersten Bremer Sieg der noch jungen Saison gegen den VfL Wolfsburg.
Nur ein kleines Fragezeichen
Vor zwei Jahren war Manneh nach Deutschland gekommen. Geflüchtet aus Gambia, einem Land, zerfressen von Folter und Diktatur. Reden will er nicht über seinen Weg aus Afrika, wie er als 17-Jähriger in Bremen landete und im Flüchtlingsheim Lesum unterkam.
Von sich reden machte der Angreifer aber dennoch bald. Seit 2004 war Manneh in der Rush Soccer Academy in Bakau ausgebildet worden. Nach einem Sichtungslehrgang fand er sich plötzlich in der A-Jugend des Regionalligisten Blumenthaler SV wieder. Die Kunde vom Gambier, der die Gegner nach Belieben schwindelig spielte, verbreitete sich schnell. Wolfsburg, Hamburg, Schalke und Werder - die Scouts der Bundesligisten waren bald Stammgäste im Norden Bremens.
Seit Anfang 2015 trainiert Manneh bei Werder, einen Tag nach seinem 18. Geburtstag im März - so will es die FIFA bei Nichteuropäern - setzte er seine Unterschrift unter einen Vertrag bis 2018. Mit einem Viererpack binnen einen Viertelstunde bei seinem ersten Auftritt für die Profis nur wenige Monate später war der Ruf als Versprechen für die Zukunft etabliert. Auch wenn es nur ein Testspiel gegen Wilhelmshaven war.
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Das einzige Fragezeichen beim Märchen um Manneh steht hinter seinem Alter. Laut diverser Quellen, unter anderem der FIFA, ist Manneh Jahrgang 1995 - und wäre zwei Jahre älter als es seine in Deutschland gültigen Dokumente angeben. Die Bremer sind sich der Problematik bewusst, beharren aber auf seinen Dokumenten. Dass Gambia jüngst vom Afrika-Cup ausgeschlossen wurde, weil Spieler für ein U20-Turnier mit falschen Pässen jünger gemacht wurden - angeblich gängige Praxis im westafrikanischen Land -, säht zumindest weitere Zweifel.
Laufwunder ohne Impact
Doch ungeachtet seines Alters wurde der Flüchtling jetzt ins Rampenlicht der Bundesliga gespült. Nachdem sich Aron Johansson im letzten Spiel unter Viktor Skripnik eine Zwei-Spiele-Sperre wegen Schiedsrichter-Beleidigung einhandelte, setzte der ehemalige U23-Coach Nouri auf den ehemaligen U23-Stürmer Manneh, der den Interimscoach schon in der Regionalliga mit zwei Toren und zwei Assists in sieben Spielen begeisterte: "Für uns ist es eine spannende Aufgabe, an seiner weiteren sportlichen Entwicklung mitzuwirken."
Dass da noch eine Menge Arbeit vor den Norddeutschen liegt, steht außer Frage. So zeigte gerade der letzte Auftritt des Gambiers, dass es punktuell noch viel Verbesserungspotenzial gibt. Die Zahlen aus dem Wolfsburg-Spiel lassen wohl selbst hartgesottenste Statistiker erstaunt mit dem Kopf schütteln.
Neben einer schönen Balleroberung, die in einem gefährlichen Bremer Freistoß endete, und der technisch starken Vorlage zu einer Großchance für Theodor Gebre Selassie glänzte Manneh in der ihm zugedachten Rolle: Unruheherd sein und die Abwehr nerven. Das Laufwunder riss in seinen 73 Minuten auf dem Feld neun Kilometer ab, fast zwei davon bei 36 Sprints (mit großem Abstand die meisten) und 86 intensiven Läufen im Höchsttempo. Im Abnutzungskampf gegen den Abstieg kann ein physisch derart unverwüstlicher Spieler noch zur Waffe werden.
Was den Einfluss aufs Spiel und die Aktionen mit dem Ball angeht, ist statistisch gesehen aber das Gegenteil der sensationellen Laufdaten. 27 Ballaktionen hatte Manneh in seinen 73 Minuten, in denen er 22 Zweikämpfe führte, aber nur verschwindend geringe neun Pässe spielte. Ein desaströser Torschuss und eine Vorlage als einzige Spitze sind ebenso schwach. Einig ist man sich an der Weser dennoch: Bei den zwei Bundesligaspielen wird's für den 19-Jährigen nicht bleiben.
Ousman Mane im Steckbrief