SPOX: Nach der CL-Auslosung im letzten Jahr sagten Sie, eine schwerere Gruppe könne Gladbach wohl kaum noch erwischen. Ziehen Sie die Aussage heute zurück?
Kramer: Das muss ich wohl. (lacht) Wir haben das Finale schon in der Gruppe, zumindest ist es nicht unwahrscheinlich, dass City und Barcelona letztlich im Endspiel stehen werden. Das ist für uns aber viel mehr Ansporn als Grund für Trübsal. Wenn man sich für die Champions League qualifiziert, will man nicht in Molde auf Kunstrasen spielen, sondern im Camp Nou, einem der tollsten Stadien Europas. Wir wollen uns mit den Besten messen und sind ehrgeizig. Auch wenn wir uns jetzt nicht hinstellen und sagen, dass wir die Gruppe auf jeden Fall gewinnen wollen. Klar ist aber: Wir fahren da nicht hin, um uns die Stadien anzugucken und die Hymne zu hören.
SPOX: Pep Guardiola äußerte vor kurzem, dass Gladbach ihm große Sorgen bereite. Fühlt man sich bei einer solchen Aussage geehrt oder unterstellt man eher Understatement?
Kramer: Pep Guardiola ist bekannt dafür, den nächsten Gegner oder dessen Spieler schon mal in den Himmel zu loben. Ich denke, wir sind gut beraten, nicht zu viel darauf zu geben. Guardiola hat sicher Respekt vor uns und weiß, dass wir eine gute Mannschaft sind, er hat aber auch schon ganz andere Teams im Vorfeld einer solchen Partie hervorgehoben.
SPOX: Manchester City hat im Sommer fast 200 Millionen Euro ausgegeben, bei Barcelona spielen einige der besten Spieler der Welt. Wie kann man da als vermeintlich kleiner Verein wie Gladbach, der keinen Investor hat und ausschließlich nachhaltig wirtschaftet, mithalten?
Kramer: Natürlich sind wir nicht in der Lage, die Gehälter und Ablösesummen zu bezahlen, die bei solchen Mannschaften aufgerufen werden. Letztlich stehen bei Barcelona und Manchester City aber auch nur elf Mann auf dem Platz, da kommt es nicht mehr auf das große Geld oder den krassen Konsum an. Wenn man viel Geld hat, ist es legitim, das auch auszugeben. Ob das fair oder unfair ist, spielt überhaupt keine Rolle. Welchen Weg er einschlagen möchte, muss jeder Spieler selber wissen. Ich bin lieber Spieler von Gladbach als von City.
SPOX: Stirbt das, was man gemeinhin als Fußballromantik bezeichnet, im Zuge dieser Entwicklung aus?
Kramer: Das sehe ich vollkommen anders. Wenn ich an unser Spiel in Bern denke oder den erneuten Führungstreffer gegen Leverkusen in der 86. Minute, als das ganze Stadion Kopf gestanden hat - das ist Fußballromantik pur. Da juckt es keinen, wer wo wieviel verdient oder wohin wechselt. Auf dem Platz ist auf dem Platz und Fan ist Fan.
SPOX: Sie stimmen aber zu, dass sich der Fußball extrem verändert hat in den letzten fünf Jahren?
Kramer: Da haben Sie Recht. Aber das ist doch völlig normal, alles ist im Wandel. Meine Eltern haben sich damals auch nicht über Tinder oder Facebook kennengelernt, da ging die Romantik ebenfalls ein Stück weit verloren. Warum sollte der Fußball da eine Ausnahme sein? Inwiefern das gut oder schlecht ist, wird die Zeit zeigen.
SPOX: Sie gelten als reiselustiger Mensch, müssen darauf aufgrund Ihres Jobs aber meist verzichten. Haben Sie manchmal Angst, etwas zu verpassen?
Kramer: Es ist immer leicht zu sagen, was man vermisst und was man gerne machen würde. Ich habe aber nicht das Gefühl, irgendetwas zu verpassen und besinne mich viel mehr darauf, was ich habe. Viele Menschen würden mich sicher dafür beneiden, professionell Fußball spielen zu können. Und zu der einen oder anderen Reise werde ich bestimmt auch nach meiner Karriere noch kommen.
SPOX: Dafür haben Sie schon in vielen Städten gespielt, waren oft ausgeliehen und trugen seit 2006 nie länger als zwei Jahre das Trikot eines Vereins.
Kramer: Ich hatte trotz meiner vielen Leihen nie das Gefühl, irgendwo nicht angekommen zu sein. Im Gegenteil, ich war immer sehr willkommen und wurde gut aufgenommen. Mit dem Verein, der dich verleiht, hast du während dieser Zeit fast nichts zu tun. Auch wenn meine Vita bisher anders aussieht, bin ich eigentlich nicht der Typ, der viel wechseln möchte und bin froh, das jetzt bei Gladbach auch zeigen zu können.
SPOX: Dann haben Sie also auf eine Ausstiegsklausel im Vertrag verzichtet?
Kramer: Das weiß ich gar nicht, da müsste ich nochmal in den Vertrag schauen. (lacht)
SPOX: Welche Ziele haben Sie sich für die aktuelle Saison gesetzt?
Kramer: Wir sind sehr ehrgeizig und wollen das Maximum erreichen. Gerade deshalb finde ich es in diesen schnelllebigen Zeiten angenehm, wirklich von Spiel zu Spiel zu denken und das nicht nur als künstliche Marschroute vorzugeben. Wir dürfen uns keine Schwächephase erlauben, dann ist sicher einiges für uns drin.
SPOX: Sie wurden im Sommer nicht für den EM-Kader der deutschen Nationalmannschaft nominiert. Haben Sie mit einem weinenden Auge nach Frankreich geschaut?
Kramer: Diese Angst hatte ich im Vorfeld ehrlich gesagt schon. Als es dann aber losging, habe ich die Spiele ganz normal und wie früher als Deutschland-Fan verfolgt. Das soll nicht heißen, dass ich keine Ambitionen und Ziele im Zusammenhang mit der Nationalmannschaft habe. Ich denke aber, dass ich gut daran tue, bei Borussia konstant meine Leistungen zu zeigen. Alles andere kommt dann von alleine.
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