SPOX: Herr Vestergaard, seit vergangenem Samstag befindet sich Borussia Mönchengladbach im Trainingslager am Tegernsee, die Saisonvorbereitung ist voll im Gange. Wie sind Ihre ersten Eindrücke vom neuen Umfeld und den Kollegen?
Jannik Vestergaard: Wirklich gut. Die Truppe ist sehr angenehm und hat mich super empfangen. Ich habe mich sofort wohl gefühlt. Außerdem sind das Niveau und die Qualität im Training enorm hoch. Einige der Spieler kannte ich schon vom Platz, aber auch die Jungen bringen sehr viel mit.
SPOX: Mit der rheinischen Kultur müssten Sie eigentlich gut vertraut sein, da ein Großteil Ihrer Familie von dort stammt. Wie viel Rheinland steckt in Ihnen?
Vestergaard: Was zeichnet einen Rheinländer denn überhaupt aus?
SPOX: Man sagt beispielsweise, der Rheinländer wisse nichts, könne aber alles erklären.
Vestergaard: Den Spruch kannte ich noch nicht. Ich behaupte aber, dass ich viel weiß. (lacht)
SPOX: Ihre Großeltern wohnen nun ganz in Ihrer Nähe. Spielte das eine Rolle bei Ihrer Entscheidung pro Gladbach?
Vestargaard: Nein, meine Entscheidung hatte ausschließlich sportliche Gründe. In den vergangenen Jahren war ich auch weiter weg von meiner Familie und bin trotzdem ganz gut zurechtgekommen. Dass ich jetzt mal schnell auf einen Kaffee vorbeifahren kann und umgekehrt, ist aber ein netter Bonus.
SPOX: Wie sahen die sportlichen Gründe konkret aus?
Vestergaard: Gladbach ist ein sehr gut geführter Verein, in dem toller, erfolgreicher Fußball gespielt wird. Davon wollte ich unbedingt ein Teil sein.
SPOX: Dafür lehnten Sie auch Offerten aus der Premier League ab. Ist die Bundesliga attraktiver?
Vestergaard: Das kann man nicht pauschalisieren. Es ist in der letzten Zeit in Mode gekommen, die deutsche und die englische Liga zu vergleichen. Davon halte ich aber nichts. Ich bin ein Fan beider Ligen, gucke aber auch gerne die spanische Liga oder Top-Spiele aus Italien. Entsprechend habe ich keine Entscheidung gegen England oder für Deutschland, sondern für Gladbach getroffen. Hier sehe ich das beste Gesamtpaket.
SPOX: Gladbach musste tief in die Tasche greifen, um Sie an den Niederrhein zu holen. Empfinden Sie die Ablöse als Bürde oder Ansporn?
Vestargaard: Auf die Ablösesumme lege ich ehrlich gesagt keinen Wert und mache mir auch keine großen Gedanken darüber. Ich denke, dadurch verliert man den Fokus auf das Wesentliche. Gladbach hat mich wegen meinen Leistungen in der Bundesliga geholt, die möchte ich hier genauso zeigen und mich konstant weiterentwickeln. Letztlich hoffe ich, dass man mit der Entscheidung, mich geholt und so großes Vertrauen in mich gesetzt zu haben, irgendwann zufrieden ist. Dafür hänge ich mich jeden Tag rein.
SPOX: Sie gelten als bodenständig und bescheiden, in einem Interview sagten Sie: "Ich bin doch nur der Jannik aus Kopenhagen, der Fußball spielen möchte". Was hat Ihnen geholfen, die Bodenhaftung nicht zu verlieren?
Vestergaard: Das haben Sie jetzt gesagt. (lacht) Ich hatte eine sehr schöne Kindheit und habe immer einen starken Rückhalt in meiner Familie genossen. Was ich bisher in meinem Leben erreicht habe, habe ich geschafft, weil ich selbst geblieben bin. Das werde ich so beibehalten und schauen, wohin mich das noch bringt.
SPOX: Was geht Ihnen bei einer Aussage wie der von Sandro Wagner durch den Kopf, der letzte Saison sagte, Fußballer sollten noch mehr verdienen?
Vestergaard: Grundsätzlich muss ich sagen, dass ich nicht viele Zeitungen lese und dann schon gar nicht den Sportteil. Ich kann damit wenig anfangen. Manchmal steht etwas über einen geschrieben, was man selbst ganz anders sieht, und dann beschäftigt man sich zu sehr damit - das benötige ich einfach nicht. Ich brauche auch kein Lob, das gibt es ja auch hin und wieder. Die Aussage von Sandro Wagner habe ich natürlich trotzdem mitbekommen, möchte sie aber nicht kommentieren.
SPOX: Vor Ihrem Wechsel nach Bremen erlebte Ihre Karriere das erste wirkliche Tief. In Hoffenheim wurden Sie zunächst ins Mittelfeld versetzt und verloren dann Ihren Stammplatz. Wie geht man als junger Spieler, für den zuvor es konstant bergauf ging, damit um?
Vestergaard: Es war eine schwere Zeit für mich. Sportlich lief es nicht mehr, auch das Verhältnis zum Verein und den Verantwortlichen hatte sich verschlechtert. Als junger Spieler mit Anfang 20, der tausende Kilometer von der Familie und den engsten Freunden entfernt ist, nimmt einen das schon ganz schön mit. Zum Glück hatte ich meine Freundin bei mir, die mir geholfen hat abzuschalten und den Kopf wieder frei zu bekommen.
SPOX: Wie denken Sie heute darüber?
Vestergaard: Ich bin froh, diese Situation erlebt zu haben. Es hat mich stärker gemacht, denn ich kenne mich selbst nun besser, habe mich dadurch menschlich entwickelt und bin reifer geworden. Vor allem habe ich gelernt, dass es richtig ist, ehrlich seine Meinung zu sagen, auch wenn dies Konsequenzen haben kann, die nicht immer positiv sind. Sollte ich noch einmal in eine solche Situation geraten, weiß ich, wie ich an diese herangehen und mich verhalten kann.
SPOX: In Bremen folgte dann eine der besten Phasen Ihrer Karriere. Betrachten Sie die Entscheidung, zu Werder gegangen zu sein, als die beste Ihrer Laufbahn?
Vestergaard: Absolut. Ich hätte selbst nicht gedacht, dass es so schnell gehen würde und habe mich nicht einmal getraut, davon zu träumen. Ich habe mich in Bremen sportlich enorm weiterentwickelt und bin in vielen Bereichen besser geworden. Gleichzeitig war es auch wichtig zu erleben, wie es ist, in einem großen Verein mit solch einem immensen Druck umzugehen. Werder hat eine tolle Tradition und viele Fans, man hat jederzeit gemerkt, wie wichtig der Verein für die Stadt ist. Deshalb bin ich Werder auch sehr dankbar. Bremen hat mir in einer Phase das Vertrauen geschenkt, als die interessierten Vereine nicht gerade Schlange standen.
SPOX: Fiel Ihnen der Wechsel zu Gladbach leichter, nachdem Werder den Klassenerhalt geschafft hatte?
Vestergaard: Bremen verdient es einfach, in der ersten Liga zu spielen, deshalb bin ich sehr glücklich, dass wir es am Ende tatsächlich noch geschafft haben. Und ja, natürlich macht das den Transfer einfacher. Zu wechseln, nachdem Bremen abgestiegen ist, wäre furchtbar gewesen.