Kircher weg - und nun?

Von Patrick Völkner
Knut Kircher gab am 34. Spieltag bei Bayern gegen Hannover seine Abschiedsvorstellung
© imago

Die Saison 2015/16 ist Geschichte. Zeit, Bilanz zu ziehen und das Leistungsniveau der Bundesliga-Schiedsrichter zu analysieren. Wir werfen den Fokus auf Fehlentscheidungen, Auftreten und Spieleransprache und schauen voraus: Wie geht es weiter nach dem Abgang von Kircher, Meyer und Weiner?

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Die Bundesliga-Schiedsrichter blicken wieder einmal auf eine maue Saison zurück. Und ausgerechnet jetzt hängen gleich drei altgediente Top-Leute ihre Pfeife an den Nagel. Doch Felix Brych und drei junge Nachwuchstalente machen Hoffnung auf Besserung.

Zweifel an der Erstligatauglichkeit: Die Gesamtdurchschnittsnote von 3,02 - bei einer Fehlerquote von 0,77 - zeigt: Hinter den Bundesliga-Schiedsrichtern liegt eine insgesamt eher enttäuschende Saison. In den vergangenen beiden Spielzeiten lagen beide Werte jeweils deutlich besser (2015: 2,99/0,73 - 2014: 2,91/0,73). Von einem totalen Einbruch kann gleichwohl keine Rede sein. So gestalteten sich die Zahlen vor drei Jahren mit einer Note von 3,06 und einem Fehlerquotienten von 0,82 noch sehr viel schlechter als in der zurückliegenden Saison.

Die Werte sind jedoch Ausdruck des allseits beklagten dürftigen Niveaus. Eine Erklärung dafür: Die Referees, die in den vergangenen Jahren mit schwächeren Leistungen aufwarteten, sind zu keiner Steigerung in der Lage und zementieren damit die Zweifel an ihrer Erstligatauglichkeit.

Nicht zuletzt ein Günter Perl fällt nun schon seit geraumer Zeit regelmäßig durch schlechte, fehlerbehaftete Spielleitungen auf. Dieser Eindruck verfestigte sich auch in dieser Saison, als er gleich zweimal derart konfus pfiff, dass seine Leistung jeweils mit der SPOX-Note 6 bedacht werden musste. Dies galt sowohl für seinen Auftritt bei der Partie Wolfsburg gegen Hertha am 6. Spieltag als auch für seine Darbietung im Spiel zwischen Schalke und dem HSV am 24. Spieltag. In dieser Begegnung gelang ihm das fragwürdige Kunststück, gleich drei offensichtliche Elfmeter (Ostrzolek gegen Schöpf, Cleber gegen Huntelaar und Handspiel Junior Caicara) nicht zu geben.

Nicht nur im Falle von Günter Perl hat sich der Befund der letzten Jahre bestätigt. Auch bei Robert Hartmann, der in unserer Schiedsrichter-Tabelle nur knapp vor Perl platziert ist, bleiben nach den Eindrücken dieser und der vorangegangen Spielzeiten Zweifel, ob die 1. Liga nicht doch eine Nummer zu groß ist.

Durchwachsener Abschluss: Mit Knut Kircher, Florian Meyer und Michael Weiner haben gleich drei altgediente Referees ihre Bundesliga-Karriere zum Abschluss dieser Saison beendet. Über die letzten 15 Jahre haben sie das deutsche Schiedsrichterwesen entscheidend mitgeprägt. Gerade Kircher und Meyer gehörten wegen ihres betont ruhigen und besonnenen Auftretens zu den herausragenden Figuren unter den Unparteiischen, die vor allem auch bei Spielern und Trainern große Anerkennung genossen.

In ihrer finalen Saison konnten die Drei jedoch nur selten überzeugen und belegen allesamt Plätze in der unteren Hälfte unserer Schiedsrichtertabelle. Dabei findet sich Michael Weiner sogar auf dem letzten Platz wieder. Zu oft lag der niedersächsische Schiedsrichter mit seinen Entscheidungen daneben und kommt auf eine alles in allem enttäuschende Gesamtdurchschnittsnote von 3,6.

Auch Knut Kircher, über weite Strecken seiner Karriere Sinnbild für Konstanz und Fehlerlosigkeit, erlaubte sich in seiner letzten Saison zahlreiche Patzer. Den negativen Höhepunkt bildete dabei seine Leitung der Partie zwischen dem HSV und 1899 Hoffenheim am 27. Spieltag. Gleich vier Mal lag der Schwabe mit seinen Entscheidungen daneben: So sah er nach René Adlers Notbremse von der an sich zwingend gebotenen Roten Karte gab und entschied fälschlicherweise auf unerlaubten Rückpass und damit den Freistoß, der zum 0:2 führte. Auch der gegebene Handelfmeter war unberechtigt; stattdessen hätte es nach Strobls Handspiel Elfmeter geben müssen. Nach dieser schwachen Darbietung stand für Kircher die SPOX-Note 6 zu Buche. In der Gesamtwertung reicht es zu einer 3,3 und Platz 17.

Ein wenig besser lief es für seinen Kollegen Florian Meyer, der sich zur Saisonmitte einige Patzer erlaubte, am Ende aber wieder sicher und größtenteils fehlerfrei agierte. Für ihn steht am Ende seiner Abschlusssaison Platz 13 mit der Durchschnittsnote 3,1.

Trotz des eher durchwachsenen bis mauen Eindrucks, den die drei Referees zuletzt hinterließen, gehören sie zweifellos zu den besten deutschen Unparteiischen der letzten 30 Jahre. Die sich durch ihr Karriereende ergebende Lücke wird nur schwer und langsam zu schließen sein.

Brych on Top: Unumstrittener deutscher Top-Schiedsrichter ist dieser Tage Felix Brych. Der Münchener Referee kommt nicht nur regelmäßig in der Champions League zum Einsatz und vertritt die Fahnen des DFB bei der anstehenden Europameisterschaft, sondern macht auch in der Bundesliga eine überzeugende Figur.

Mit der Durchschnittsnote 2,5 und einer Fehlerquote von 0,6 belegt Brych den ersten Platz in der SPOX-Bestenliste und ist als Gesamtsieger damit Nachfolger von Guido Winkmann, der zu keiner Zeit an die starken Leistungen der Vorsaison anknüpfen konnte.

Brych fiel durch zahlreiche souveräne, konzentrierte Spielleitungen auf räumt dabei reihenweise Bewertungen im 2er-Bereich ab. So hatte er auch die brisante Partie zwischen Werder Bremen und dem VfB Stuttgart am 32. Spieltag jederzeit gut im Griff und erlaubte sich keinerlei Schwächen.

Nachwuchshoffnungen: Neben dem etablierten Brych konnten auch einige jüngere Referees positiv auf sich aufmerksam machen. Dies gilt insbesondere für Benjamin Brand, der seine erste Saison als Erstliga-Schiedsrichter absolvierte und dabei einen hervorragenden Eindruck hinterließ. Bei seinen neun Spielleitungen erlaubte sich Brand nur fünf schwerwiegende Fehler und überzeugte jeweils durch eine ruhige und sachliche Spielleitung. Verdienter Lohn: Ein großartiger fünfter Platz in der SPOX-Tabelle.

Ähnliches gilt auch für den erst im Jahre 2014 zum Erstliga-Referee berufenen Sascha Stegemann. Der Niederkasseler wurde vom DFB gleich 17 Mal eingesetzt - klares Zeichen, dass der 31-jährige Schiedsrichter schon jetzt großes Vertrauen genießt. Dass er dieses Vertrauen zu rechtfertigen weiß, belegt ein guter achter Platz in der abgelaufenen Saison.

Unmittelbar hinter Stegemann ist mit Marco Fritz eine weitere Nachwuchshoffnung platziert. Der Schiedsrichter aus dem baden-württembergischen Korb schickt sich an, einer der neuen Top-Leute des DFB zu werden und wurde denn auch folgerichtig mit der Leitung des DFB-Pokalfinals zwischen Bayern München und Borussia Dortmund betraut.

Bei seinem bisherigen Karriere-Highlight hinterließ Fritz, der mitunter eine sehr kleinliche Linie fuhr, aber einen eher durchwachsenen Eindruck. So ließ er sowohl Ribérys Tätlichkeit als auch Sokratis' Reißen gegen Vidal ungeahndet, wirkte im Gesamtauftreten aber gleichwohl souverän. Trotz der nicht gänzlichen überzeugenden Leistung bleibt Fritz einer der Hoffnungsträger für den DFB.

In unserer Schiedsrichter-Tabelle sind nur Unparteiische aufgeführt, die in der abgelaufenen Saison fünf oder mehr Einsätze absolviert haben. Nicht aufgelistet sind Markus Schmidt (3 Einsätze, Durchschnittsnote 2,7) und Patrick Ittrich (3; 3,0).

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