Der kalkulierte Fehlstart

Behielt nach dem durchwachsenen Saisonstart die Ruhe: Christian Heidel
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Der 1. FSV Mainz 05 hat in den ersten Pflichtspielen unter dem neuen Coach Kasper Hjulmand wenig bis gar nicht überzeugen können. Nun hat Manager Christian Heidel nochmals ordentlich auf dem Transfermarkt zugeschlagen. Doch die Verpflichtungen von Jonas Hofmann, Philipp Wollscheid und Co. sind bei weitem keine Panikkäufe.

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Für viele war der Rücktritt von Thomas Tuchel nach dem 34. Spieltag der letzten Saison eine mittelschwere Überraschung. Zwar baggerten bisweilen der FC Schalke und auch der HSV um den 41-Jährigen, doch am Ende war Tuchels Abschied von den Rheinhessen und sein angekündigtes Sabbatical eine kleine Bombe, die im Mai platzte.

Allerdings wussten die Mainzer Beteiligten um Manager Christian Heidel angeblich bereits seit Anfang des Jahres von Tuchels Plänen. Einzig die Öffentlichkeit wurde nicht informiert, wollte man die Saisonziele des Vereins nicht gefährden.

Man hatte also fast ein halbes Jahr Zeit, um sich einen Nachfolger auszusuchen. Relativ schnell nach dem offiziellen Abschied Tuchels wurde Kasper Hjulmand vorgestellt. Das blieb für längere Zeit der einzige Transfer der 05er im Sommer. Erst im Juli verpflichtete man mit Daniel Brosinski aus Fürth den ersten Spieler.

Kasper Hjumand im Porträt: Eine Prototyp aus dem Labor

Es folgten Stefanos Kapino, Gonzalo Jara und Filip Djuricic in den Wochen darauf. Reichlich spät, wenn man bedenkt, dass die Mainzer bereits am 31. Juli ihren Pflichtspiel-Auftakt absolvierten (EL-Quali gegen Tripolis).

Team bewusst erst spät verstärkt

In der Coface Arena war man sich dessen bewusst, aber man wollte dem Trainer die Möglichkeit geben, sich selbst ein Bild vom vorhandenen Spielermaterial zu machen. "Ich kann ja nicht schon im Mai 15 Spieler verpflichtet haben, wenn ich nicht weiß, welche Ideen der neue Trainer hat", sagte Christian Heidel. Man nahm einen verpatzten Saisonstart durchaus in Kauf und verfiel nicht in Hektik.

Und so wirken die Verpflichtungen von Jonas Hoffmann, Philipp Wollscheid, Sami Allagui, Jairo und Pablo de Blasis nach dem fast schon katastrophalen Saisonstart mit dem EL-Aus, dem Ausscheiden im DFB-Pokal und nur einem Punkt aus zwei Spielen in der Liga nur auf den ersten Blick fast etwas panisch.

Heidel: "Von außen wird immer dramatisiert"

Doch in Mainz ticken die Uhren eben ein wenig anders. "Im Endeffekt haben wir die Spieler bekommen, die wir im Kopf hatten, die das verkörpern, was Mainz 05 spielen will. Es war von Anfang an klar, welche Positionen wir neu besetzten mussten. Das ist uns auch gelungen, auch wenn es etwas länger gedauert hat und wir auch ein bisschen auf Risiko gefahren sind", sagt Heidel.

Keine Schnellschüsse

Risiko, das man bewusste eingegangen ist. Mit Eric-Maxim Choupo-Moting und Nicolai Müller verlor man zwei entscheidende Faktoren im Offensivspiel der letzten Saison. Bei Choupo-Moting hatte man noch bis nach der WM die Hoffnung, dass er am Bruchweg doch noch einen neuen Vertrag unterschreiben werde. Müller ließ man aus freien Stücken ziehen, da sich dieser sportlich in Hamburg besser aufgehoben sah.

Qualität, die man nicht am nächsten Tag ersetzen konnte. In den eigenen Reihen nicht und auch nicht durch irgendwelche Schnellschüsse auf dem Transfermarkt. Die Verantwortlichen in Mainz verfielen nicht in Hektik, sondern scannten den Markt akribisch.

Doch die Umsetzung der geplanten Transfer gestaltete sich als schwierig, spielten doch viele Faktoren eine Rolle, wie Heidel erklärt: "Wenn Dortmund nicht Kagawa verpflichtet hätte, hätten wir Jonas Hofmann nicht bekommen. Wenn Sevilla nicht einen Spieler vom FC Barcelona verpflichtet hätte, hätten wir Jairo nicht bekommen."

Jairo, Allagui, Hofman - neue Qualität

So fügte sich eines zum anderen und gerade der spanische U-21-Nationalspieler könnte ein richtig guter Coup werden. 36 Spiele absolvierte der Rechtsaußen im letzten Jahr für den FC Sevilla, dabei gelangen ihm sechs Treffer und sieben Assists. Zwar spielte auch Allagui bei der Hertha zuletzt auf dem rechten Flügel, doch sieht sich der der Tunesier im Sturmzentrum besser aufgehoben.

Jairo aber ist ein klassischer Flügelspieler mit Zug zum Tor, der den lahmenden Mainzer Angriff beleben könnte. Mit Christoph Moritz und Ja-Choel Koo hatte der FSV in den bisherigen Spieler nicht unbedingt die personifizierte Torgefahr auf dem Feld. Einzig Shinji Okazaki erwies sich zu Saisonbeginn als treffsicher.

Mit Hofmann kam auf den letzten Drücker zudem ein flexibel einsetzbarer Mittelfeldspieler, der vor allem Raffinesse und Überraschungsmomente im eindimensionalen Mainzer Offensivspiel verspricht. Zu Beginn der letzten Saison war der deutsche U-21-Nationalspieler der Shootingstar beim BVB - konnte sich dort aber nicht nachhaltig durchsetzen und verspricht sich nach dem Kagawa-Transfer am Bruchweg mehr Einsatzzeiten. Für beide Seiten könnte dieses Leihgeschäft eine win-win-Situation werden, passt Hofmann vom Spielertypus perfekt in Hjulmands Anforderungsprofil. Durch die Transfers habe man "jetzt andere Typen für unser Angriffspiel", so der Coach.

"Das war keine Kurzschlussreaktion"

Eine Option könnte auch Pablo de Blasis werden, der vom EL-Quali-Gegner aus Tripolis kam. Der Argentinier ist im Mittelfeld ebenfalls flexibel einsetzbar, kann auf beiden Außenbahnen oder im Zentrum agieren. Allerdings muss man sehen, wie sich der 1,65 m große de Blasis in der Bundesliga durchzusetzen weiß. Hinter ihm steht noch das größten Fragezeichen der Neuzugänge.

Anders schaut es bei der Verpflichtung von Wollscheid aus. Mit ihm haben die 05er einen (ehemaligen) Nationalspieler verpflichtet, der nach der Verletzung von Nikolce Noveski (Innenbandriss) direkt eine wichtige Rolle spielen könnte. Nach seinem eher durchwachsenen zweiten Jahr bei Bayer ist der Innenverteidiger heiß auf Mainz: "Das war keine Kurzschlussreaktion, das habe ich mir schon reiflich überlegt. Und ich bin überzeugt, dass das für mich der richtige Schritt ist. Ich gehe das jetzt voller Vorfreude an", sagte der 25-Jährige.

Vorbereitung 2.0

In der noch jungen Saison zeigte der FSV Mainz in allen Mannschaftsteilen Schwächen. Bei der EL-Quali und im Pokal eklatante in der Abwehr, in der Liga fehlte in der Offensive die Durchschlagskraft und Kreativität. Die Schwachstellen hat man registriert und sie behoben. Nun geht es für das Trainer-Team darum, die Neuen ins Team zu integrieren. Aber eins ist sicher: Der Konkurrenzkampf im Kader wird nun noch ein Stück härter und Hjulmand weiß, dass "wir jetzt mehr am Teamgeist arbeiten müssen, das ist eine wichtige Aufgabe für mich."

31 Spieler hat der FSV Mainz nun unter Vertrag. Es wird sicherlich zu dem ein oder anderen Härtefall kommen. Doch nun hat Hjulmand seinen Kader zur Verfügung und kann sein Team nach seinen Wünschen und Vorstellungen einstellen. Wobei er zugibt, dass "wir die nächsten Wochen experimentieren." Salopp formuliert, könnte man sagen, dass die Vorbereitung nun ein zweites Mal beginnt.

Wie so oft scheint man in Mainz mit der nötigen Ruhe die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben. Vieles hängt von den nächsten Spielen ab. Sollten diese ähnlich laufen wie die bisherigen, greifen auch beim FSV die Gesetzte des Fußballs. Das weiß auch Manager Heidel: "Wenn wir die nächsten fünf Spiele verlieren, war eh alles scheiße."

Der 1. FSV Mainz 05 im Überblick

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