SPOX: Herr Träsch, Sie haben den VfL Wolfsburg auch schon zu Magath-Zeiten erlebt, inklusive 40-Mann-Kader. Ist das Training heute nicht viel angenehmer?
Christian Träsch: Definitiv. Wenn wir im Training elf gegen elf spielen wollten, mussten draußen noch acht bis zehn Spieler zuschauen. Für den Teamgeist war das nicht gerade förderlich. Es gibt Unruhe und Unzufriedene, wenn man zu viele Spieler hat. Und das war unter Magath nun einmal der Fall. Es gab zu viele Spieler, die den Anspruch hatten zu spielen. Das ging dann einfach nicht gut.
SPOX: Auch Sie selbst hatten im zweiten Magath-Jahr einen schweren Stand. Wie oft dachten Sie sich damals: "Ich will hier weg"?
Träsch: Natürlich habe ich mich gefragt, ob das der richtige Schritt war. Doch ich bin davon nach wie vor überzeugt. Ich bin keiner, der sich denkt "Ich hau' ab aus Wolfsburg", nur weil es mal nicht gut läuft. Mein Ziel war immer, mich hier durchzubeißen und das bleibt es auch.
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SPOX: War die drastische Kaderverkleinerung womöglich die wichtigste Veränderung im Zuge der Übernahme von Allofs und Hecking?
Träsch: Ganz bestimmt. Es ist einfach besser, mit einer kleineren Gruppe zu arbeiten als mit 35 bis 40 Mann. Klaus Allofs und Dieter Hecking haben den Kader auf eine normale Größe reduziert, das war wichtig.
SPOX: Welche markanten Veränderungen haben Sie darüber hinaus wahrgenommen?
Träsch: Die Reduzierung der Kadergröße war schon das markanteste. Doch auch insgesamt ist die Stimmung besser geworden, auch weil es in der vergangenen Rückrunde gut lief. Wir hatten zehn Spiele in Folge nicht verloren. Das war sehr wichtig für uns und die Stimmung ist dadurch eine völlig andere geworden. Nicht nur innerhalb der Mannschaft, das hat man im ganzen Verein und auf der Geschäftsstelle gemerkt.
SPOX: War die Stimmung unter Magath denn so schlecht?
Träsch: Das kann man so pauschal nicht sagen, aber man muss auch klar stellen: Die Stimmung war schlecht, weil wir häufig verloren hatten. Hätten wir damals alle Spiele gewonnen, wäre die Atmosphäre sicher gut gewesen.
SPOX: Unter Magath wurden Sie oft im defensiven Mittelfeld eingesetzt. Was dachten Sie, als die Verpflichtung von Luiz Gustavo konkreter wurde?
Träsch: Wenn man einen Spieler vom FC Bayern holt, der zuvor das Triple gewonnen hat, ist das immer wertvoll für den Verein. Das hat man schon in seinem ersten Spiel gegen Schalke gesehen. Was Luiz da gezeigt hat, war der Wahnsinn. Er hat eine enorme Qualität, vor allem im Defensivbereich. Luiz hilft uns einfach weiter und es gibt niemanden, der deshalb um seinen Platz fürchtet. Im Gegenteil: Wir haben uns über einen so prominenten Neuzugang gefreut.
SPOX: Er gilt von Beginn an als Führungsspieler. Ist er einer, der den Unterschied ausmacht?
Träsch: Ja, denn er hat eine enorme Ausstrahlung. Er hat eine außergewöhnliche Ruhe am Ball, das merkt man schon im Training. Das sieht man vor allem, wenn er Zweikämpfe gewinnt: Er verliert nicht gleich wieder den Ball, sondern treibt das Spiel mit Ruhe nach vorne.
SPOX: Im Zuge der Gustavo-Verpflichtung war die Euphorie groß. Manche haben sogar die Champions League als Ziel ausgerufen. Dabei wurden ambitionierte Saisonziele in den letzten Saisons beim VfL meist klar verfehlt...
Träsch: Unser Ziel ist ganz klar: Wir wollen besser sein als letztes Jahr. Aber das Team hat eine enorme Qualität, mit der man einiges erreichen kann. Doch in der Vergangenheit wurden Ziele ausgegeben, die bislang nicht erreicht wurden. Diese Saison sind wir auf einem guten Weg, auch wenn wir unsere Auswärtsspiele verloren haben. Aber jeder, der jetzt schon zu Euphorie neigt, sollte lieber mal den Ball flach halten.
SPOX: Andererseits hat sich der VfL angesichts der Kaderqualität vergangene Saison gewaltig unter Wert verkauft, oder?
Träsch: Auf jeden Fall. Die Qualität war auch letztes Jahr schon sehr hoch, nur haben wir es einfach nicht auf dem Platz umgesetzt. Das wollen wir diese Saison ändern.
SPOX: Unter Hecking läuft es bisher ordentlich. Was zeichnet ihn als Coach besonders aus?
Träsch: Er arbeitet sehr akribisch. Wenn ihm etwas im Training nicht passt, unterbricht er sofort jede Spielsituation. Er will der Mannschaft seine Spielphilosophie näher bringen. Wir versuchen immer sofort ins Gegenpressing zu kommen. Diese Spielart kommt auch bei der Mannschaft gut an. Bisher klappt das sehr gut.
SPOX: Sie selbst gehören wieder zum Stammpersonal, alles läuft nach Plan. Bis auf eine Episode aus der Vorbereitung. Erzählen Sie doch bitte mal von der einen Szene im Spiel gegen St. Etienne.
Träsch: Das lief sehr unglücklich. Ein Spieler von St. Etienne wollte den Ball wegschlagen und traf mich dann aus Versehen mit dem Ellbogen am Brustbein. Daraufhin ist mein Puls in die Höhe geschossen und hat sich nicht mehr beruhigt. Ich wurde danach ausgewechselt, war erst einmal eine halbe Stunde in der Kabine. Doch mein Puls war immer noch auf 180. Dann hat unser Mannschaftsarzt entschieden, dass wir ins Krankenhaus fahren. Letztendlich wurden Untersuchungen durchgeführt, die ergeben haben, dass ich schon Herz-Vorhof-Flimmern hatte.
SPOX: Ausgelöst durch einen Schlag aufs Brustbein?
Träsch: Ja, genau so. Die Ärztin meinte, es sei sehr selten, dass so ein Schlag ein Herz-Vorhof-Flimmern auslöst. Obendrein war noch mein Brustbein angebrochen. Aber ich hatte Glück im Unglück, so etwas kann sehr gefährlich sein. Es kann sogar zum Herzstillstand führen, die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch. Ich hatte sehr viel Glück in diesem Moment.
SPOX: Was für Gedanken rauschen einem in einer solchen Situation durch den Kopf?
Träsch: Es war gar nicht so schlimm für mich selbst. Ich habe nur gemerkt, dass mein Puls nicht mehr zur Ruhe kommt. Aber darum habe ich mir keine Gedanken gemacht. Ich habe eher an die Schmerzen am Brustbein gedacht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es etwas Gravierendes sein könnte. Viel schlimmer war es, als wir zwei Wochen darauf gegen Marseille gespielt haben. Da habe ich wieder einen Schlag auf dieselbe Stelle bekommen. In diesem Moment habe ich große Panik bekommen und gefürchtet, dass es mehr sein könnte.
SPOX: Aber es ist überhaupt nichts passiert?
Träsch: Nein, in dem Fall war gar nichts. Doch bei mir ist eine Panikreaktion entstanden, weil ich dachte: "Oh Gott, wieder ein Schlag auf dieselbe Stelle". Aber mittlerweile ist das komplett ausgestanden.
SPOX: Hatte dieses Erlebnis für sie weitere Konsequenzen? Zum Beispiel, dass Sie manchmal mehr Vorsicht walten lassen in Zweikämpfen?
Träsch: Nein, das war nicht der Fall. So etwas kann passieren, auch wenn ich das vorher nicht kannte. Aber Verletzungen jeglicher Art gehören zum Fußball dazu. Aber deswegen zurückstecken? Nein, auf keinen Fall.
Christian Träsch im Steckbrief