Es ist nicht so, dass sich Anatolij Tymoschtschuk beim FC Bayern München einsam fühlt. Zwar hat der Ukrainer mit Ivica Olic und Danijel Pranjic zwei Kollegen verloren, mit denen er sich besonders gut verstanden hat, aber der FC Bayern hat ja bekanntlich schnell für Abhilfe gesorgt.
"Ich habe mit beiden viel gesprochen, jetzt ist Mario da. Unsere Sprachen sind sehr ähnlich", so der 33-Jährige zu SPOX. Mit Mario ist Neuzugang Mario Mandzukic gemeint, zu dem Tymoschtschuk in den ersten Tagen des Trainingslagers einen guten Draht gefunden hat. Ob im Training, bei der Teampräsentation oder bei der Bootsfahrt im Trentino: Tymoschtschuk und Mandzukic waren immer am gleichen Fleck zu finden.
Elfmeter-Zoff abgehakt
Beide Spieler haben das EM-Aus mit der Ukraine bzw. mit Kroatien einigermaßen gut verdaut. Im Fall von Tymoschtschuk war da sogar eine gewisse Routine drin - er musste drei Vize-Titel mit dem FC Bayern verarbeiten und obendrein den Zoff im Champions-League-Finale, als er sich geweigert hatte, im Elfmeterschießen anzutreten, trotz der heftigen Intervention von Thomas Müller.
Das sei "nicht mehr aktuell", sagt Tymoschtschuk. "Es müssen zehn Spieler Elfmeter schießen, die anderen müssen warten, ob es weitergeht oder nicht. In diesem Spiel waren wir besser, aber wir haben verloren." Nun ist alles vergessen und verarbeitet. Auch dank Mandzukic.
"Ich bin froh, wenn ich ihm helfen kann. Er ist ein guter Typ und wir haben viel Spaß", sagt Tymoschtschuk, der den kroatischen Angreifer in höchsten Tönen lobt: "Er ist ein sehr guter Spieler, der bei der EM gezeigt hat, was er kann. Auch in Wolfsburg war er ein wichtiger Spieler." Und Tymoschtschuk weiß: "Im Sturm herrscht große Konkurrenz", weil er auch Pizarro für einen "guten Spieler" hält.
Rummenigge bei Martinez skeptisch
Die Ausgangssituation beider Spieler ist daher recht ähnlich. Während sich die Konkurrenten Mandzukic und Pizarro mit dem gesetzten Mario Gomez um einen Platz im Sturm streiten, kämpft Tymoschtschuk mit Luiz Gustavo um den rechten Platz neben Bastian Schweinsteiger im Mittelfeldzentrum. Und womöglich sogar nicht nur gegen den Brasilianer.
Dass der FC Bayern seit dem Weggang von Mark van Bommel im Winter 2011 auf einer der wichtigsten Positionen immer noch nicht die Idealbesetzung gefunden hat, belegt das rege Interesse an Javi Martinez. Die Bayern wollen den 23 Jahre alten Spanier nach wie vor verpflichten, sind aber nicht bereit, die festgeschriebenen 40 Millionen Euro zu bezahlen.
"Ich bin da nicht optimistisch, da bin ich ganz ehrlich. Sein Präsident hat immer ausdrücklich betont, dass er den Spieler nicht verkaufen will und auch nicht unter einem Preis der Klausel", sagt Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge. Ein Preis, den Bayern nicht mitgehen will. Unrealistisch, dass Bayern sich nach einer Alternative umsieht, sollte Martinez nicht klappen.
Heynckes schätzt Tymoschtschuk
Zumal Matthias Sammer darauf setzt, zunächst "Vertrauen in die vorhandene Qualität" zu investieren. Qualität haben Tymoschtschuk und Luiz Gustavo allemal, konstant abgerufen haben beide Spieler ihre Fähigkeiten aber zu selten. "Hundert Prozent zufrieden sein kann ich nicht", sagt Tymoschtschuk. Heynckes schätzt den Ukrainer für seine ruhige Art, besonders im Defensivverhalten.
Aber Tymo ist nicht der Mann, der das Spiel schnell macht, wenn Tempo aufgezogen werden soll. Nur deswegen wollte ihn Heynckes-Vorgänger Louis van Gaal damals gleich schon wieder wegschicken, ohne das der Ukrainer nur einmal an der Säbener Straße trainiert hatte. Auch später legte er ihm einen Wechsel nahe. Soweit kam es unter Heynckes nicht, zumal er in der vergangenen Saison 39 Pflichtspiele absolvierte.
Sollte Martinez kommen, würde sich die Situation für Tymoschtschuk aber wohl grundlegend ändern; der Spanier würde als neuer Schweinsteiger-Partner aufgebaut werden. "Wenn er kommt, ist das kein Problem für mich", sagt Tymoschtschuk. "Es heißt nicht, dass ein neuer Spieler sofort spielen muss, auch wenn er teuer ist. Ich hatte immer Konkurrenz: ob in Russland, in der Ukraine oder in Deutschland. Das ist eine normale Situation."
Gustavo: "Ich habe Selbstvertrauen"
Auch seine Zukunft macht der 33-Jährige nicht von einem möglichen weiteren Konkurrenten abhängig. An einen Transfer habe er (noch) nicht gedacht, auch wenn es Optionen gab - gerade im russischen Raum. Aber Tymoschtschuk sagt auch, dass "er noch Zeit habe" in der bis zum 31. August laufenden Transferperiode.
Sein Weggang ist genauso unrealistisch wie der von Luiz Gustavo. Der Brasilianer, der seine Qualitäten vor allem in der Champions League immer wieder unter Beweis stellen konnte, hat Parallelen zu Tymoschtschuk.
Auch der bald 25-Jährige würde sich von einem Martinez-Transfer nicht beeindrucken lassen. "Der Neue kann kommen", sagt er. "Hier bei Bayern gibt es immer große Konkurrenz. Schon jetzt. Ich habe mich in der letzten Saison weiter entwickelt, habe Selbstvertrauen."
Der Brasilianer gibt zu, dass er "offensiv" noch Steigerungspotenzial habe. Auch wenn es unterschiedliche Typen sind und Luiz Gustavo ein Tick aggressiver agiert, sind Luiz Gustavo und Tymoschtschuk ähnlich veranlagt. Und stellen daher gleichermaßen ein "Problem" für den Trainer dar.
Lösung für alle Probleme: David Alaba
Möglicherweise könnte Heynckes andere Lösungen suchen und finden. Toni Kroos spielte die Rolle neben Schweinsteiger des Öfteren, bewies aber auch nicht selten genug, dass er eine Reihe davor besser aufgehoben ist. Nicht uninteressant erscheint da die Rolle David Alabas, der in den letzten Testspielen im Zentrum agierte, auch weil Schweinsteiger und Kroos urlaubsbedingt fehlten.
Beim FC Bayern darf langfristig die Frage gestellt werden, ob der Österreicher auf der linken Abwehrseite nicht verschwendet wird, wenn er im vakanten Mittelfeldzentrum möglicherweise besser zur Geltung kommen könnte. Einziges Problem: Wie Schweinsteiger bevorzugt auch Alaba die linke der beiden Zentralpositionen. Ein Problem, das nicht unlösbar erscheint.
"Insgesamt betrachtet wäre es vielleicht besser, wenn er auch bei den Bayern zentral spielen würde, immerhin ist es seine Lieblingsposition", sagte unlängst Österreichs Nationaltrainer Marcel Koller im SPOX-Interview. Doch das Dilemma der Bayern liegt darin, dass Alaba die Lösung für beide Münnchener Problemzonen heißt: in der Außenverteidigung und der Platz neben Schweinsteiger. Bayerns ewige Partnersuche - sie scheint erst einmal weiterzugehen.
Der Kader des FC Bayern