"Bayern wird Meister"

SID
Ottmar Hitzfeld (l.) sieht den FC Bayern im Titelrennen gegen den BVB im Vorteil
© Getty

Der Schweizer Nationalcoach Ottmar Hitzfeld trainierte Borussia Dortmund von 1991 bis 1997 und Bayern München von 1998 bis 2004 sowie in der Saison 2007/2008 - er kennt beide Vereine ganz genau. Im Interview spricht der 63-Jährige über das Spitzenspiel in der Bundesliga und die Vorentscheidung um die Meisterschaft am Mittwoch.

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Frage: Dortmund gegen Bayern. Sie selbst erlebten dieses Duell mehrfach als Trainer. Welche Erinnerungen kommen Ihnen spontan in den Sinn?

Ottmar Hitzfeld: Diese Duelle sind immer ein Saisonhighlight. Für die beteiligten Trainer und Spieler ist das Spiel aber nicht so heiß wie für die Fans. Bei denen ist das Fieber viel höher.

Frage: Nach der Vorrunde galt Bayern schon als Meister, zwischenzeitlich enteilte Dortmund bis auf sieben Punkte. Jetzt ist es wieder ganz eng. Wer hat nun den psychologischen Vorteil?

Hitzfeld: Wenn es diesen Vorteil überhaupt gibt, dann hat ihn Dortmund auf seiner Seite. Sie sind Tabellenführer, sie müssen überholt werden. Für die Bayern wird es ein Endspiel, sie dürfen in Dortmund nicht verlieren. Das Saisonende rückt immer näher, Ausrutscher sind nicht mehr zu korrigieren.

Frage: Der große Vorsprung von Dortmund schmolz dahin. Wird der BVB langsam nervös?

Hitzfeld: Überhaupt nicht. Dortmund hat eine sensationelle Bilanz, ist seit dem sechsten Spieltag in der Bundesliga ungeschlagen. Nur weil man mal Remis spielt, ist das kein Zeichen von Nervosität. Die Bayern haben mehr zu verlieren. Ein weiteres Jahr ohne Meistertitel wäre eine Katastrophe für die Münchner.

Frage: Dortmund fährt weiter die Schiene "Alles kann, nichts muss". Das Wort Meisterschaft nimmt wieder keiner in den Mund - wie letzte Saison. Clever, weiter auf Understatement zu machen?

Hitzfeld: Aufgrund des Budgets gegenüber den Bayern ist es legitim, den Münchnern die Favoritenrolle zuzuschieben. Aber klar ist: Beide wollen Meister werden. Dortmund ist mit Platz zwei nicht mehr zufrieden. Ich finde es geschickt, weiter auf Understatement zu machen. Zumal die Bayern sich über das Tiefstapeln sogar ärgern. Man versucht ja immer, den Gegner zu verunsichern.

Frage: In welchen Bereichen hat denn Dortmund sportliche Vorteile?

Hitzfeld: Dortmund hat ein extrem gut funktionierendes Kollektiv. Dort greift ein Rädchen ins Andere. Ohne diese Teamstärke wäre der BVB nicht so erfolgreich. Eine große Stärke ist das laufintensive Offensivspiel. Die Statistiken zeigen ja, dass die Dortmunder in jedem Match 90 Minuten marschieren.

Frage: In welchen Bereichen sind die Bayern stärker?

Hitzfeld: Die Bayern können ökonomischer spielen, da sie einige Weltklasse-Spieler in ihren Reihen haben. Franck Ribery oder Arjen Robben können ein Match alleine entscheiden. Solche außergewöhnlichen Einzelkönner hat der BVB nicht in seinem Team. Dazu sind die Bayern sehr erfahren und routiniert. Dortmund gewann zwar letztes Jahr die Meisterschaft, das Team ist aber noch sehr jung und weiter im Lernprozess.

Frage: Das Spiel wird auch ein Duell der Trainer-Generationen. Jürgen Klopp (45) gegen Jupp Heynckes (66). Wer hat die besseren Tricks?

Hitzfeld: Klopp lebt von seinen Emotionen, Heynckes ist da wesentlich ruhiger und erfahrener. Aber beide machen ihren Job authentisch. Das kommt bei ihren Spielern gut an, so nutzt sich einer wie Klopp auch nicht ab - trotz aller Emotionalität. Die Rolle des Trainers bei so einem Spiel sollten wir aber nicht überschätzen.

Frage: Welche Rolle spielen die Belastungen in der Champions League. Ist Dortmund im Vorteil durch das frühe Ausscheiden?

Hitzfeld: Das ist kein Vorteil für Dortmund. Bayern ist voll im Rhythmus und hält durch die vielen Spiele die Spannung permanent oben. Es ist viel schwerer, diese Konzentration nur von Bundesligaspiel zu Bundesligaspiel aufrecht zu erhalten.

Frage: Und körperlich?

Hitzfeld: Das sind doch Vollprofis, denen macht es nichts aus, wenn sie Englische Wochen spielen. Jeder ist so fit, körperliche Auswirkungen gibt es keine. Zumal Heynckes auch rotiert, da bekommt jeder Mal eine Pause.

Frage: Nur sechs Tage nach dem Hit in Dortmund müssen die Bayern gegen Real Madrid ran. In München träumen alle vom Champions-League-Finale in der heimischen Arena. Kann ein Profi diese Gedanken völlig ausblenden?

Hitzfeld: Die Bayern-Spieler können das. Die denken Schritt für Schritt. Wenn sie in Dortmund auf den Rasen laufen, ist Madrid völlig ausgeblendet.

Frage: Stimmen Sie der These zu: Wer gewinnt, wird Meister?

Hitzfeld: Wenn Dortmund gewinnt, ist das sicher eine Vorentscheidung. Das Spiel ist eminent wichtig für beide Teams, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren.

Frage: Sie feierten mit beiden Klubs als Trainer große Erfolge. Wem drücken Sie die Daumen?

Hitzfeld: Da bin ich mal ganz Schweizer - und wahre die Neutralität.

Frage: Es treffen die beiden offensivstärksten Teams aufeinander. Gibt es ein Spektakel?

Hitzfeld: Ich hoffe sehr, dass wir ein packendes Duell mit vielen Torraumszenen sehen werden. Für beide Mannschaften geht es aber um sehr viel. Keiner wird ins offene Messer rennen, sondern abwarten, wie sich das Spiel entwickelt.

Frage: Ihr Tipp?

Hitzfeld: Ich tippe auf ein Remis. Wie man zuletzt beim 4:4 von Dortmund gegen Stuttgart sah, kann auch ein Unentschieden sehr packend sein.

Frage: Wer wird deutscher Meister 2012?

Hitzfeld: Mein Gefühl sagt mir: Bayern wird Meister!

Frage: Worauf begründet sich Ihr Gefühl?

Hitzfeld: Wäre Bayern nicht mehr im Pokal und der Champions League dabei, hätte ich auf Dortmund getippt. Durch die letzten Erfolge herrscht bei den Bayern eine enorme Spannung. Sie können noch alle Titel gewinnen, das spornt extrem an. Sie sind selbstbewusst und konzentriert. Das wird den Ausschlag geben.

Ottmar Hitzfeld im Steckbrief

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