SPOX: Herr Bobic, früher waren Sie der Inbegriff der Fröhlichkeit. Doch seit Sie vor eineinhalb Jahren den Manager-Posten in Stuttgart übernommen haben, scheinen Sie sich grundlegend verändert zu haben: Sie lachen kaum mehr.
Fredi Bobic: Ich versuche, locker zu bleiben. Dennoch gibt es nun mal Phasen, in denen ich als Bundesliga-Manager extrem unter Spannung stehe. Vor allem an Spieltagen. Es zählt nur das reine Ergebnis - und wenn das Ergebnis nicht stimmt, denke ich schon manchmal daran, was uns für eine Woche bevorsteht. Dieser Druck ist einem immer bewusst, daher kann ich nicht immer mit fröhlicher Miene durch das Stadion spazieren.
SPOX: Nicht lachen zu können: Ist das der Preis, den ein Bundesliga-Manager zu zahlen hat?
Bobic: Nein, das ist übertrieben. Vor allem unter der Woche vergesse ich nicht zu lachen. Besonders im Abstiegskampf ist es wichtig, positiv zu sein und diese Denke an andere weiterzugeben, egal ob der Sekretärin in der Geschäftsstelle oder der Mannschaft. Denn wenn man die Lockerheit verliert, breitet sich schnell eine negative Energie aus, die jeden ansteckt. Viele Leute haben letzte Saison nicht verstanden, warum ich mich so verhalten habe. Am Ende fühle ich mich darin bestätigt, antizyklisch zu agieren. Das schließt nicht aus, dass ich auch mal Klartext spreche, so wie nach dem Pokalspiel gegen den FC Bayern.
SPOX: Anders als einige Manager-Kollegen verloren Sie nie an Authentizität. Dabei mussten Sie beweisen, dass Sie nicht nur ein Publikumsliebling sind, sondern mit Härte einen Verein führen können. Wie schwer ist es, konsequent zu sein?
Bobic: Die Frage stellte sich nicht, ob es schwer ist oder nicht, konsequent zu sein. Denn: Es bleibt mir ohnehin gar keine andere Wahl. In Deutschland wird nach wie vor unterschätzt, was wir in Bulgarien bei Burgas geleistet haben, dort war Konsequenz ebenfalls unabdingbar. Es sollten jeden Tag zig Entscheidungen getroffen werden. Einige davon waren nicht so wichtig, andere wiederum legten den Kurs des gesamten Klubs fest. In Stuttgart läuft es ähnlich. Du musst Mensch bleiben und du musst gleichzeitig extrem konsequent entscheiden können. Für einen Manager darf es nur eine Maxime geben: Es geht nur um den Verein, nie um persönliche Befindlichkeiten. Wer als Manager diese Trennung nicht hinbekommt, bekommt große Probleme.
SPOX: Sie setzten vor allem im Nachwuchsbereich an: Unter anderem besetzten Sie die Trainerstelle von der U 17 bis zur U 23 neu, außerdem wurde für Marc Kienle der Posten des sportlichen Leiters geschaffen. Verlierer der Umstrukturierung sind viele langjährige Mitarbeiter, die degradiert wurden. Freunde machten Sie sich damit nicht.
Bobic: Ich bin in Stuttgart, um erfolgreich zu sein und um mitzuhelfen, den Verein weiterzuentwickeln. Und da ist wie gesagt Konsequenz unabdingbar. Ich habe festgestellt, dass wir noch an ein paar Stellschrauben drehen können. So war zum Beispiel die Verzahnung der U 23 mit dem Jugend- und dem Profibereich nicht optimal geregelt. Das musste angegangen werden.
SPOX: Und?
Bobic: Es hat sich vieles zum Positiven gewandelt. Die Kommunikationsfähigkeit des gesamten Trainerstabs in der Jugend und bei den Profis ist mittlerweile vorbildlich - was nötig ist, damit von der U 15 bis zu den Profis eine gemeinsame Philosophie gelebt wird. Da geht es nicht nur um die Cheftrainer, sondern auch um die Torwart- und Fitnesstrainer. Marc Kienles Beförderung vom U-17-Coach zum sportlichen Leiter des Nachwuchsbereichs war die richtige Entscheidung, damit anders als in der Vergangenheit die U 23 neben der U 15, U 17 und U 19 adäquat begleitet wird.
SPOX: Sie sprechen sachlich über all die Personalien. Für Unmut sorgte der Schritt, Klub-Urgestein Eberhard Trautner von den Profis abzuziehen und ihm nur noch das Torwarttraining der Jugendspieler anzuvertrauen.
Bobic: Eberhard Trautner ist das perfekte Beispiel: Er arbeitet gut - aber ich sehe seine Stärken eindeutig im Jugendbereich, weswegen er dort eingesetzt wird. Es war für ihn sicherlich nicht einfach. Das verstehe ich, dennoch war für mich ein klarer Schnitt nötig. Mit Andreas Menger haben wir einen neuen Torwarttrainer verpflichten können. Dass sich Sven Ulreich so verbessert hat, ist zum großen Teil auch Mengers akribischer Art zu verdanken. Andre Weis hat als Nachfolger von Bernd Leno in der zweiten Mannschaft einen ebenso sensationellen Sprung hingelegt.
SPOX: Stuttgarts Nachwuchsarbeit wird seit langem gerühmt, für die Torhüter war der VfB hingegen nicht bekannt. Jetzt gibt es Ulreich, Weis, dahinter U-17-Nationalkeeper Odisseas Vlachodimos. Mit dem Leno-Verkauf wurden außerdem bis zu acht Millionen Euro erwirtschaftet. Gehörte es zu Ihrem Plan, eine Torwartschule wie in Kaiserslautern oder auf Schalke zu begründen?
Bobic: Den Torwartbereich darf man nicht einzeln ausklammern. Wir wollen, dass wir auf allen Positionen in Deutschland mit führend sind in der Nachwuchsförderung. Dass sich bei den Torhütern die Verpflichtung von Menger so positiv auswirkt, konnte man nicht erwarten. Es bestätigt mich in meiner Meinung, keine Angst davor zu haben, starke Persönlichkeiten zu holen. Wir brauchen Leute, die selbstverantwortlich Dinge anstoßen.
SPOX: Sie und Präsident Gerd Mäuser sprechen vom "Stuttgarter Weg", den der VfB eingeschlagen hat. Was heißt das konkret?
Bobic: Vereinfacht formuliert: Wir verpflichten uns dem eigenen Nachwuchs. Wir wollen mehr und mehr junge Spieler in die Profimannschaft integrieren. Selbst im Falle von großen Erfolgen und entsprechenden Einnahmen werden wir uns keine Mannschaft zusammenkaufen, sondern weiter dem Stuttgarter Weg folgen.
SPOX: Wie passt der Winter-Einkauf von Vedad Ibisevic, der nach Hoffenheimer Angaben 5,5 Millionen Euro gekostet haben soll, in diese Philosophie?
Bobic: Erstens: Diese Zahl ist Spekulation. Zweitens: Wenn wir von einem Spieler überzeugt sind und er in unsere mittelfristige Planung passt, handeln wir. Im Fall von Vedad Ibisevic hatten wir Handlungsbedarf im Sturmzentrum. Uns fehlte ein Strafraumstürmer, Ibisevic passt perfekt in unser Suchschema, also haben wir investiert.
SPOX: Im Sommer könnte aus Hoffenheim Sejad Salihovic folgen, an dem Stuttgart interessiert ist. Sollte er kommen, würde er jedoch den Platz von Kevin Stöger blockieren, der zwar lange verletzt war, aber als hochtalentiert gilt und einen ähnlichen Typus verkörpert wie Salihovic. Ist das das große Dilemma, in dem ein Verein wie Stuttgart steckt?
Bobic: In diesem Dilemma werden wir vor jeder Transferperiode stecken und je nach Situation entscheiden müssen. Wir brauchen ein Gerüst an erfahrenen Spielern, an denen sich die Jungen orientieren können. Gleichzeitig muss man einen exakten Überblick haben, wer von unten nachrücken könnte. Stöger ist ein gutes Beispiel: Er war schon im Sommer an den Profis dran und stand kurz davor, komplett hochgezogen zu werden. Dann erlitt er einen Ermüdungsbruch und bekommt jetzt wieder seine ersten Einsätze. Wann erreicht er die Topform? Was sagt der Trainer? Von diesen Fragen wird abhängen, wie der Kader im Sommer aussieht.
SPOX: Im Januar verkündeten Sie die Vertragsverlängerung von Martin Harnik und beschrieben ihn als das "Gesicht des Stuttgarter Wegs". Warum Harnik?
Bobic: Weil Harnik genau die Charaktereigenschaften verkörpert, die wir uns bei allen Spielern wünschen: Selbstbewusstsein, Verantwortungsgefühl und hohe Kritikfähigkeit an sich selbst gepaart mit Identifikationsgefühl. Der letzte Punkt ist mir besonders wichtig. Harnik oder Ulreich sehen sich langfristig beim VfB. Um solche Spieler kann man eine Mannschaft bauen. Wenn jemand andauernd mit anderen Klubs kokettiert, ist er bei uns falsch.
Ein Torjäger wird zum Manager: Fredi Bobic im Steckbrief