So lief die Hinrunde
Durch den 3:0-Erfolg gegen Wolfsburg am 4. Spieltag schien Freiburg in der Saison angekommen zu sein, doch direkt im Anschluss folgten ernüchternde Wochen: Das 0:7 in München war der Beginn einer Serie von sechs Niederlagen in sieben Partien. Der Auswärtssieg in Nürnberg Anfang November sollte der Startschuss zu einem versöhnlichen Hinrunden-Abschluss sein, blieb aber der letzte im Jahr 2011. Dieses endete mit zwei Klatschen und acht Gegentoren gegen Köln und Dortmund und dem letzten Tabellen-Platz.
Den großen Knaller gab es dann nach Hinrunden-Ende: Zuerst stellte der Verein sechs Profis frei, darunter Kapitän Heiko Butscher, dann wurde auch noch Chefcoach Marcus Sorg entlassen. Dessen ehemaliger Assistent Christian Streich übernahm die Mannschaft und soll sie zum Klassenerhalt führen.
In der Hinrunde wurde deutlich, dass der SC in der so erfolgreichen vergangenen Saison viele Spiele dank der Tore von Papiss Demba Cisse knapp gewonnen hatte - diese Qualität konnte in den ersten 17 Spieltagen nicht abgerufen werden. Das wirkte sich extrem auf die Punktausbeute aus.
Das war gut
Trotz der für Freiburger Verhältnisse ungewohnt turbulenten Verhältnisse in den vergangenen Wochen blieb sich der Klub in einem Punkt treu: Mit Streich wurde erneut ein profunder Vereinskenner auf den Cheftrainer-Posten gehievt, kein Feuerwehrmann oder Schnellschuss-Coach. Streich ist seit 1995 im Verein und hat bereits die SC-Fußballschule geleitet.
Spielerisch hat der SC bis auf wenige Ausnahmen so gut wie immer mitgehalten, nicht selten waren die Breisgauer sogar die bessere Mannschaft. Stellvertretend dafür steht die Heimpartie gegen den HSV, die 1:2 verloren ging - die der SC aber aufgrund der Leistung nie und nimmer verlieren hätte dürfen. Passend dazu vergab Cisse in der Schlussphase das 2:2 vom Elfmeterpunkt.
Auf die Frage, was der Mannschaft fehle, sagte Anton Putsila im SPOX-Interview: "Ein Erfolgserlebnis. Leider spiegeln die Ergebnisse nicht unbedingt den Spielverlauf wieder." Dem SC fehlte aber nicht nur ein Erfolgserlebnis sondern hauptsächlich immer wieder die Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor: Bis zum Strafraum kombinierte er flüssig und ansehnlich, im Strafraum fehlte dann aber die nötige Entschlossenheit.
Ebenfalls gut: Obwohl dem Team nur drei Siege gelangen, ist der Relegationsplatz (Kaiserslautern, 16 Punkte) nur drei Punkte entfernt. Spieler und Verein haben nach dem radikalen Umbruch im Dezember keine Alibis mehr, die Brandherde scheinen gelöscht: Es geht jetzt einzig und allein um den Klassenerhalt.
Das muss besser werden
Lange stand der SC Freiburg für Ruhe, Beschaulichkeit und langfristiges Denken - der Breisgau schien der ideale Arbeitsplatz für sorgenfreies Arbeiten im rauen Profifußball-Geschäft. Sorg war in 20 Jahren nach Volker Finke und Robin Dutt erst der dritte Coach der Freiburger Bundesliga-Geschichte .
Dieses beschauliche Bild bekam in den vergangenen Monaten starke Risse: Zuerst wurde Neuzugang Beg Ferati nach einem Interview vereinsintern suspendiert, dann gestalteten sich die Vertragsverhandlungen mit Bastians als nahezu unmöglich, da es zwischen Verein und dessen neuen Beratern große Spannungen gab. Im Dezember kulminierte das Ganze in der Freistellung der sechs Profis und der Sorg-Entlassung.
Sportlich muss in erster Linie die Defensive besser werden: Mit 39 Gegentoren stellt der SC die Schießbude der Liga. Damit ist aber nicht nur die Abwehr gemeint, die die gesamte Hinrunde über von vielen Verletzungen geplagt war. Das Problem liegt tiefer, denn dem Team fehlte oft die nötige Balance zwischen Offensive und Defensive. "Es lag nicht an der Abwehr. Natürlich hat die Abwehr Fehler gemacht. Aber es lag an der Verbindung der Mannschaftsteile. Wir konnten die nötige Dichte nicht über 90 Minuten aufrechterhalten", sagte Streich im Interview mit der "Badischen Zeitung".
Tödlich waren dazu oft individuelle Aussetzer - diese müssen auf jeden Fall reduziert werden. Im Trainingslager in Spanien funktionierte das Umschalten nach Ballverlusten deutlich besser, unter Wettkampfbedingungen muss sich das aber noch bestätigen.
Um die Fehler auszumerzen, müssen "die Kommunikationsstörungen, die es gab", (Streich) aufgearbeitet werden und die Mannschaft wieder eng zusammenrücken - eine Qualität, die den Verein in den letzten Jahren immer ausgezeichnet hat.
Außerdem muss sich der SC zuhause deutlich steigern: Nur zwei Heimsiege sind natürlich viel zu wenig.
Der Spieler im Fokus
Jan Rosenthal. Der 25-Jährige verpasste aufgrund von Verletzungen nahezu die komplette Hinrunde: Nur in fünf Spielen konnte er mitwirken. Dort zeigte er aber, wie wichtig er für das Team ist.
Rosenthal hilft dem Team mit seiner läuferischen Präsenz und ist auch mal für ein dreckiges Tor gut - so wie beim 2:1 in Nürnberg demonstriert. Diese Fähigkeit hatten in der Vorrunde nicht viele im SC-Kader. Ganz nebenbei ist er mit seinen zwei Treffern drittbester Torschütze des Teams - und das, obwohl er nur fünfmal spielte.
Prognose
Der SC ist nach dem Knall im Dezember eine Wundertüte. Was hat Streich drauf? Was die Neuen, von denen erst der Transfer von Fallou Diagne perfekt ist? Und wie hat der ganze Verein den knallharten Umbruch verkraftet? "Die Ausgangssituation war schwierig und ist schwierig", sagt Streich.
Mut macht ein Blick in die letzte Saison: "Dort hatten zwei Mannschaften noch weniger Punkte als wir heute und stiegen nicht ab", sagte Präsident Fritz Keller dem "Kicker" und spielte dabei auf Gladbach (10) und Stuttgart (12) an.
Trotzdem: Die Mannschaft muss sehr schnell mit Coach Streich warm werden und seine Ideen umsetzen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Mitentscheidend werden die ersten zwei Partien sein, in denen es gegen Augsburg und Mainz und damit gegen direkte Konkurrenten geht.
Der Kader des SC Freiburg im Überblick